Bei den Schwächsten der Gesellschaft
Berührende Besuche im "Angel‘s Village", einem Projekt zur Förderung intellektuell beeinträchtigter Kinder, und im Armenspital Mundakayam Medical Trust / Zsifkovics: "Werde alles daran setzen, hier weiter zu helfen!" / Weihbischof Pulickal: "Wir schätzen Sie und wir lieben Sie!" / Auch Bischof Sebastian Thekethecheril aus der lateinischen Diözese Vijayapuram dankt Bischof Zsifkovics für Unterstützung kirchlicher Projekte
Eisenstadt / Kerala - Die zweite Hälfte seiner Indienreise widmete Bischof Zsifkovics in erster Linie bereits begonnenen, aber noch immer in Entwicklung befindlichen groß angelegten Partnerschaftsprojekten auf dem Gebiet der syro-malabarischen Partnerdiözese Kanjirapally. Dabei stehen die Schwächsten einer Gesellschaft im Mittelpunkt: die Ungeborenen, die Schwachen und Behinderten, die Kranken und Betagten. In einem Land, in dem bettelarme Familien ihre behinderten, schwer erkrankten oder alten Angehörigen aus Verzweiflung teils in der Wildnis aussetzen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr sehen, kommt dem Engagement der Diözese Eisenstadt in Kerala besondere humanitäre Bedeutung zu.
"Angel's Village": Sorge um den Menschen "from womb to tomb", vom Mutterleib bis ins Grab
Die Asha Nylaiam-Schule in Kottayam ist eines der größten Anliegen des Eisenstädter Bischofs. Vor drei Jahren hatte er den Grundstein der Einrichtung gelegt, dieses Mal ist er gekommen, um das neu gebaute Haus zu segnen. "Angel‘s Village", so der Name des dort verfolgten Projekts, bietet derzeit 210 Kindern und Jugendlichen mit verschiedensten Formen intellektueller Behinderung ein Zuhause. Wohlgemerkt: intellektuelle, nicht "geistige" Behinderung, wie es etwa in Österreich noch immer sehr oft sachlich unzutreffend und im übrigen politisch unkorrekt heißt. Denn es ist bekannt, dass die Einschränkungen in diesem Personenkreis, wie beispielsweise bei Menschen mit Down-Syndrom, sich insbesondere durch Einschränkungen in bestimmten Bereichen (wie dem abstrakt-logischen Denken, den analytischen Fähigkeiten, dem numerischen Umgang im höheren Zahlenbereich, dem Generalisierungsvermögen und beispielsweise der Strategieentwicklung), d.h. in intellektuell-kognitiven Bereichen auszeichnen. In vielen anderen "geistigen" Bereichen bestehen Fähigkeiten dieser Menschen, die, wenn adäquat gefördert, zu sozialen und beruflichen Kompetenzen heranwachsen können, die die Grundlage für ein aktives und gleichberechtigtes Leben in Gesellschaft darstellen. "Angel‘s Village" mit seinem individuellen und differenzierten Zugang will diese Menschen fördern, beginnend bei der Frühdiagnostik im Mutterleib und entsprechender Aufklärung der Eltern, bis hin zur Integration in den Arbeitsprozess.
Zsifkovics: "Schätze die lebensbejahende, ganzheitliche und die menschliche Würde verteidigende Herangehensweise dieses Projekts!"
Der Leiter der Einrichtung, Father Roy Mathew Vadakkel, begrüßte mit einer aus Bewohnern des Heims bestehenden Blaskapelle die Pilgergruppe mit Bischof Zsifkovics, bevor es zur sehr persönlichen Begegnung des Bischofs mit den Kindern und Jugendlichen kam. Zsifkovics segnete die bislang nur sehr sporadisch eingerichteten Räumlichkeiten des Hauses und führte Gespräche mit den Lehr- und Betreuungspersonen, darunter der pädagogischen Leiterin von "Angels‘s Village". Der Eisenstädter Bischof war von den Begegnungen sehr berührt und ließ sich vom Leiter der Einrichtung in die nächsten Schritte bei der Umsetzung des breit angelegten Betreuungskonzepts einweihen. Er versprach weitere Hilfe.
Weihbischof Pulickal schloss sich dem Dank Father Roy Mathews an und bezeichnete Zsifkovics als "Mann mit einer Vision, Mann mit einer Mission", um schließlich unter Beifall der versammelten Geistlichkeit zu sagen: "Ja, Sie sind ein Missionar im eigentlichen Sinne. Wir schätzen und wir lieben Sie!"
Die enorme Wertschätzung, die Bischof Zsifkovics in Kerala entgegengebracht wird, wurde nochmals beim Abendessen im Haus von Bischof Arackal deutlich, als der Hausherr dem Eisenstädter Bischof einen kunstvoll geschnitzten Bischofsstab und ein Brustkreuz aus Holz überreichte.
Wie ein Baum mit guten Früchten: Burgenländische Pfarren und Diözese helfen indischem Spital für bedürftige Patienten
Der nächste Morgen stand im Zeichen besonderer Gratulation: Mar Mathew Arackal, Eparch von Kanjirapally, beging die Feier des 18. Jahrestags seiner Bischofsernennung. Bischof Zsifkovics überreichte dem strahlenden Jubilar das von Heinz Ebner gestaltete Martinskreuz der Diözese Eisenstadt in Anwesenheit des Künstlers.
Nach weiteren Besuchen bei Flutopfern und der Segnung und Übergabe von Schlüsseln für neu aufgebaute Familienhäuser suchte die burgenländische Pilgergruppe nachmittags das Mundakayam Medical Trust Hospitals (MMT) in Vadavathoor auf. Das Haus ist vielen Burgenländern nicht unbekannt, hatte doch zuletzt etwa die Pfarre Stegersbach OP-Lampen gestiftet, freiwillige Helfer Waschmaschinen gespendet und die Diözese Eisenstadt in den schwierigen Jahren der Übernahme des Hauses die Zinslast für einen notwendig gewordenen Kredit übernommen. Bis 1999 hatte das Spital den Mutter-Teresa-Schwestern gehört, bevor es an die Diözese Kanjirapally überging. Father Mathew Kallarackal, Vizekanzler der Diözese und in diesen Tagen der ständige treue Begleiter und Schutzengel der burgenländischen Pilgergruppe, war damals der administrative Leiter der Klinik und führte sie erfolgreich durch die schwierigsten Zeiten wirtschaftlicher und medizinischer Konsolidierung. Heute werden im schulmedizinisch geführten MMT pro Jahr an die 5000 größtenteils sozial bedürftige Patienten, wie etwa Plantagenarbeiter, in den Bereichen Allgemeinmedizin, Chirurgie, Kardiologie, Neurologie, Pädiatrie, Orthopädie, Dermatologie, Anästhesie, HNO oder Gynäkologie gratis behandelt. Die im Haus befindliche Schwesternschule bietet ihren Absolventinnen eine international anerkannte Ausbildung an. Staatliche Unterstützung erhält das Krankenhaus keine, es bedarf also stets der Unterstützung durch Spenden, um den Standard des Hauses halten und weiter ausbauen zu können.
"Ich bin eine dunkelhäutige Burgenländerin!"
Schwester Ildephons, der Bischof Zsifkovics ebenfalls im MMT begegnet, bezeichnet das Spital seit seiner Übernahme durch die Diözese Kanjirapally als einen "großen gesunden Baum mit guten Früchten". Dr. Ildephons war lange in Eisenstadt im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder tätig und arbeitet heute als Chirurgin in der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des MMT. "Ich bin mit meiner Ausbildung und meiner Lebensgeschichte ein Produkt der Liebe vieler hilfsbereiter Menschen im Burgenland, ja ich bin eine dunkelhäutige Burgenländerin!" sagt die Ordensfrau mit den großen, strahlenden Augen.
Im nach dem Pfarrer von Ars benannten Vianney-Trakt, in dem pflegebedürftige Priester der Diözese Kanjirapally betreut werden, trifft die Pilgergruppe einen weiteren alten Bekannten: Father Abraham, der viele Jahre als Seelsorger in Stegersbach verbracht hat. Vor allem das Wiedersehen mit Marianne Sorger, einer jahrzehntelangen Unterstützerin der Partnerdiözese, rührt ihn. Father Abraham, völlig erblindet, lässt sich von den Besuchern Neuigkeiten aus dem Burgenland erzählen, denen er aufmerksam lauscht. Frau Sorger überreicht ihm Geschenke von Daheimgebliebenen. Dann singt er: "Vor uns liegt ein besseres Leben, Tränen sind Vergangenheit". Zum Abschied sagt Father Abraham kaum hörbar und mit Tränen in den Augen: "Ich habe mich sehr gefreut."
Unterricht in Sachen Fischfang für Priesterseminaristen: Freude statt Angst
Der folgende Tag brachte einen Besuch bei Bischof Sebastian Thekethecheril in Kottayam in der lateinischen Diözese Vijayapuram. Auch hier unterstützt die Diözese Eisenstadt verschiedene Projekte. Beim Gottesdienst in der bischöflichen Hauskapelle hielt Bischof Zsifkovics eine Homilie für die anwesenden Seminaristen in Gegenwart von Bischof Sebastian. "Wie kann man Menschen fangen?", fragte Zsifkovics die angehenden Kleriker. "Politik und Werbung zeigen es uns. Sie rühren Bedürfnisse an, versprechen vieles: Geld und Ansehen ohne Mühe. Wer das glaubt, ist gefangen", so Zsifkovics‘ Antwort auf die täglichen Manipulationsversuche aus den Bildschirmen der Welt, um anschließend auf die Alternative hinzuweisen: "Das Evangelium zeigt uns eine andere, eine dreifache Methode des Menschenfangens: Erstens beschenkt Jesus die Menschen unerwartet. Zweitens nimmt er den Aposteln die Angst, indem er sagt ‚Fürchtet Euch nicht!‘ Er bringt also eine Botschaft der Freude, nicht der Angst. Drittens gibt er einen Auftrag, der lautet: ‚Volle Nachfolge im Gegenzug für unendliche Freundschaft mit ihm.‘ Doch dazu lässt er uns die volle Freiheit." Diese Methode des Fischfangs sei der zeitlose Auftrag der Kirche und der Christen, so Zsifkovics. Nach der Messe überreichte er auch dem Hausherrn das Martinskreuz und Jahrbuch der Diözese Eisenstadt. Bischof Sebastian zeigte sich überaus erfreut und dankte Bischof Zsifkovics und der Diözese Eisenstadt für die wichtige Unterstützung von kirchlichen Projekten.
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