Jedes Jahr im Monat Mai feiern wir einen Tag, der unseren Müttern gewidmet ist: den Muttertag. Nicht ohne Grund wird in diesem Monat sowie auch im Oktober die Heilige Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, die auch unsere Mutter ist, besonders verehrt. In unserem religiösen Bewusstsein erkennen wir den Wert von Mutter und Mutterschaft nicht nur als biologischen Wert für den Fortbestand der menschlichen Art, sondern auch als geistlichen Wert einer solchen Beziehung an, die über unsere Zeit und unsere Lebenssituationen hinausgeht.
Welche Beziehung wir auch zu unseren Müttern haben, sie ist unzerstörbar, ewig, und fordert unsere Aufmerksamkeit. Neun Monate lang waren wir kleine „Mieter“ im Körper unserer Mütter. Wir brauchten ihre Fürsorge, Pflege und Liebe, nicht nur als wir kleine Kinder waren, sondern wir brauchen sie auch jetzt noch, egal wie alt wir sind, aber unserem Alter entsprechend. Egal ob wir jung oder auch schon älter sind, können wir ihr zum Muttertag etwas Schönes mitbringen, sie anrufen, mit ihr reden, ein Essen mit ihr teilen. Als wir klein waren, kamen wir oft von der Schule nach Hause und brachten ihr eine Zeichnung mit. Wenn wir draußen spielten, brachten wir ihr Blumen mit. Vielleicht haben wir mit ihr einen Kuchen gebacken, ihr in der Wohnung und im Haushalt geholfen, um es ihr leichter zu machen.
Sie war für uns da, als wir krank waren, vielleicht hat sie uns bei unseren Hausaufgaben geholfen. Sie brachte uns das Sprechen und später das Beten bei. Es gab glückliche, aber auch schwierige Momente, aber eines ist sicher: Niemand in unserem Leben wird ihren Platz einnehmen. Eine der großen Freuden des christlichen Glaubens ist die Möglichkeit eines ständigen Neuanfangs.
Ich kann immer meine Beziehung zum Herrn von Neuem beginnen und dem entsprechend auch die Beziehung zu allen anderen. Das wusste auch die Mutter Jesu, Maria, denn die Möglichkeit eines Neuanfangs ist nicht nur notwendig, um aus dem Zustand der Sünde herauszukommen, sondern auch für eine Lebenshaltung, die uns Gottes Neuheit ins Leben bringt.
Ohne ihr „Ja, Dein Wille geschehe“ gäbe es keinen Jesus, keinen Erlöser. Aber Maria, die ohne Sünde empfangen wurde, wollte keine andere Antwort geben als ein absolutes „Ja“ zu ihrem Herrn. Und sie blieb präsent im Leben ihres Sohnes in allen Schlüsselsituationen, in denen, die mit seinen öffentlichen Aufgaben zu tun hatten, bis zu den letzten, die mit seinem Leiden verbunden waren. Es gibt ein Ereignis, bei dem Maria nicht anwesend war, und das ist der Gang zum Grab Jesu. Wir kommen zu der verblüffenden Erkenntnis, dass sie wusste, dass ihr Sohn auferstehen würde und voller Glauben auf diesen Moment wartete. Hier können wir eine erstaunliche Tatsache über die Mutterschaft erkennen: Eine Mutter weiß, was mit ihrem Kind passiert, unabhängig von Alter, Kilometerentfernung oder Kontakthäufigkeit. In ihrem Herzen weiß sie es. Im Lukasevangelium steht geschrieben - Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen (vgl. Lk 2,19). Der erwähnte Satz betrifft die Perikope über die Geburt Jesu, aber der Evangelist Lukas möchte uns dennoch sagen, dass ihr Herz immer auf den Herrn gerichtet war, sie denkt darüber nach und versinkt darin.
Im Moment des Todes Jesu ist es die Mutter, der ein Schwert durch die Seele dringt (Lk 2,35), sie ist diejenige, die Jesus uns als unsere zweite, himmlische Mutter schenkt, als jene, welche – weil sie das Herz Jesu, das Herz Gottes, kennt - auch das menschliche Herz erkannte und auf dieses menschliche Herz mit Sanftmut und mütterlicher Fürsprache schaut. Ihren Schmerz kennt jede Mutter, die ein Kind verloren hat oder das Leben ihres Kindes bedroht war, sie teilen ihn gemeinsam.
Maria ist unsere Mutter, die Mutter der Freude und die Mutter des Schmerzes, genau wie unsere leiblichen Mütter. Sie haben mit uns guten Zeiten, schweren Zeiten und alles dazwischen durchlebt. Wenn wir warum auch immer unsere Mutter verloren haben oder sie uns verlassen hat, Gott hat uns sicher nicht verlassen, Gott möchte uns noch näherkommen (Jes 49, 13-18). Deshalb haben wir Maria, die uns zu ihm führt, so wie sie es selbst zuließ Mutter zu sein, sich führen zu lassen, um am Ende Gottes Willen für ihren Sohn und sich selbst anzunehmen.
Eines dieser berührenden Zeugnisse, dieser mütterlichen Seite der Heiligen Jungfrau Maria, findet sich im heiligen Papst Johannes Paul II., der seit seiner Kindheit Hingabe ihr gegenüber hegte. Als er selbst im Alter von neun Jahren seine Mutter verlor, verwies ihn sein gläubiger Vater an Maria, die seine treue Fürsprecherin und Beschützerin wurde, was zu sehen war, als er im Jahr 1981 bei einem Attentat verwundet wurde. Er glaubte, dass er durch die Fürsprache der Gottesmutter von Fatima die Verwundung überlebte und sich erholte. Sein päpstliches Wappen verdeutlichte diese Frömmigkeit mit einem Kreuz, darunter der Buchstabe M ihr zu Ehren und sein Motto lautete Totus tuus, „ganz dein“.
Die letzten Zeilen führen uns zu einer weniger bekannten Kategorie der Mutterschaft, nämlich der spirituellen Mutterschaft. Jede Frau, unabhängig davon, ob sie leibliche Mutter ist oder nicht, ist in erster Linie eine spirituelle Mutter für die Menschen um sie herum. Spirituelle Mutterschaft geht über das Alter und Geschlecht einer Person, ihren Status oder ihre Fähigkeiten hinaus, sie gehört allen. Und hier sind wir der Mutter Jesu, Maria, am ähnlichsten, sie ist die Quelle dieser spirituellen Mutterschaft. Wir müssen geistliche Mütter sein für unsere eigenen Kinder, für unsere älteren Nachbarn, wenn sie Hilfe brauchen, für unsere eigenen Brüder und Schwestern, für die Gläubigen in unserer Pfarre, für unsere Freunde, für die Priester und für die Menschen des geweihten Lebens. Wie? In erster Linie durch Gebete für sie und durch Taten der Liebe, der Fürsorge, wenn nötig, des Trostes, des Zuhörens, der Ermutigung und des mütterlichen Rats, wenn jemand ihn braucht. Bei all dem haben wir eine Fürsprecherin im Himmel, die Heilige Jungfrau Maria, die stolz auf uns ist und sich über unsere kleinen Glaubensschritte freut, so wie sie sich einst über die Schritte Jesu freute, als er noch ein Kind war. Gehen wir zu ihr, gleich wer wir auch sind.
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