"Nie wieder!"
Unter diesem Motto erinnerte die Schulgemeinschaft des Gymnasiums Wolfgarten am 10. November 2022 mit zahlreichen Gästen an das, was 1938 in den Tagen der Novemberpogrome geschah. – Ehrengäste aus der Politik, der Diözese Eisenstadt, Vertreter:innen der Bildungslandschaft sowie ein Verwandter der Familie Wolf und ein Enkel einer aus Eisenstadt vertriebenen Familie waren anwesend.
Eisenstadt – Einem Moment der Geschichte, der sich "Nie wieder!" wiederholen darf, gedachte das Gymnasium Wolfgarten zum Jahrestag der Novemberpogrome mit einem Festakt. An der Gedenkveranstaltung "Gras ist darüber gewachsen? Erinnere Dich!" nahm mit Martin Wolf auch ein Nachkomme der ursprünglichen Eigentümer des Wolfgartens teil. Gestaltet wurde die Feier durch die Schüler:innen der 8. Klasse unter der Leitung von Direktorin Andrea Berger-Gruber mit dem Lehrer und Diözesanbeauftragten der Katholischen Kirche für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lukas Pallitsch. Den musikalischen Rahmen gab ein Streichquartett des Josef Haydn-Konservatoriums unter Ana Spahn.
Redebeiträge, Schweigeminute und Kranzlegung
"Gedenken heißt Erinnern, damit sich dieser dunkle Teil unserer Geschichte niemals wiederholt", so ein Redebeitrag bei der Gedenkveranstaltung im Wolfgarten. Neben Redebeiträgen zur Geschichte der Schule und des Nazi-Faschismus in Eisenstadt, musikalischer Begleitung des Haydnkonservatoriums und einer Schweigeminute legten die Schüler:innen einen Kranz beim nur 100 Meter entfernten Mausoleum der Familie Wolf nieder. Erst Anfang des Jahres hatte dieser Ort durch Pallitsch und dessen Buchpublikation "Jüdische Wurzeln und pädagogischer Auftrag – der sogenannte Wolfgarten" neue Aufmerksamkeit erfahren. Für das gleichnamige Projekt bekam die Maturaklasse des Gymnasiums der Diözese Eisenstadt Wolfgarten den Simon-Goldberger-Preis für Erinnerungs- und Gedenkkultur im September 2022 verliehen.
Schule ist ein Gedenkort
Die präsentierten Texte wurden "auf dem Boden des Buches von Lukas Pallitsch von den Maturant:innen mit ihrem Religionslehrer vorbereitet", so Berger-Gruber zu der umfassenden Arbeit und Vorbereitung der Schüler:innen. "Es war unser Anliegen, dass die aus Eisenstadt Vertriebenen wieder einen Namen bekommen und die Kinder und Jugendlichen lernen, wie wichtig es ist sich zu erinnern; die Erinnerung an etwas, das nie hätte sein dürfen und niemals wieder sein darf. Die Schule ist ein Gedenkort dafür", betont die Direktorin. "Alle Schüler:innen, selbst die jüngsten waren dabei. Sie waren berührt und verfolgten andächtig den Festakt."
Fehler der Menschheit erinnern, damit sie sich nicht wiederholen
Unter den Repräsentanten der Diözese auf der Gedenkveranstaltung befand sich Johannes Stipsits, Wirtschaftlicher Generaldirektor und Diözesanökonom. Er betont nicht nur die Bedeutung des Erinnerns, sondern spricht auch der Familie Wolf Dank aus: "Die Veranstaltung im Gymnasium der Diözese Eisenstadt hat sehr schön aufgezeigt, wie wichtig es gerade in der heutigen Zeit ist, immer wieder auf die Fehler der Menschheit, die in der Vergangenheit passiert sind, zu erinnern, damit sie sich nicht wiederholen. Mir als wirtschaftlich Verantwortlichen der Diözese war es wichtig auch den Vertretern der Familie Wolf zu danken."
Wolfgarten: Schulareal und Wolf-Mausoleum
Beim heutigen Schulareal handelte es sich einst um den Obst- und Gemüsegarten der jüdischen Weinhändler-Familie Wolf. Viele Angehörige mussten in der NS-Zeit fliehen. Die späten 1930er-Jahre und der Holocaust hatten Verheerendes angerichtet: Das Burgenland wurde "judenfrei". Aus dem Ausland verkaufte die Familie das Areal an die junge, sich gerade im Aufbau befindliche Diözese Eisenstadt. Daraus entstand neben der ehemaligen Pädak und Volksschule auch das Gymnasium Wolfgarten.
Noch heute steht auf dem Gelände ein Mausoleum der Familie Wolf. Der Hintergrund: Leopold Wolf, der Firmenvorstand des Weinhandels, heiratete eine Katholikin, worauf für die jüdische Gemeinde eine Welt zusammenbrach. Der Rabbiner, so heißt es, soll über diese Heirat derart erbost gewesen sein, dass er schwor, nie mehr die Schwelle der Synagogentür zu überschreiten, durch die das Ehepaar gegangen sei. Um diesen Konflikt zu kitten, wurde für den Rabbiner eine zweite Tür in der Synagoge installiert, um diesen nicht zu zwingen, sein Wort zu brechen. Die Eltern verpflichteten sich dazu, die Kinder jüdisch zu erziehen. Nach ihrem Tod durfte die angeheiratete Ottilie Wolf nicht auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt werden, weshalb ein Mausoleum im Obst- und Gemüsegarten der Familie zu ihrer letzten Ruhestätte wurde. Das Grabmal befindet sich etwa hundert Meter über dem Schulgebäude und ist selbst vielen Eisenstädtern weitgehend unbekannt.
Nora Demattio BA
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