Auf die Welt sind wir durch eine „kleine Tür“ gekommen, begrüßten unser Leben weinend und umarmt von unseren Eltern. Sie freuten sich über unsere Geburt, waren besorgt oder auch ängstlich. Wir lernten langsam, zu sitzen, zu gehen, zu reden und uns selbst zu ernähren. Es kann sein, dass wir nicht die Fürsorge erhalten haben, die wir benötigt hätten und vielleicht haben wir in diesem verletzlichen Kindesalter sogar unvorstellbare Härte und Schmerzen durchgemacht.
Wo war Gott in all dem? Direkt neben uns, jede Sekunde, jeden Atemzug mit uns erlebend. Unsere Tränen waren seine Tränen und unser Lachen hallte in seinem Herzen wider wie bei keinem Anderen. Den in diesem Herzen ist Platz für alle. Ja, auch für den, der uns beleidigt hat. Und dieses Herz schlägt für dieses von der Sünde verletzte Wesen. Und nicht nur das, dieses Herz wünscht, dass wir eines Tages in Seinem Königreich all denen begegnen, die uns wichtig waren und auch die, welche uns beleidigt haben. Dieses Königreich beginnt jetzt und eine seiner Säulen heißt „Vergebung“.
Vergebung ist zweifellos eines der schwierigsten Unterfangen, die wir erleben werden oder erlebt haben. Es ist ein vielschichtiges, elastisches spirituelles und emotionales Unterfangen, das sich in der Realität auf vielen Ebenen manifestiert. Es ist nicht leicht, daran zu glauben, es ist nicht leicht, sie zu leben, zu geben oder zu empfangen. Tatsächlich hat die Kirche uns ein „Werkzeugset“ hinterlassen, mit dem wir uns in diesem Prozess selbst helfen können.
Gewissenserforschung
– es geht nicht nur darum, die eigenen Sünden im Kopf aufzulisten, um die Abrechnung mit ihnen zu beschleunigen. Es geht darum, uns mit dem auseinanderzusetzen, was wir falsch gemacht haben, aber auch mit dem, was wir gut gemacht haben. Demut ist eine realistische Einstellung gegenüber den eigenen Tugenden und Fehlern. Die Gewissenserforschung vor der Beichte ist der ultimative Akt der Abrechnung mit den Sünden, die uns im Innersten zerstört haben. Aber es gibt keinen Fortschritt in der Vergebung, wenn wir uns selbst und andere ständig beschuldigen. Dabei handelt es sich nicht um eine Gewissenserforschung, sondern um einen Weg zur Verzweiflung, aus der die Vergeltung oder Selbstbestrafung entsteht.
Beichte
– das Sakrament der Buße, kann uns Hilfe sein, damit durch Gottes Gegenwart die Sünde der Verdammnis ausgelöscht wird. Der Akt des Bekennens der Sünde der Unversöhnlichkeit macht uns bewusst zum „fruchtbaren Boden“, damit Gott in uns Raum für die Bildung des Gewissens schaffen kann, das zur Vergebung führt. Er vergibt uns und denen, die uns in die Irre geführt haben, aber wir müssen auch uns selbst vergeben und akzeptieren, dass die Liebe Gottes auf „die Guten und die Bösen“ scheint, wie es im Matthäus-Evangelium heißt (vgl. Mt 5,44 -45). Vergessen wir nicht, dass die Barmherzigkeit keine Grenzen kennt, aber auch dass Gott gerecht ist, was bedeutet, dass nur ihm das Urteil über unser Handeln und das der anderen zusteht.
Wiedergutmachung
– das ist vielleicht der heikelste Teil der Vergebung, den Wiedergutmachung stellt in unserem Verständnis am ehesten eine Handlung dar, die wir tun müssen, um etwas zu korrigieren, das im Bösen gemacht wurde. Im Fall, dass wir es tun müssen, müssen wir darüber nachdenken, was es ist, was wir getan haben und wie wir handeln müssen, um es zu korrigieren. Wiedergutmachung setzt manchmal die Kontaktaufnahme mit jemandem voraus, dem wir etwas Schlimmes angetan haben, wenn die Person es zuläßt, können wir mit einer aufrichtigen „Entschuldigung“ beginnen. Wenn jemand unseren Kontakt nicht möchte, ist es wichtig, dies zu respektieren. Wenn wir von jemand anderem eine Entschuldigung, eine Entschädigung oder Vergütung für fremde Sünden erwarten, wäre es besser, sie sofort zu vergessen. Ja, Sie haben richtig gehört. Erwarten Sie (davon) nichts, denn das Warten wird Sie erschöpfen und zu Wut und zu Rache führen. Wir müssen unseren Nächsten hinweisen, dass er uns mit seiner Sünde Unrecht getan hat, und wir müssen auf andere, (gesetzlich) erlaubte Weise Gerechtigkeit für uns selbst suchen. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen, wenn wir absolut sicher sind, dass das Problem gewaltfrei gelöst werden kann, was manchmal unmöglich zuzusichern ist.
Wird uns die sogenannte Passivität zur Niederlage und Scheitern führen? Auf keinen Fall! Jesus ließ es zu, dass sie ihn vorführten, litt auf Golgatha, wurde immer wieder geschlagen und schließlich gekreuzigt. Das Gleiche kann uns im physischen, psychischen und geistlichen Sinn passieren. Aber dies ist der Beginn der Auferstehung, deren volle Schönheit und Wachstum wir nicht vorhersagen können. Warum sollten wir uns in alten Missbilligungen verschließen, wenn auf der anderen Seite Segen auf uns wartet, der den gegenwärtigen Schmerz wie eine ferne Erinnerung erscheinen lässt?
Das Jahr 2025 ist das Jahr der Vergebung von Schuld. Nur wenn wir anderen „Schulden vergeben“ oder es zumindest versuchen, kann Gott sie auch uns vergeben. Die Freude am Jubiläum besteht in einer „reparierten“ Beziehung, Lernen, Vergebung und damit Frieden. Wir können Frieden nie sofort erreichen, aber er ist ohnehin unsere ständige Aufgabe. In der Zwischenzeit müssen wir darum beten, dass wir in Gottes Reich zurückkehren mit Tränen (der Freude) und umarmt, so wie wir geboren wurden.
© Dikasterium für die Evangelisierung (Vatikan)