Benedikt XVI. schenkt dem Burgenland ein Gebet
Auf Bitte von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics verfasste der 92-jährige Papst emeritus Benedikt XVI. einen Gebetstext zum 60. Geburtstag der Diözese Eisenstadt – Das Burgenland sieht Benedikt XVI. in seinem sprachlich glasklaren und theologisch brillanten Gebet als "Raum der Versöhnung" mit dem Auftrag, auf den Spuren des heiligen Martin die Vielfalt der Sprachen, Kulturen und Gesellschaftsgruppen "zu einer inneren Einheit zusammenzuführen"
Eisenstadt – Er kenne das Burgenland gut und habe "viel von ihm empfangen", schrieb Papst emeritus Benedikt XVI. in seinem Antwortbrief an Bischof Ägidius Zsifkovics, in dem er der Bitte des Eisenstädter Diözesanbischofs, ein Gebet für das Burgenland anlässlich der Jubiläumsfeiern 60 Jahre Diözese Eisenstadt und auch 100 Jahre Burgenland zu verfassen, auf sehr herzliche Art und Weise entsprach. Das Ergebnis ist ein Text, der theologische Brillanz und unnachahmlichen Tiefgang der religiösen Sprache mit den historischen und gegenwärtigen Besonderheiten des Burgenlandes zu vereinen weiß. Benedikt selbst nannte in großer Bescheidenheit sein Gebet "einen kleinen Versuch", wobei er sogar selbstkritisch meinte, er könne angesichts seines "voranschreitenden Alters" und der Entfernung zum Burgenland nicht sicher sagen, ob es "die richtigen Gebetsworte für dieses spezielle Stück Kirche" seien. Das vollständige Gebet von Benedikt XVI. für das Burgenland steht hier als Originaldokument im Download zur Verfügung.
Theologische Virtuosität und die Schönheit einer Herzenstat
"Benedikt XVI. hat trotz seines hohen Alters dem Burgenland ein großartiges Geschenk gemacht. Dieses Gebet ist ein theologischer Schatz, der weit über das Prädikat der Richtigkeit hinausgeht. Es ist ein Zeugnis tiefster Weisheit und einer bewundernswerten Virtuosität und Exzellenz, das die Dinge so unnachahmlich klar und rasiermesserscharf zum Ausdruck bringt. Zugleich ist es ein Zeugnis einer tiefen Verbundenheit im Glauben und eine wunderschöne Herzenstat, über die zu meditieren mir schlicht das Herz aufgeht. Unser Bundespräsident sprach in jüngster Vergangenheit nicht zufällig von der Schönheit und Eleganz unserer Verfassung. Umso mehr staune ich über die Schönheit und Eleganz dieses Gebets für das Burgenland. Dafür danke ich Benedikt von ganzem Herzen", so Bischof Zsifkovics in einer ersten Reaktion.
Im Geheimnis des Weizenkorns leben
Der Gebetstext von Benedikt XVI. für das Burgenland spannt einen weiten Bogen und trifft trotz des gewaltigen Horizonts, der damit aufgespannt wird, stets den Kern der Sache. Der emeritierte Papst erinnert zunächst daran, dass die Menschwerdung Gottes "für uns nicht ein fernes Ereignis" sei, sondern sie "berührt uns alle, ruft uns alle." Der Mensch gewordene Gott, der "das Menschsein nicht abgelegt (hat) wie eine Kleidung, die Du kurze Zeit getragen hättest", habe sich „selbst mit dem Weizenkorn verglichen, das in die Erde fällt und stirbt und gerade so (…) Frucht bringt immerfort." Im Geheimnis des Weizenkorns zu leben sei uns Menschen wesentlich aufgegeben, wie Benedikt XVI. in dem Gebet betont.
Burgenland als "Raum der Versöhnung"
Die Kirche als Gemeinschaft der Getauften sei einerseits durch die unwiederbringliche Nähe des Mensch gewordenen Gottes gekennzeichnet, andererseits aber auch "von unserer Schwachheit, die nur langsam überwunden wird." Beides sei Teil der einen Kirche, das "Schöne und Große", aber auch "das Dunkel", "das in ihr immer wieder auch bedrängend wirksam ist." Langsam sei die Kirche des Burgenlandes "aus einzelnen Stücken zu einer neuen Einheit zusammengewachsen." Und dieses Zusammenwachsen dessen, was einst "zerteilt" und "aufgerissen" war, sei charakteristisch für das Burgenland. Dessen Auftrag sieht Benedikt XVI. somit darin, "die unterschiedlichen Sprachen und die vielfältige Geschichte zu einer inneren Einheit zusammenzuführen." Ausdrücklich nennt er die Diözese Eisenstadt einen "Raum der Versöhnung", in der die versöhnende Kraft der Liebe Gottes sichtbar werden solle.
Martin als "unser Heiliger"
Die große Lichtgestalt für einen solchen "Raum der Versöhnung" sei jener Heilige, der in dieser Region – damals die römische Provinz Pannonien – geboren wurde: der heilige Martin, Bischof von Tours. Martin sei im frierenden Bettler Jesus begegnet und in der Teilung des Mantels habe er Gott, der die Liebe ist, "von innen her kennengelernt." Das Gebet würdigt außerdem Hilarius von Poitier als jenem großen Kirchenlehrer, der Martin taufte und der den katholischen Glauben gegen den Arianismus verteidigte. Die Arianer leugneten vor allem die Wesensgleichheit von Gott-Vater und Sohn und sahen dieses Verhältnis als eine Form der Subordination (Unterordnung). "Auch heute ist unser Glaube durch Verkleinerungen bedroht, die ihn den Maßstäben der Welt unterwerfen und ihm damit seine Größe nehmen", spannte Benedikt XVI. den Bogen in die Jetztzeit. Am Ende des Gebets ist nochmals die Rede vom "Dienst der Versöhnung", der "in besonderer Weise" der Diözese Eisenstadt aufgetragen sei.