"Kulturhistorische Leistung" im Bauen von Brücken
Das am 23. Juni 1967 beschlossene "Orthodoxengesetz" sei mit einer enormen "kulturellen Hintergrundstrahlung" verbunden und verdeutliche, dass der "intellektuelle Reichtum" des österreichischen Staates "wesentlich auch in der Vielfalt der mit ihm historisch verwachsenen Religionsgemeinschaften und Kirchen besteht", so Religionsrechtsexperte Dominik Orieschnig in seinem Festvortrag – Kurienkardinal Kurt Koch, Ökumenischer Patriarch Bartholomaios I., Apostolischer Nuntius Peter Stephan Zurbriggen, zahlreiche Bischöfe, Gastgeber Metropolit Arsenios und viele weitere hochrangige Persönlichkeiten bei der heutigen Feier
Wien – Das vor 50 Jahren beschlossene Orthodoxengesetz, das die Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich regelt, sei eine große "kulturhistorische Leistung der Republik Österreich", weil es für die "positivsten Seiten eines spezifisch österreichischen Elements" in der europäischen Geschichte stehe: "ein hochdifferenzierter Kulturgeist, weltbürgerliche Gesinnung und der Bau von Brücken zwischen Parteien". Das betonte der Religionsrechtsexperte Dominik Orieschnig in seinem Festvortrag im Rahmen des heutigen Festaktes "50 Jahre Orthodoxengesetz in Österreich".
Intellektueller Reichtum braucht Vielfalt der Religionen
Dieses Gesetz, beschlossen am 23. Juni 1967, sei mit einer enormen "kulturellen Hintergrundstrahlung" verbunden. Es ermöglichte "eine moderne Fortschreibung einer seit Jahrhunderten bestehenden Zugehörigkeit griechisch-byzantinischer Kultur zu Österreich" und rief zugleich ins Bewusstsein, "das im Blick auf die österreichischen Jahrhunderte Kultur ohne Migration nicht zu denken ist", so der Festvortragende. Schließlich verdeutliche das Orthodoxengesetz, dass der "intellektuelle Reichtum" des österreichischen Staates "wesentlich auch in der Vielfalt der mit ihm historisch verwachsenen Religionsgemeinschaften und Kirchen besteht", zumal diese gesetzliche Regelung nicht zufällig auf dem Protestantengesetz aufbaute.
Prominente Gästeliste
Wie hoch die Bedeutung dieses "Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich" für das "Ankommen der Orthodoxen in der Zweiten Republik", aber auch als "ökumenische Weichenstellung" mit großer Strahlkraft einzuschätzen ist, verdeutlicht alleine die Gästeliste am Festakt, zu dem Metropolit Arsenios Kardamakis nach einer feierlichen Vesper in der griechisch-orthodoxen Kirche zum Heiligen Georg in der Wiener Griechengasse in die griechisch-orthodoxe Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit am Wiener Fleischmarkt lud: Kurienkardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, nahm an der Feier ebenso teil wie der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, weltweites Oberhaupt der orthodoxen Christen. Der Apostolische Nuntius Peter Stephan Zurbriggen war ebenso vertreten wie die katholischen Bischöfe Ägidius Zsifkovics, Manfred Scheuer, Wilhelm Krautwaschl, Klaus Küng, Alois Schwarz, Werner Freistetter und Franz Scharl sowie der evangelische Bischof Michael Bünker und der Bischof der Altkatholischen Kirche Heinz Lederleitner. Auf Seiten der Orthodoxie kamen u.a. der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandrien und ganz Afrika, Theodor II., der russisch-orthodoxe Erzbischof von Österreich, Antonij (Sevrjuk), Metropolit Isaak (Barakat), vom Patriarchat von Antiochien und der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic). Der Nationalrat als 1. Kammer des österreichischen Parlaments war durch die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller vertreten. An der Feier nahmen zudem zahlreiche Ehrengäste aus den Bereichen Wirtschaft und Kultur teil.
Baustein-Spende von Papst Franziskus für Orthodoxes Kloster
Im Rahmen des Festaktes überreichten Kurienkardinal Koch und der Eisenstädter Diözesanbischof Zsifkovics eine Baustein-Spende von Papst Franziskus für das erste Orthodoxe Kloster, das im burgenländischen St. Andrä gebaut wird. Dieser persönliche Baustein des Heiligen Vaters in der Höhe von 100.000 Euro wurde wenige Tage zuvor dem Eisenstädter Bischof zugesandt, der die Spende nun gemeinsam mit dem "Ökumeneminister" des Vatikans an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und die griechisch-orthodoxe Metropolis von Austria übergab.
Kloster als "humanistische Drehscheibe" und "Brücke der Hoffnung"
Religionsrechtsexperte Orieschnig sprach in seinem Festvortrag sowohl mit Blick auf das Orthodoxengesetz als auch hinsichtlich des ersten Orthodoxen Klosters in Österreich von "ökumenischen Weichenstellungen von enormer Innovationskraft". Das Klosterprojekt, in die Wege geleitet durch eine Grundstücksstiftung der katholischen Diözese Eisenstadt und ihres Bischofs Zsifkovics, sei "nicht nur ein historisches Ereignis für die Orthodoxen in Österreich, sondern auch für die Ökumene in unserem Land." Dieses Kloster sei – gerade in einer "Zeit großer Umbrüche, regressiver psychologischer Tendenzen und neuer politischer Hegemonialansprüche in Europa und der Welt – nicht nur ein Ort des Gebets für orthodoxe Christen des pannonischen Raumes. Es sei zugleich "eine humanistische Drehscheibe zwischen Ost und West", eine "Brücke der Hoffnung zwischen orthodoxer und katholischer Kirche" und nicht zuletzt "ein kulturelles Symbol gegen Fanatismen aller Art".
Europa braucht innovative Kraft christlicher Kirchen
An diesem ersten Orthodoxen Kloster in Österreich als "ein lebendiges soziales Bauwerk" werden, so Orieschnig gerade mit Blick auf die persönliche Unterstützung des Projekts durch Papst Franziskus und durch den Ökumenischen Patriarchen, "Mäzene und Visionäre des 21. Jahrhunderts bauen. Damit werde ein Beweis erbracht, "wie ein moderner Kulturbeitrag Österreichs abseits von Schisport und Walzerseligkeit in einem Vereinten Europa von morgen aussehen kann – ein Europa übrigens, das heute um sein eigenes Selbstverständnis ringt und das die innovative Kraft seiner Mitgliedsstaaten und seiner christlichen Kirchen dringend benötigt."
Ökumene braucht "Weg vom Wort zur Tat"
Aus dem Orthodoxengesetz von 1967 spreche das "wache österreichische Kulturbewusstsein", als Brückenbauer und verbindender Katalysator zwischen den Völkern und Konfessionen zu wirken. Das Gesetz, so Orieschnig, stelle heute mehr denn je "eine gesellschaftliche Denkaufgabe für uns bereit", die uns zur kritischen Prüfung auffordert, ob wir – auch im Bereich der Ökumene – "den Weg vom Papier zur Praxis", den "Weg vom Wort zur Tat" geschafft haben.
Reicher werden durch Anteil am Leben der anderen
Genau diesen Weg vom Wort zur Tat gerade im Geiste einer "mutigen christlichen Gegenkultur gegen einen derzeit wiederkehrenden Trend zu Zäunen, der Trennung und der Ausgrenzung" gehe das Projekt des ersten Orthodoxen Klosters in Österreich. Als ein weiteres Beispiel gelebter Ökumene nannte der Experte die 2014 erfolgte Übergabe eines Kirchengebäudes der Redemptoristen im steirischen Leoben an die Orthodoxe Metropolis von Austria. Dadurch seien nicht nur orthodoxe Christen in den Genuss eines Gotteshauses gekommen, sondern auch katholische Christen entfalteten "eine unerwartete Dynamik" durch die Entfaltung eines ökumenischen Gemeinschaftslebens mit orthodoxen und katholischen Gottesdiensten in der Leobener St. Alfons-Kirche: "Die Menschen dort nehmen Anteil am Leben des jeweils anderen und sind an Gemeinschaft und an Freude reicher geworden", betont Orieschnig.
Gegen "Geschichtsvergessenheit" und "kulturelle Legasthenie"
Das Orthodoxengesetz als Ausdruck eines hochdifferenzierten Kulturgeistes, der weltbürgerlichen Gesinnung und des Baus von Brücken sei zugleich ein Korrektiv gegen "Geschichtsvergessenheit" und eine "kulturelle Legasthenie, die auch in Führungsetagen unseres Landes gelegentlich anzutreffen ist." Als Beispiele nannte der Festvortragende u.a. die Verbannung der Kreuze als zentrales christliches Symbol aus den theologischen Hörsälen der Wiener Universität, wo sie seit 1383 hingen, oder den Ausschluss "katholischer Kirchenzeitungen vom digitalen Pressekiosk in den Railjets der Österreichischen Bundesbahnen".
Orthodoxengesetz als Ausdruck des kulturellen Reichtums Österreichs
Das Orthodoxengesetz selbst stehe hingegen für den "Salon Austria", womit Orieschnig die kulturelle und religiöse Vielfalt, Weltoffenheit Österreichs, die Versammlung unterschiedlichster kultureller Strömungen, Traditionen und Leistungen zu einem fruchtbringenden Miteinander meinte. Dies verdeutliche auch die Geschichte des Gesetzes, das in die politischen Spannungen des Kalten Krieges, in eine noch junge Zweite Republik, jedoch in eine jahrhundertelange Tradition und Geschichte Österreichs gegenüber den Orthodoxen fällt.
Geschichte des Orthodoxengesetzes
Zu einer der treibenden Kräfte des Gesetzes wurde der erste Metropolit der 1963 neugegründeten Metropolis von Austria, Chrysostomos Tsiter. Der in Anatolien geborene Tsiter war bis 1936 in Athen tätig, wechselte im selben Jahr als Pfarrer der orthodoxen Kirchengemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit nach Wien, zeigte in der Nazizeit viel Courage und überlebte die Bedrohungen durch die SS und wurde 1955 zum Bischof ernannt. 1963 führten der damalige Ökumenische Patriarch Athenagoras (1948-72) und Chrysostomos Tsiter erstmals Gespräche mit dem Ministerium über eine staatskirchenrechtliche Verankerung der Metropolis. Auf Seiten des Staates war es der damalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, ein Kirchenrechtler, der die Arbeiten an einem entsprechenden Gesetz vorantrieb. Sein Nachfolger als Unterrichtsminister, Theodor Piffl-Perčević, führte den Gesetzesentwurf zu einem erfolgreichen Abschluss. "Am 23. Juni 1967 wurde das ‚Orthodoxengesetz‘ vom österreichischen Nationalrat beschlossen. Damit waren die Orthodoxen in der Zweiten Republik angekommen", skizzierte Orieschnig im Rahmen des Festaktes.
Am Beginn des Festaktes stand eine feierliche Vesper in der griechisch-orthodoxen Kirche zum Heiligen Georg in der Wiener Griechengasse. Die eigentliche Festversammlung fand im Anschluss daran in der griechisch-orthodoxen Kathedrale zur Heiligen Dreifaltigkeit am Wiener Fleischmarkt statt. Nach den Grußworten durch Gastgeber Metropolit Arsenios gaben der Leiter des Kultusamtes, Oliver Henhapel, und der zuständige Beamte für die Orthodoxie im Kultusamt, Anton Stifter, eine erste Einführung in den Kontext des "Orthodoxengesetzes", der dann vom Religionsrechtsexperten Dominik Orieschnig vertiefend ausgeleuchtet wurde. Nach dem Vortrag sprach Kurienkardinal Koch seine Grußworte und überreichte gemeinsam mit Bischof Zsifkovics die Baustein-Spende des Papstes für das Orthodoxe Kloster an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und die Metropolis von Austria.