Natur und Umwelt 01/2023
Nasse Wohltäter.
40 Jahre Ramsar-Konvention Österreich und 30 Jahre Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel veranlassen uns, Nass- und Feuchtlebensräume zum Jahresmotto für unsere Zeitschrift zu wählen. Jede einzelne der vier diesjährigen Ausgaben wird speziellen Themen aus diesen Bereichen gewidmet.
In dieser Frühjahrsnummer widmen wir uns allgemein und überblicksmäßig diesem Motto, die Sommerausgabe wird u. a. den Bereich Auen und Aulandschaften behandeln, in der Herbstnummer sollen die Moore und Moorlandschaften Thema sein und in der Winterausgabe werden die ausgewiesenen Ramsargebiete im Burgenland vorgestellt.
„Unter dem Begriff Feuchtgebiete werden unterschiedliche Lebensräume zusammengefasst: Moore, Feuchtwiesen, Sumpfgebiete, Auen, Flüsse und Bäche, Seen, Mangroven- und sämtliche Küstengebiete. Allen Feuchtgebieten gemeinsam ist ihr Reichtum an Wasser. Sie werden auch als Nieren der Erde bezeichnet, denn als natürliche Filter nehmen sie Pestizide und andere Chemikalien auf und entfernen Nährstoffe, wie Nitrate und Phosphor, aus dem Wasser.“ Soweit ein Zitat aus dem neu erschienenen Mooratlas.
Neben dieser wesentlichen Funktion als Filter sind Feuchtgebiete wichtige Wasserspeicher und sorgen dadurch für die Erneuerung und Erhaltung des Grundwassers, das oft von den Menschen als Trinkwasser genutzt wird oder für die Bewässerung in der Landwirtschaft. Weiters wirken Feuchtgebiete als wichtige Retentionsräume, um bei Starkregenereignissen vor Überschwemmungen zu schützen. Ihr Wasserreichtum ist auch ausschlaggebend für die Artenvielfalt in diesen Lebensräumen. 40 Prozent der weltweit vorkommenden Arten leben und brüten in Feuchtgebieten. Und absolut nicht zu verachten ist die enorme Speicherfähigkeit der Feuchtgebiete in Bezug auf Kohlenstoff. Moore und Graslandschaften – abhängig von Bodentyp und Wasserversorgung – lagern mehr Kohlenstoff ein als Wälder. Feuchtwiesen haben überhaupt den größten Einfluss auf Klima und Biodiversität. Sie sind also rich tige nasse Wohltäter.
Leider wurde an all diesen Feuchtgebieten in den letzten Jahrzehnten durch den Menschen regelrecht Schindluder getrieben. Nach dem 2. Weltkrieg und vor allem seit den 1970er-Jahren wurden, wohl zur Steigerung der Produktion in der Landwirtschaft, 35 Prozent der Feuchtgebiete zerstört, in manchen Regionen sogar noch mehr. Damit verbunden ist ein Rückgang der Pflanzen- und Tierarten in den Binnenfeuchtgebieten im Ausmaß von 81 Prozent (!). Trockenlegungen, Entwässerungen, Vernichtung der Auwälder und Begradigung der Bäche und Flüsse führten zwar zu mehr nutzbarer Fläche – Mitte des vorigen Jahrhunderts sprach man deshalb in Österreich sogar von der Schaffung des 10. Bundeslands –, bewirkte aber letztlich die sukzessive Absenkung des Grundwassers und immer wieder großflächige und zerstörerische Überschwemmungen, auch deshalb, weil die natürlichen Retentionsräume in großem Ausmaß verlorengegangen sind. Der Ersatz durch Rückhaltebecken, um Siedlungsräume und landwirtschaftliche Flächen zu schützen, erfordert enorme Geldmittel der öffentlichen Hand. Ein bis jetzt nicht beachtetes und zu wenig eingeschätztes Phänomen ist, dass in verschiedenen Böden, wie Anmoore und Feuchtschwarzerden gebundener Kohlenstoff abgebaut und als CO2 freigesetzt wird. Die Vernichtung von Feuchtgebieten und deren Umwandlung zu Ackerflächen hat also auch zur Klimakrise beigetragen. Daher ist es ein Gebot der Stunde, um den Grundwasserspiegel zu heben, die Kühlung des regionalen Klimas zu erreichen und den Biodiversitätsschutz zu forcieren, indem ackerbaulich genutzte Flächen in größerem Ausmaß renaturiert werden, zu Feuchtwiesen rückgeführt und vernässt, Bäche und Flüsse rückgebaut werden, wieder mäandrieren dürfen und natürliche Retentionsräume geschaffen werden.
Feuchtwiesen können nicht nur dabei helfen, die Folgen der Klimakrise einzudämmen, sie leisten auch einen sinnvollen Beitrag zum Hochwasserschutz. Dabei könnten wir uns die Hilfe eines sehr effizienten Helfershelfers zunutze machen und wir bräuchten nur zuschauen, abwarten und einige Flächen zur Verfügung stellen: Der Biber könnte dabei durch seine schlaue und erfolgreiche Arbeit Großartiges leisten, Feuchtwiesen würden in größerem Ausmaß wieder an ihren richtigen und angestammten Plätzen entstehen. Die Flächen wären ja letztlich nicht verloren. Diese neu geschaffenen, vernässten Flächen könnten extensiv als Wiesen und Weiden bewirtschaftet werden, sie würden die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren fördern und brächten all die positiven Effekte der Feuchtlebensräume mit sich, die ich bereits angeführt habe, meint Ihr
Hermann Frühstück
Landesleiter Naturschutzorgane Burgenland