Martinsfest 2023 - Martinsjahr 2024
100 Jahre Landespatron heiliger Martin
Liebe Burgenländerinnen, Liebe Burgenländer
und alle, die in unserem Burgenland leben und arbeiten!
Das „Kanzelwort“ des Bischofs zum Martinsfest hat Tradition. In diesem Jahr möchte ich allen Burgenländerinnen und Burgenländern schreiben und um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Der Anlass: Heiliger Martin – 100 Jahre Landespatron des Burgenlandes. Zum Diözesanpatron hat er es erst vierzig Jahre später geschafft.
Wer ist der heilige Martin?
Martin wurde um das Jahr 316 in Savaria, in Szombathely/Steinamanger in der römischen Provinz Pannonia geboren, er ist am 8. November 397 nahe Tours in Frankreich gestorben, seit über 1500 Jahren ist sein Grab ein Magnet der Pilger. Er war der Begründer des abendländischen Mönchtums, der erste Nichtmärtyrer, der heiliggesprochen wurde. 371 wurde er vom Volk gegen seinen Willen zum Bischof von Tours ausgerufen. Im pannonischen Raum wird er besonders verehrt, Diözesen, Klöster, Kirchen, Pfarren und Orte tragen seinen Namen, auch im Burgenland. Reich ist das Brauchtum um Martini: Verträge wurden geschlossen, Markttage abgehalten, Martins- und Laternenumzüge, Festessen mit Gans, neuem Wein und Martinskipferl, Martiniloben, Martinsfeuer, Martinisegen, Martinslieder weisen auf ihn.
Wir sind dem heiligen Martin nicht fremd!
Was hat der heilige Martin mit dem Burgenland zu tun?
Dass der heilige Martin Landespatron wurde, hat eher politische als religiöse Gründe. Man wollte sich von der alten ungarischen Heimat, die den heiligen König Stephan verehrte, abgrenzen. Westungarn, das heutige Burgenland war wirtschaftlich, strukturell und kulturell heruntergefahren, verarmt und vergessen. Viele Tausende sahen ihre Zukunft in der Auswanderung. Als eigenes Bundesland kaum überlebensfähig, brauchte es eine neue Identität. So bat die burgenländische Landesregierung in einem Schreiben an die Apostolische Administration des Burgenlandes, den heiligen Martin zum Landespatron des Burgenlandes zu erheben. Es sollte viele Jahre dauern. Weltkrieg, Nationalsozialismus, die Tilgung des Burgenlandes von der Landkarte, kirchenfeindliches Agieren ließen den Landespatron nicht aufkommen. Das ist ein Stück unserer Geschichte, sie darf nicht verdrängt werden.
Was heute als Wohlstand glänzt, ist nicht nur gut, oft bröckelt es hinter den Fassaden. Es gibt Armut, Streit und Zerrissenheit, Neid, Gier, Verschuldung und Schuldzuweisungen, Geschwätz und Intoleranz. Manches hat sich in den letzten Jahren verstärkt, Apelle zur Toleranz verhallen oft ungehört. In einer Ellbogengesellschaft hat auch Gott keinen Platz, er stört. Gott bleibt ein Fremder im eigenen Haus. Die Kirche als Volk Gottes und Gemeinschaft der Glaubenden ist für viele zu einer unbeweglichen Institution erstarrt und zudem verdächtig, Wasser zu predigen und Wein zu trinken.
Krieg ist wieder die neue Wirklichkeit. Die Wirtschaft stümpert, Zukunftsängste, Umweltzerstörung, Verschwörungen, Flucht und Überfremdung, Wissenschaftsskepsis machen das Leben nicht lebenswerter. Es scheint: Wir leben in einer verkehrten Welt, sie ist aus den Angeln geraten, die Zukunft schwächelt.
Deshalb braucht es heute den heiligen Martin!
Wozu ermutigt uns der heilige Martin?
Der Bischof und der Superintendent liefern kein Rezept. Auch der Landeshauptmann, die politischen Verantwortungsträger im Land, die Sozialpartner, die Wirtschaftsbosse, die Pädagogen und Pfarrer tun es nicht. Wir alle tragen Verantwortung.
Wir können Versöhnung stiften, Streit überwinden und den Einsatz für Frieden wagen.
Wir können das Leben in all seinen Bereichen mitgestalten, ein Einsatz, der uns fordert.
Wir müssen das Gemeinsame in Kirchen, Politik und Gesellschaft vor das Trennende stellen. Die Volksgruppen in unserem Land und das Miteinander in der Ökumene der Kirchen sind eine große Bereicherung.
Wir sollten miteinander reden, der digitale Rückzug in die Echokammern der sozialen Medien treibt uns in die Sprachlosigkeit einer virtuellen Welt. Der Bildschirm ist kein Ersatz für Begegnung.
Es braucht Ehrfurcht für die Menschen. Kinder und Alte, Behinderte, Kranke, Pflegebedürftige, Arbeitende und Arbeitsunfähige, Ungeborene und Verstorbene haben in unserem Leben Platz.
Wir müssen Solidarität, Mitgefühl und Mitleid groß schreiben. Leben ohne Empathie und Sympathie verkümmert.
Gastfreundschaft ist eine Sprache des Herzens. Nur wer mit anderen Leben teilt, gewinnt. Die neu Zugezogenen in unserem Land sind eine Bereicherung, es darf keine Fremden geben.
Wir müssen Hoffnung schmieden, sie darf uns nicht ausgehen. Das Leben ist mehr als Unterhaltung und Kabarett.
Die Kirche ist bunt. Ständige Erneuerung gehört zur Kirche, nur dann kann sie im Leben Fuß fassen. Die Synode in Rom zeigt uns: Die Kirche ist auf einer guten Spur. Ihr Auftrag ist: „Für die Menschen da sein!“
Ich bitte Sie alle: Setzen wir Martinstaten!
Der Schlüssel zu allen Martinstaten und der Versuch, den heiligen Martin zu verstehen, gründet in der Frage: Wie halte ich es mit Gott, der mit uns immer noch Heilsgeschichte schreibt? Von dieser Freundschaft mit Gott war das Leben und Tun unseres Landes- und Diözesanpatrons bestimmt.
Vor 100 Jahren wurde die Evangelische Superintendenz Burgenland gegründet. Ich wünsche unserer Schwesterkirche Gottes Segen und unseren Kirchen auch in Zukunft ein gutes christliches Miteinander und Füreinander.
2024, im Jubiläumsjahr unseres Landespatrons wird uns eine gemeinsame Pilgerreise zum heiligen Martin nach Tours führen. Möge diese ein Pilgerweg der Hoffnung sein.
Der heilige Martin sei uns allen und unserem Burgenland ein Fürsprecher und Wegbegleiter heute und in Zukunft!
Dr. Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt
Weitere Informationen zum Landes- und Diözesanpatron heiliger Martin unter: www.martinus.at
Foto: Diözese Eisenstadt