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Seit Aschermittwoch, 2. März 2022, wird das neue digitale Fastentuch des Künstlers Heinz Ebner im Martinsdom gezeigt.
Eisenstadt – Auf Initiative von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics wurde am Aschermittwoch im Martinsdom in Eisenstadt ein neues, digitales Fastentuch installiert. Geschaffen hat es, wie bereits im Vorjahr, Künstler Heinz Ebner. Dem Brauch entsprechend wird es bis zum Karfreitag das Altarkreuz "verhüllen". Auf dem digitalen Fastentuch zeigt Ebner eine digitale Bildanimation, in der er die biblischen Erzählungen mit dem aktuellen Lebensnarrativ der Menschen verbindet.
Situationen, die unser Leben durchkreuzen
"Das digitale Fastentuch aktualisiert den Kreuzweg Jesu in unsere Zeit mit all dem Leid von uns Menschen. Es erinnert uns daran, den Auswirkungen der Pandemie, der Gewalt und der Kriege, den Sorgen und Nöten, der Leere mit Berührung und Begegnung, mit Solidarität und Gemeinschaft entgegenzutreten", so Bischof Zsifkovics. In seinem Werk zitiert Ebner die Kreuzwegbilder von Joseph von Führich (1800-1876) und übersetzt diese Bilder in "konkrete Lebenssituationen von Leid, Tod, Begegnungslosigkeit, Entfremdung, Missbrauch, Ungewissheit, Arbeitslosigkeit, Umwelt- und Klimawandel, Gewalt und Krieg – Situationen, die unser Leben durchkreuzen, es ängstigen, festnageln, die ihm Zukunft und Hoffnung nehmen", so der Künstler. Worte und deren sich ändernde Bedeutung durch Konzentration oder Wegnahme von Buchstaben spielen im Fastentuch 2022 eine wesentliche Rolle, wenn sich im Bild das Wort "ANGEFANGEN" aus dem Barcode herauslöst und zu "GEFANGEN" verkümmert ebenso wie in der Metamorphose von "PLASTIK" zu "LAST".
Biblischer Regenbogen und Hoffnung
Auffallend ist der Farb-Code, der dem Fastentuch einen optischen Rahmen gibt: Beginnend von Sequenzen in Rot, Orange, Gelb bis hin zu Blau und Violett verweist die Spektralfarbenreihe auf den biblischen Regenbogen, dem sichtbar gewordenen Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen und seiner Zusage, dass er in Tod und Auferstehung Jesu Christi vollendet wird. "Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie mit all den immer noch spürbaren Auswirkungen und keinem Ende in Sicht müssen wir erkennen, dass die vielen anderen Problemzonen unserer Zeit keineswegs verschwunden sind. Wie ein Tsunami bricht gerade der Krieg über Europa herein, werden Kinder weiter misshandelt und Frauen ermordet. Auch Armut, Arbeitslosigkeit und Klimakatastrophen lassen die Welt apokalyptisch erscheinen – wäre da nicht unser Hoffen auf die Gegenwart und Hilfe des Auferstandenen", betont Ebner.
Kontemplation in der Kirche einmal anders
Die digitale Bildanimation dauert insgesamt 65 Minuten und besteht aus rund 100 Sequenzen, die in "Slow-Slow-Motion" – so nennt der Künstler seine Präsentationstechnik – gezeigt werden. "Ich setze auf eine sehr kontemplative Form der Abbildung, dabei werden einzelne Szenen scheinbar übereinander geblendet und lösen sich langsam immer wieder in vertikale Balken auf. Diese Vertikalbetonung entsteht durch den Einsatz von Barcodes – ein aus senkrechten, unterschiedlich dicken Linien bestehender Code, den wir von Konsumartikeln an der Supermarktkasse kennen. In der Animation werden diese Codes übersetzt und erscheinen als sich verändernde Begriffe – Kontrapunkte zu klassischen Bildzitaten historisch bekannter Kreuzwegbilder und Szenen-Collagen unseres Alltags", erklärt Ebner.
Fastentücher – Ein in den Alpenländern einzigartiger Brauch
Fastentücher gibt es seit dem 11. Jahrhundert. Bei den alten Fastentüchern handelt es sich meist um Tuchmalereien mit biblischen Darstellungen der Schöpfungs- und Erlösungsgeschichte Gottes. Zudem bekam das Fastentuch auch die Funktion des "Fastens mit den Augen". Einfache Tücher verhüllten bis Karfreitag die Altarkreuze. Zu Ostern wurden sie wieder neu sichtbar.
Der Künstler
Heinz Ebner absolvierte sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste (Wien) bei Prof. Lehmden, Köb, Mikl und ist seit 1984 Kunsterzieher am Klemens Maria Hofbauer Gymnasium Katzelsdorf. In Ausstellungen im In- und Ausland präsentierte er Arbeiten in Öl und Acryl auf Holz und Leinwand. Seit 2002 schaffte er auch Glasarbeiten in Fusingglas (Schmelzglas-Technik). Zahlreiche Werke befinden sich im öffentlichen Raum und in Kirchenräumen.
Bereits 1994 gestaltete Heinz Ebner "Synästhetische Interpretationen" zu Klavier-Musik von Alexander Scrjabin, Karlheinz Stockhausen, Olivier Messiaen, Franz Liszt ("Via Crucis") u.a. Zahlreiche Aufführungen dieser Werke im In- und Ausland (z. B. auf der SanArt in Ankara und Istanbul/Türkei, Bratislava u.a.m.). Dabei entwickelte Ebner die Form der kontemplativen Bildanimation, eine Art "Slow-Slow-Motion". Später folgten Arbeiten in dieser Technik wie z.B. "Martinus Morphosis" (2012), Fastentuch "Wandlung" (2014), "Thomas Morus" (2017), "Oberwarter Weihnachtskrippe" (2017) usw.
Nora Demattio BA
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