Die menschliche Fantasie, die Seele war seit jeher mit ihrer eigenen Sterblichkeit beschäftigt. Vergänglichkeit und Sterblichkeit sind ein häufiges Thema der Kunst, der Spiritualität und des Gebetslebens. Die gesamte Eucharistiefeier ist eine Feier des Geheimnisses von Jesu Leiden, Tod und Auferstehung. Jeden Tag sind wir uns unserer Grenzen bewusst, es kommt die Krankheit, Schwierigkeiten im Leben, die nicht sofort oder irgendwann im Laufe des irdischen Lebens eine Antwort bekommen.
Ein Teil dieses Geheimnisses wird durch die thematische Richtung in der Malerei abgedeckt, die als Stillleben bezeichnet wird. Natürlich geht es bei Stillleben-Bildern nicht darum, bestimmte Gegenstände wie eine Vase, Orangen, eine Tasse, Blumen oder persönliche Gegenstände nur als Erinnerung an vergangene Zeiten zu betrachten. Ebenso muss auch ein ästhetisches Erleben nicht der Hauptgrund für die Schaffung/den Genuss dieser Art von Kunst sein. Was wir in einem Stillleben-Bild haben, ist die übertragene Bedeutung, die wir aus ihnen erspüren, die Atmosphäre, die wir herauslesen, ein Versuch des Verweilens in der Zeit von etwas, das uns wertvolle Erinnerung an einige wichtige Momente ist. Aber die, dem visuellen Eindruck in der Malerei zugängliche Art von Motiv, ist die sogenannte Vanitas-Kunst (vom Lateinischen vanitas – Eitelkeit, Nichtigkeit).
Die Vanitas-Kunst fesselt die Aufmerksamkeit des Betrachters mit etwas Ursprünglichem und hält ihn an der Stelle fest. Es treibt ihn an, sich in den Inhalt zu vertiefen, es lässt keinen Raum für etwas anderes. Szenen mit Schädeln, Knochen, Sterbebetten und Sanduhren, die hervorstechen, werden mit Szenen von großer Schönheit wie üppigen Blumen, kunstvollen Ornamenten, prächtigen Möbeln und Gewändern der Protagonisten in Gemälden (falls vorhanden), Lebensmitteln, Schmuck, Gold und anderen Symbolen des Überflusses vermischt.
Dieser Kontrast von Tod und Überfluss möchte die gleiche Botschaft vermitteln wie das Aschenkreuz zu Beginn der Fastenzeit: Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst; Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen ... um es kurz mit Worten aus dem Evangelium zu sagen.
Aber Vanitas-Kunstwerke, auch wenn sie uns warnen wollen, etwa weltliche Güter zu horten, tun dies nicht bis zum Ende, in dem Maß, dass sie den Betrachter von „weltlichen Freuden“ ablenken und in die Tiefen der Angst stürzen. Was im Kontext der Fülle gezeigt wird, wird so üppig, ansprechend und reichlich gezeigt, dass wir den Eindruck nicht loswerden, dass uns das Bild mit seinem Inhalt gewissermaßen „herausfordert“.
Die geschaffene Welt zu betrachten, bedeutet nicht, sie wegen der eigenen oder ihrer Vergänglichkeit zu verachten. In der Vergangenheit hatte die Kirche mit Häresien wie dem Gnostizismus zu kämpfen, der die Verachtung bzw. Missachtung der materiellen Welt, des menschlichen Körpers und der Lebensfunktionen zum Ausdruck brachte.
Aber eine gesunde Spiritualität wird etwas nicht ablehnen oder verachten, nur weil es vergänglich ist, sondern wird dasselbe als wichtig schätzen und Gott für die Gaben der Natur, des Körpers, des Lebens danken. Die Vanitas-Kunst fordert uns heraus, unsere Haltung gegenüber der geschaffenen Welt zu überprüfen und unser Schweigen in Bezug auf Tod und Vergänglichkeit zu erproben. Es ist schwierig, sich mit der eigenen Sterblichkeit und jener der anderen auseinanderzusetzen. Im Augenblick ihres Erkennens stoßen wir auf eine Million Fragen, von denen die schwierigste die ist, von der wir uns erst einmal überzeugen müssen: dass Gott am anderen Ende des Lebens auf uns wartet. Die Szenen der Vanitas-Gemälde selbst lassen dies vermuten, etwa das Gemälde „Finis Gloriae Mundi“ („So vergeht der Ruhm der Welt“) des spanischen Malers Juan de Valdés Leal, in dem auf der einen Seite Szenen mit Frömmigkeitssymbolen wie dem Heiligsten Herzen Jesu und auf der anderen Seite Haus- oder Wildtiere als Symbol des irdischen Lebens betont werden. Der dritte Teil des Bildes ist eine Darstellung der irdischen Überreste eines Mannes, der anhand seiner Insignien als Bischof bezeichnet werden kann. Das Bild will nicht nur die Vergänglichkeit von allem, so auch der hohen Prälatur, zeigen, sondern dass Gott letztendlich alles mit seinem Urteil (Herzen) besiegt, obwohl wir aus unserer weltlichen Perspektive nur bis zu einer Grenze sehen.
Ein anderes Gemälde des gleichen Autors, „In ictu oculi“ (In einem Wimpernschlag), wiederholt das Gleiche auf noch deutlichere Weise, und in der Nahaufnahme sehen wir ein Skelett, das die Unvermeidlichkeit des Todes darstellt, wie es die Kerze löscht, während unter seiner Hand die päpstliche Tiara, andere bischöfliche Insignien, verschiedene Karten, Pläne, Bücher und Schriften herumgeworfen liegen. Die Szene suggeriert dem Betrachter, dass der Tod menschliche Errungenschaften „wegfegt“ und von ihnen nur ein Chaos zurückbleibt, wenn sie nicht zur Ehre Gottes geschaffen wurden.
Aber schon der Titel „In einem Wimpernschlag“ lässt Hoffnung aufkommen, denn er ist Teil eines Zitats aus dem Brief an die Korinther (1 Kor 15, 52): /und dasselbe plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Aus diesem Text lässt sich der Glaube an die Auferstehung und das ewige Leben deutlich ablesen.
Der Zweck der Vanitas-Kunst besteht nicht darin, uns Angst zu machen mit dem Ziel, das Leben zu vertun im vergeblichen Versuch, Leid und Tod zu entrinnen. Ihre Funktion ist wie die eines Spiegels: Beim Betrachten eines solchen Bildes kann man seine Einstellung zur Vergänglichkeit, zum Tod und zu Gott prüfen, dessen Liebe, die sich der Angst des Menschen vor dem Unbekannten bewusst ist, den Pilger weder in dieser noch in der anderen Welt allein lässt.
Foto: Pixbay
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