Gemeinsam Kirche sein: Wie Inklusion mehr als Nächstenliebe ist
Als Jesus den blinden Bartimäus am Wegesrand begegnet, hält er nicht inne, um Mitleid zu zeigen – er begegnet ihm auf Augenhöhe und fragt: "Was willst du, dass ich dir tue?" (Mk 10,51). In diesem einfachen Satz liegt eine Botschaft, die das Wesen der Inklusion beschreibt: Jesus sieht Bartimäus nicht nur als einen Bedürftigen, sondern als einen Menschen mit Würde, der selbst weiß, was er braucht, und dessen Stimme zählt.
Genau diese Perspektive fehlt uns oft – auch in der Kirche. Menschen mit Behinderung werden vielerorts als "die Schwachen" oder "die Armen" wahrgenommen, denen geholfen werden muss. Sie gelten als "die Geringsten", deren Anwesenheit oft als Chance gesehen wird, Nächstenliebe zu beweisen. Dabei sind sie nicht Objekte der Fürsorge, sondern Subjekte des Glaubens: Teil der Gemeinschaft, Menschen mit Stärken, Schwächen, Bedürfnissen und Fähigkeiten wie alle anderen.
Doch es gibt Hoffnung. Es gibt viele Möglichkeiten Räume zu schaffen, in denen Barrieren überwunden werden – sei es durch Sprache, Architektur oder Haltung. So gibt es mittlerweile Gottesdienste in Gebärdensprache, die gehörlosen Menschen die Möglichkeit bieten, nicht nur mitzufeiern, sondern wirklich mitzuwirken. Auch das Gotteslob ist längst nicht mehr nur für Sehende zugänglich: Ausgaben in Brailleschrift oder Supergroßdruck ermöglichen Menschen mit Sehbehinderung, Gebete und Lieder eigenständig mitzusprechen. Ebenso hat die Kirche erkannt, wie wichtig verständliche Sprache ist: Gebete und das Evangelium in leichter Sprache öffnen den Zugang zu den zentralen Botschaften des Glaubens für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
Diese Fortschritte zeigen: Die Kirche kann inklusiv sein, wenn sie will. Doch Inklusion darf nicht bei solchen Angeboten stehenbleiben. Sie ist mehr als das Bereitstellen von Hilfsmitteln – sie ist eine Haltung, eine Einladung an alle, miteinander Kirche zu sein. Das Team des Bereichs Seelsorge & Begleitung in der Diözese Eisenstadt wollen den "Tag der Menschen mit Behinderung" zum Anlass nehmen und auf die vielen verschiedenen Möglichkeiten aufmerksam zu machen, denn in einer wirklich inklusiven Kirche gibt es keine "anderen", keine "Schwachen", sondern nur Brüder und Schwestern, die gemeinsam Glauben leben.