"Europa braucht vieles, aber am meisten Dich!"
Leidenschaftliches Plädoyer von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics für ein verantwortungsvolles Mitbauen am gemeinsamen "Haus Europa", für die Teilnahme an der Europawahl und das Wieder-Entdecken des Friedensprojekts Europa mit seiner "christlichen DNA" – Explizite Kritik an der Streichung des Karfreitags als Feiertag für evangelische Christen: "Ein beängstigendes Signal"
Eisenstadt – "Europa braucht vieles, aber am meisten Dich!": Mit diesem leidenschaftlichen Appell betitelte Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics den Osterbrief 2019, der angesichts der baldigen Wahlen des Europäischen Parlaments dazu ermutigt, "unsere Europafahne als Schatzkarte wieder neu lesen zu lernen" und an der EU-Wahl teilzunehmen. Mit dieser Wahl bestimmen die BürgerInnen der Europäischen Union "die Zukunft unseres Kontinents für die kommenden Jahre wesentlich mit." Bischof Zsifkovics appelliert daher im Osterbrief an ein europäisches Bürgerschaftsbewusstein: "Überlassen wir unsere Zukunft nicht anderen oder dem blinden Zufall, sondern bauen wir mit am Haus Europa!" Der Osterbrief wird an alle Pfarren des Burgenlandes versandt und zu Ostern in den Kirchen verlesen.
Riesenbild als Mutmacher für Europa
Nicht nur der Text, auch die künstlerische Bildgestaltung macht den Osterbrief zu etwas Besonderem. Künstler Heinz Ebner gestaltete in fruchtbringender Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Sekretär Dominik Orieschnig, der als Ideenschmied auftrat und die Konzeptualisierung beisteuerte, ein Kunstwerk mit einer eindringlichen Symbol- und Bildsprache. Dieses ist nicht nur Teil des Osterbriefs, der in Leporello-Form eine sehr spezifische Gestalt erhielt, sondern wird als Riesenbild (26 Meter breit, 3,3 Meter hoch) auch eine der Fassaden des Bischofshofs zieren. Der Eisenstädter Bischofshof wird somit zum Portal für ein Europa-Plädoyer.
Burgenland hat Europa viel zu verdanken
Kann und darf ein Bischof diese europäische Wahl "zum Thema eines Osterbriefes machen?", fragt Diözesanbischof Zsifkovics zu Beginn seiner Ausführungen. "Er kann nicht nur, er muss! Denn Europa ist mehr als ein politisches Konstrukt. Europa hat eine Seele", die in unser aller Alltag – ob bewusst oder unbewusst – hineinwirke und die es wieder bewusst zu machen gelte. "Gerade wir Burgenländer, die wir so lange im Schatten des Eisernen Vorhangs (…) leben mussten, haben so vieles an Respekt, Hilfe und Förderung vom Vereinten Europa erhalten. Wir profitierten und profitieren wahrlich von Europas Gerechtigkeit, seinem Brot, seiner Freiheit und seinem Frieden", betont Bischof Zsifkovics, der es als eine "Frage des Anstands und der Ehre" sieht, an der Wahl des Europäischen Parlaments teilzunehmen.
Europa der Freien und Gleichen ruht auf Golgotha
In seinem Osterbrief ruft der Bischof die grundlegenden Prinzipien des europäischen Projekts in Erinnerung: Die "wichtigste Währung dieses EU-Raumes ist nicht der Euro, sondern die mit unantastbarer göttlicher Würde ausgestattete Person". In der griechischen Philosophie wurde das Individuum, im römischen Denken der Staat geboren. Neben diesen beiden Hügeln sei Europa aus Golgatha, also der christlichen Auferstehungshoffnung, erwachsen: Denn damit trat "der vollends neue Mensch ins Leben", weil trennende, abwertende, ausgrenzende Grenzen umgestoßen wurden: "Alle Menschen haben nun Zugang zum Allerheiligsten. Der Mensch ist ab diesem Wendepunkt der Geschichte keine verfügbare Sache, wie es nach Römischem Recht die Sklaven waren, ebenso wenig ist er ab jetzt noch Mitglied einer bestimmten Kaste, Klasse oder Rasse."
Hl. Martin: Urbild des großen Europäers
Der heilige Martin, der seinen Mantel teilte und die eine Hälfte einem frierenden Bettler gab, wurde zum "Urbild des großen Europäers": „Das christliche ‚Virus‘ der Nächstenliebe, die unerhörte Idee, mit dem Schwert Eigentum zu teilen, anstatt es zu erbeuten, war eingesickert bis ins innerste militärische Mark des zerfallenden römischen Imperiums", so Bischof Zsifkovics im Osterbrief. Martin sei zum "multikulturellen Brückenbauer zwischen den Völkern", zum "Manager, Mystiker und ersten Klostergründer des Abendlandes" geworden. Gemeinsam mit anderen großen Heiligen von Benedikt von Nursia bis zu der von den Nazis ermordeten Edith Stein schrieb er "die christliche DNA Europas" fort.
Kritik an Karfreitagsregelung und Verdrängung des Kreuzes
Ausdrücklich warnt der Bischof davor, diese "christliche DNA Europas" zu verschleiern oder zu verdrängen: "Ohne Golgotha kann die Demokratie zur Diktatur der Mehrheit, kann der Rechtsstaat zum Henker verkommen." Das christliche Kreuz sei das unverwechselbare Zeichen Golgothas, also des christlichen Glaubens an die Auferstehung: "Wer dieses Kreuz ausradieren will, ist nicht gegen ein Symbol bloß der Christen. Er rührt damit an die letzte Firewall menschlicher Unantastbarkeit." In diesem Zusammenhang übt Bischof Zsifkovics auch Kritik an der Streichung des Karfreitags als Feiertag für evangelische Christen: Dies sei "ein beängstigendes Signal. Es wirft viele beunruhigende Fragen auf. Eine davon lautet: Was oder wer kommt als Nächstes dran?"
Spiritualität, Solidarität, Barmherzigkeit
Dreierlei brauche Europa: Europa brauche erstens Spiritualität, "verstanden nicht als unaufgeklärte Weltfremdheit, sondern als ein grundlegendes Offensein für die verborgenen Wege Gottes." Zweitens appelliert Bischof Zsifkovics für ein Europa der Solidarität "als Gegenmodell zu Egoismus und schrankenloser Gier". Dies schließe wesenhaft die Wertschätzung von Vielfalt ein, die Europa so reich mache. Denn Europa gleicht "nicht einem Eintopf, sondern einem Mosaik, in dem die einzelnen Personen, Kulturen, Religionen, Sprachen und Nationen eine unverzichtbare Bedeutung für das Ganze haben." Und schließlich brauche Europa eine "Technik der Barmherzigkeit", um mit sozialem Gewissen menschliche Nöte zu bekämpfen. Technik- und Wissenschaftskultur müssten, so der Bischof eindringlich, an der Würde des Menschen verpflichtet sein, und damit jenen unantastbaren Werten, "für die Golgotha steht".
"Europa braucht jeden Einzelnen von uns!"
Und so endet der Osterbrief 2019, der Ostern als "das Fest gegen die Schwerkraft", d.h. als Sieg Jesu Christi über die Mächte der Finsternis und des Todes, feiert, mit einem emphatischen Aufruf: "Seien wir nicht nur finanzielle Nehmer, sondern seien wir ideelle Geber Europas, das jeden Einzelnen von uns in diesem Moment der Geschichte so dringend braucht!"
Der Osterbrief von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics steht hier zum Download bereit.