"Den Zölibat als Lebensentscheidung reifer Persönlichkeiten nicht kleinreden"
Eisenstädter Diözesansprecher in ORF-Sendung als Studiogast – Amazonassynode führt zu neuem Nachdenken über eine alte Lebensform – Orieschnig: Zölibatäre Lebensform setzt "olympischen Spirit" voraus, ist aber letztlich ebenso "hochriskant" wie die Ehe
Eisenstadt / Weppersdorf – Den besonderen Wert des Zölibats hat der Eisenstädter Diözesansprecher und Kirchenjurist Dominik Orieschnig betont. In der ORF-Sendung "Guten Morgen Österreich" am heutigen Dienstag, 5.11., erläuterte Orieschnig in drei Live-Einstiegen aus dem mittelburgenländischen Weppersdorf, warum verheiratete Priester in der römisch-katholischen Kirche nach der Amazonien-Synode durchaus denkbar, aber wohl nur die Ausnahme bleiben, und warum der Zölibat eine wesentliche Grundlage priesterlicher Existenz sei.
Amazonien nicht mit Österreich vergleichen
Die jüngste Amazonien-Synode in Rom habe sich aufgrund der spezifischen Situation in der Amazonasregion dafür ausgesprochen, auch bewährte verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Dies sei dem enormen Priestermangel in dieser Region geschuldet. Eine Situation, die freilich mit Österreich nicht vergleichbar sei, so Orieschnig. Der Papst werde die Empfehlungen der Synode nun genau prüfen und "auf kluge Art und Weise umsetzen", zeigte sich der Kirchenjurist überzeugt. Die verheirateten Priester würden dann aus einem Pool der Ständigen Diakone kommen.
In Österreich gebe es zwar auch immer weniger Priester, aber sicher keinen mit Amazonien vergleichbaren Priestermangel. Vielmehr müsse man eher von einem Gläubigenmangel sprechen. "Nicht selten finden wir Priester in halbleeren oder leeren Kirchen". Zentral sei, "dass wir die Menschen begleiten in ihrem Leben und eine funktionierende Seelsorge bieten". Hier sehe er die Kirche in Österreich durchaus sehr gut aufgestellt, so Orieschnig.
ZU VIDEO 1 DER DEBATTE
Hochriskante Lebensmodelle und "olympischer Spirit"
"Zölibat" – nicht wörtlich, aber doch vom Sinngehalt her richtig übersetzt – stehe für "Verfügbarkeit". Es gehe darum, seien Leben ganz in den Dienst anderer zu stellen. Der Zölibat sei eine uralte Lebensform. "Es ist die Lebensform Jesu und auch von vielen spirituellen Führern in anderen Religionen." Jedenfalls eine Lebensform, die man freiwillig wählt "und die alles andere als nur altmodisches Brauchtum ist". Der Zölibat wie auch die christliche Ehe seien "hochriskante Lebensmodelle", so Orieschnig: "Reife erwachsene Menschen treffen eine Lebensentscheidung mit allen Konsequenzen und ich glaube, es ist beides gleich schwer, ein Leben lang durchzuhalten, wenn man es ernst meint", so der Diözesansprecher. Solche Entscheidungen hätten auch "mit olympischem Spirit zu tun", so der Eisenstädter Diözesansprecher, würden doch viele junge Menschen gerade deshalb bestimmte Lebensmodelle wählen, eben weil sie anspruchsvoll sind.
ZU VIDEO 2 DER DEBATTE
Viele Verheiratete wären gute Priester
Freilich, wie intensiv die Gottesbeziehung ist, hänge nicht vom Zölibat ab, so Orieschnig. Auch unter den Verheirateten orte er Persönlichkeiten, die gute Priester wären. Und vor allem auch in Pfarrgemeinden wichtige Funktionen übernehmen könnten. Orieschnig wies in diesem Zusammenhang nochmals auf die Ständigen Diakone hin, eine Ausformung des Weiheamtes in der römisch-katholischen Kirche, das es seit rund 50 Jahren – wieder – gibt. In der Regel verheiratete Männer würden hier in der Seelsorge ganz wesentliche Dienste erbringen. Dieses Amt könnte man nun noch aufwerten. Eine Aufgabe, die sich übrigens auch den Bischöfen Amazoniens stelle, die die seelsorgerischen Möglichkeiten des Ständigen Diakonats für die eigene Region in der Vergangenheit noch nicht voll ausgeschöpft hätten, so Orieschnig.
Darüber hinaus gebe es in Österreich ja auch schon längst verheiratetet katholische Priester. Sie gehören der griechisch-katholischen Kirche an. Diese Kirche ist mit Rom verbunden, hat aber ihren eigenen – byzantinischen – Ritus und auch ihr eigenes Kirchenrecht. Zölibatäre wie auch verheiratete Priester würden sehr gute Arbeit leisten. Wichtig sei, dass es klare Regeln gibt, die römisch-katholischen Priester auf der einen und die griechisch-katholischen auf der anderen Seite.
ZU VIDEO 3 DER DEBATTE
Priestermangel als Symptom einer Gesellschaft und weniger des Kirchenrechts
Kurz gestreift wurde bei der morgendlichen TV-Debatte auch das Thema des sexuellen Missbrauchs. Orieschnig hielt fest, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Zölibat und Pädophilie gibt. "Pädophile sind dort, wo Kinder sind. Und sie suchen sich entsprechende Berufe, als Lehrer, Pfadfinderleiter oder eben auch als katholische Priester." Zur Bemerkung von TV-Moderatorin Eva Pölzl, dass sich so gut wie alle Seher im Zuge einer während der Sendung laufenden Online-Umfrage für die Abschaffung des Pflichtzölibats aussprechen, meinte Orieschnig u.a. skeptisch: "Wenn wir den Zölibat abschaffen, hätten wir dann vollere Kirchen in Österreich?" In früheren Jahren hätten sich die meisten Priester aus kinderreichen gläubigen Familien rekrutiert. Das sei heute längst nicht mehr der Fall. Orieschnig: "Dass wir heute weniger Priester haben als früher, sagt uns vielleicht vor allem etwas über die aktuelle Befindlichkeit der Gesellschaft und weniger über das katholische Kirchenrecht."