"Wir alle tragen das Licht des göttlichen Lebens in uns ..."
„ ... egal ob wir sehen oder blind sind. Dieses Licht verpflichtet uns zum Zeugnis!“
Mit sehr einfühlsamen, hinterfragenden und ermutigenden Worten begleitete Pastoralamtsdirektor Dr. Richard Geier die Jubiläumsfeier des Österreichischen Blindenapostolats, das am 18. Mai 2019 sein 50jähriges Bestehen feierte.
Die diözesanen BlindenapostolatsleiterInnen aus ganz Österreich, Vorsitzende Mag. Henriette Etzenberger, Begleiter und Freunde begannen das Fest mit der Heiligen Messe, Hauptzelebrant Weihbischof Dr. Franz Scharl, in der St. Johann-Nepomuk-Kirche in Wien.
Das Blindenapostolat, das seine Aufgabe im Ermöglichen von spirituellem Erfahrungsaustausch, Glaubensvertiefung, Begegnung und Gemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen sieht, erlebte seit seiner Gründung am 23. Mai 1969 viele schöne und herausfordernde Zeiten. Heinz Kellner, im Apostolat seit über 43 Jahren tätig, konnte diesbezüglich einen authentischen Rückblick in die Chronik bieten.
Wie die nächsten 50 Jahre dieser segensreichen Einrichtung aussehen werden? Dr. Geier meint: „Sie wird eng mit der Zukunft der Seelsorge insgesamt zu sehen sein, und noch mehr mit der Zukunft der Kirche.“
Eine Herausforderung! Lassen wir uns von Gott die inneren Augen öffnen!
Vortrag von Dr. Richard Geier zum Jubiläum des Blindenapostolats in Wien am 18. Mai 2019
Seit meinen Kindertagen begleitet mich die Frage: „Was würde Jesus heute tun?“ Mein Religionslehrer in der Volkschule hat uns diese Fragestellung beigebracht als Hilfe in schwierigen Entscheidungen. Solche gab es viele: Soll ich dem Schulfreund eine Watschn geben, weil er mir den Bleistift aus dem Federmäppchen stibitzt hat? Was würde Jesus tun? Natürlich keine Watschn geben! Problem gelöst! Man kann die Frage, was Jesus heute tun würde, auch als Impuls zur Phantasie nehmen, um sich auszumalen, was Jesus konkret tun würde, wenn er in unseren Zeiten leben würde. Wie würde er seine Botschaft heute in unsere Gesellschaft hineinsprechen? Wie würde er auf sich aufmerksam machen? Wo würde er leben? Wenn Jesus hier und heute unter uns wäre, hier in diesem Raum, würde er Blinde heilen?
Das Neue Testament berichtet uns, dass Jesus viele Blinde seiner Zeit geheilt hat, Bartimäus oder den Blindgeborenen am Teich Shiloach. Die Heilung von Blinden war ein prophetisches Zeichen für den Anbruch des Gottesreiches: Wenn Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, dann ist Gottes Herrschaft angebrochen, ein Zustand wie im Paradies! Was würde Jesus heute tun? Wäre die Heilung von Blinden tatsächlich auch heute noch ein prophetisches Zeichen? Ich möchte diese Frage jetzt einmal so stehen lassen! Und später darauf zurückkommen!
Dieser Tage bin ich auf den Namen Constanze Hill gestoßen. Ich weiß nicht, ob Ihnen dieser Name etwas sagt. Constanze Hill ist eine Radiojournalistin aus Oberösterreich, sie ist 45 Jahre alt, hat zwei Kinder, zwei Katzen, sie kocht gerne und sie ist seit ihrer Geburt blind. In einem Interview über ihr Leben hat sie erstaunliche Sätze losgelassen: Auf die Frage, ob es blinde Menschen schwerer haben als andere, weniger Chancen und Möglichkeiten im Beruf etc., gibt sie zur Antwort: „Ich kann nur für mich reden! Ich, für mich sage Nein! Und wenn ich nochmal auf die Welt kommen könnte, ich würde mir wieder wünschen blind zu sein!“ Weiters sagt Frau Hill, die ein Buch mit dem Titel „Ich seh, ich seh, was du nicht siehst“ folgendes: „Ich sehe in meiner Blindheit sogar Vorteile! Wenn ich mir die Probleme so mancher Sehender anhöre, dann merke ich, dass sie an Problemen leiden, die ich als Blinde so nie hatte. Das Aussehen spielt für mich zum Beispiel keine Rolle! Ich konzentriere mich auf den Moment einer Begegnung, ich konzentriere mich ganz auf mein Gegenüber, auf das Wesentliche, mich lenken Äußerlichkeiten nicht ab! Ich betrachte das als großes Geschenk!“
Solche Worte sind berührend, aber sie sind das Einzelzeugnis einer starken Frau. Sie zeigen aber auch, dass sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert hat in der Bewertung und Selbstbewertung von blinden Menschen. Blindheit gilt heutzutage nicht mehr als das große Manko. Viele Bemühungen um Inklusion zeigen mittlerweile Früchte. Blindheit gilt heute mehr als Form von Diversität und weniger als Benachteiligung. Constanze Hill sagt sogar: „Blind zu sein, hat viele Vorteile! Ja, ich rate Sehenden, gelegentlich die Augen zu schließen, still in sich hineinzuhören, um ganz ohne Ablenkung erkennen zu können, was ihnen wirklich wichtig ist!“ Ich möchte heute keineswegs das Lob der Blindheit singen, dafür habe ich zuviel Respekt vor den Lebenserfahrungen von blinden Menschen. Zu diesen Erfahrungen gehören sicher auch Momente der inneren Not, des Haderns mit dem eigenen Schicksal. Gleichzeitig freue ich mich aber auch darüber, wenn Menschen ihre Blindheit annehmen können und sich nicht als benachteiligt empfinden.
Ich war in meinem nun schon über dreißig Jahre währenden Priesterleben etliche Jahre als Klinikseelsorger unterwegs, ich konnte unendlich vielen Lebensgeschichten zuhören, wurde Zeuge von großen inneren Kämpfen, von großen Hoffnungen, die zerbrochen sind wie Glas. Ich konnte oft und oft aber auch den schwierigen Weg begleiten von Menschen, die am Ende dieses Weges Ja sagen konnten zu ihrem Leben, die die Krankheit als Teil ihres Lebens betrachten konnten und Freundschaft schlossen z.B. mit ihrem Krebs oder mit Parkinson. Mein stilles Mantra war dabei immer das Wort: „Das Leben ist so, wie es ist. Und es ist gut so, wie es ist.“ Man weiß nicht, warum es so ist, wie es ist! Keinesfalls hat Gott irgendetwas geschickt als Strafe. Oft erkennt man erst im Nachhinein die Zusammenhänge und Notwendigkeiten, warum alles so geworden ist, wie es geworden ist. Als ich geboren wurde, war mein Vater bereits krebskrank. Er ist kurz vor meinem ersten Geburtstag gestorben, hat meine Mutter mit fünf Kindern allein gelassen. Wir alle waren traumatisiert und ich habe natürlich erst erwachsen werden müssen, um die ganze Dramatik zu verarbeiten und zu erkennen, wie sehr mir mein Vater gefehlt hat und noch heute fehlt. Doch ich wäre heute nicht der Mensch, der ich bin, wenn nicht über dem Anfang meines Lebens ein so großer Schatten gewesen wäre. Jedes Leben verläuft so, wie es verläuft. Es gibt kein besseres Leben oder kein schlechteres. Es ist, wie es ist, und birgt in sich alle Möglichkeiten, um glücklich zu sein. Ist ein chronisch Kranker benachteiligt gegenüber einem gesunden Körper? Was Kranke krank macht, sind die Bewertungen von Krankheit. Natürlich nötigt mich Krankheit dazu, mein Leben anders zu führen, als wenn ich nicht krank wäre. Manchmal brauche ich Hilfe von anderen Menschen. Doch der Zustand der Krankheit ist nicht von vorneherein besser oder schlechter als der gesunde Zustand. Blind zu sein ist nicht von vorneherein eine Benachteiligung oder eine Krankheit. Blindheit ist vielleicht eine Normabweichung mit vielen Vorteilen und gewiss auch vielen Nachteilen. Doch auch die Fähigkeit zu sehen, ist nicht nur positiv, sie birgt auch Negatives in sich!
Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat gesagt, dass das Vergleichen der Anfang von allem Unglück ist. Im Umkehrschluss heißt das: Glücklich ist der Mensch, der mit dem Vergleichen aufhören kann. Sag ja zu deinem Leben, wie es ist, dann bist du viel näher an der Realität und Wahrheit deines Lebens, als wenn du dir ständig ein anderes Leben wünschst, vielleicht sogar das Leben, das ein anderer führt! Bleib bei dir selbst! In dir steckt der Keim für ein wunderbares Leben! Mach, was draus!
Es gibt einen tieferen Grund, warum ich hier vor Ihnen stehe und so optimistisch rede: Für mich ist jeder Mensch mit seinen ganz persönlichen Möglichkeiten, Grenzen und mit seiner jeweiligen Individualität ein Selbstausdruck Gottes. Genau in dir wollte Gott Mensch werden! Genau auch in mir, mit meinen vielen Macken und Schlagseiten, mit meinen Widersprüchen und Abgründen, mit meinen Beeinträchtigungen und schließlich auch mit meinen wunderbaren Talenten. Gott hätte nicht besser getan, wenn er mich anders gemacht hätte. Nein, er wollte sich genau in mir selbst ausdrücken und genau die Erfahrungen machen, die ich gemacht habe und noch machen werde!
Sie haben natürlich schon längst erkannt, dass ich ein Vertreter der mystischen Theologie bin, in der es keine Trennung zwischen Mensch und Gott gibt. Ich glaube nicht an einen Gott in der Höhe, sondern an einen Gott, der die Tiefe des Lebens ist, das Herz der Materie, die Dynamik jedes Lebensprozesses. Gott ist alles, was ist! Gott lebt in mir und ich in ihm. Alles Leben ist Gottes Leben verborgen in Christus.
Mein alltägliches Ego-Bewusstsein hat natürlich eine andere, entgegengesetzte Vorstellung. Es erlebt sich fortwährend als getrennt und isoliert, von den anderen Menschen, von den Glücksmomenten, von Gott verlassen. Darüber braucht man nicht klagen: Auch das Ich-Bewusstsein (mein kleines Selbst) ist, wie es ist, und es ist gut so. Das einzige, was man dem Ich-Selbst vorwerfen kann, ist, dass es zu klein ist und zu klein von sich denkt. Es ist nicht meine ganze Wahrheit, oft ist es eine Illusion! Ich bin unendlich mehr als das, was ich von mir auf der Ich-Ebene denke. Mein wahres Leben ist das göttliche Leben, das göttliche Selbst, Christus in mir!
Das ist die Aufgabe jeder guten Religion: uns zu sagen, wer wir sind! Wir sind Gottes Kinder, wir tragen die göttliche DNA in uns. Ich bin göttliches Leben, das nicht mehr vergeht und verweht. So betrachtet verliert das Leben seine Schrecken, viele Ängste und innere Konflikte lösen sich in Nichts auf. Wenn mein Leben allein dazu dient, dass Gott sich in mir ausleben kann, dann bin ich nie von ihm getrennt. Die Rede, dass es eine Trennung gibt zwischen Mensch und Gott ist eine große Lüge, ein Aufbäumen des Ego-Selbstes, das nicht begreifen kann, dass alles in meinem Leben – auch das Schwere - gut ist oder zum Guten führt. Wie entspannt und gelassen könnten wir alle eigentlich leben, wenn unser Ich glauben könnte, dass unser Leben göttliches Leben ist. Thomas von Aquin hat gesagt: Glücklich zu sein, bedeutet zu begreifen, was größer ist! Also zu erkennen, dass ich zu etwas gehöre, das größer ist als ich! Wie recht er doch hat! Im Johannesevangelium heißt es einfach: Das ist das ewige Leben, dich als den einen wahren Gott zu erkennen und den, den du gesandt hast (Joh 17).
Über Jahrhunderte hinweg hat sich unser Christentum in der Form der Kirche als moralisch-dogmatische Religion verstanden. Ich glaube, dass wir eine andere Sicht der Dinge in der Zukunft brauchen. Für mich ist das Christentum eine Existenzreligion, eine Religion, die ihre Erfüllung in der Hinwendung zur konkreten Existenz sieht. Das konkrete Leben wird zum fünften Evangelium, wenn ich im Leben die Präsenz Gottes erkenne, wenn ich sein vielfältiges Walten wahrnehme. Nicht Weltflucht ist angesagt sondern Zuwendung zur Welt, die selbst das Heilsereignis ist, weil Christus durch seine Menschwerdung die Welt geheiligt hat, also mit seiner Gegenwart erfüllt hat. Mit Jesus ist das Paradies auf die Erde zurück gekehrt, weil er uns einen unmittelbaren Zugang zum Herzen Gottes geschenkt hat. Seitdem gilt, was Jesus nie über sich allein gesagt hat, sondern stellvertretend für uns alle: Ich und der Vater sind eins! Der Einheit von Gott und Mensch steht nichts im Wege, außer unser Ich-Selbst, das uns lieber an die Kraft der Sünde oder sogar an den Teufel glauben lässt als an die Kraft der Liebe Gottes!
Ich bin in der Diözese Eisenstadt Leiter des Pastoralamtes. Sie glauben nicht, was das für eine Kehrtwende in der Pastoral bedeutet, wenn ich von der Warte der inkarnatorischen Mystik aus Seelsorge betreibe. Dann hört gleich einmal die Rede von fernstehenden oder nahestehenden Christen auf. Dieses Geschwätz ist ja heute vor allem bei traditionsverbunden Christen sehr in Mode gekommen: ein typischer Ausfluss des Ego-Bewusstseins, das nichts lieber tut als einteilen und trennen. Ich halte dagegen: Jeder Mensch, egal in welchem Verhältnis er zur Kirche steht, ist ein Christus im Werden. Ziel der Seelsorge muss es sein, das Potential des Christus in mir zu entdecken, sich zu versöhnen mit dem eigenen Leben, aufzuhören mit der Angst, im Leben zu wenig geliebt zu werden, zu kurz zu kommen, benachteiligt zu sein. Würden wir doch erkennen, wie sehr Gott uns liebt! Würden wir doch endlich damit anfangen, uns zu vergeben, dass wir uns selbst zu wenig lieben! Therese von Lisieux, die über ihre todbringende Krankheit nie gejammert hat, hat von sich selbst gesagt: „Im Herzen der Kirche werde ich die Liebe sein!“ Damit hat sie genau beschrieben, worauf es wirklich ankommt. Wenn Gott Liebe ist, und Gott in mir lebt, dann muss das innerste Wesen Gottes auch aus mir fließen, seine feurige Liebe. Alles andere ist nicht so wichtig!
Wie würde Jesus heute handeln? Das war meine Eingangsfrage. Ich habe sie sogar noch zugespitzt auf die Frage: Würde Jesus hier und heute Blinde heilen? Wäre das ein prophetisches Zeichen? Ich weiß nicht, ob Jesus unbedingt nach Österreich oder nach Wien kommen würde, würde er seine Menschwerdung noch einmal beginnen. Ich glaube, Jesus wäre heute mehr zu finden in einem afrikanischen Land, auf irgendeiner dieser riesigen stinkenden und rauchenden Müllhalden, wo der ganze Plastikmist und Elektroschrott aus Europa liegt, wo Menschen davon leben, diesen Schrott nach Rohstoffen auszubeuten, wo sie den Plastikmüll verbrennen und die Menschen von diesen giftigen Dämpfen krebskrank werden. Dort wäre Jesus zu finden und er würde nicht müde werden, den Menschen dort Ansehen und Würde zu geben: Selig seid ihr, die ihr von der ganzen Welt als letzter Dreck betrachtet werdet, denn ihr seid göttliches Leben!. Gewiss hätte er unendliches Mitleid mit den Menschen dort und würde hin und wieder auch einen Kranken heilen zum Zeichen, dass das Paradies zurück gekehrt ist, dass göttliches Leben in jedem Menschen ist. Jesus heute wäre kein Religionskritiker sondern ein Kapitalismusgegner und er würde letztlich für seine Kritik an den Reichen zur Verantwortung gezogen und hingerichtet werden. Und Menschen würden nach seinem Tod seine bleibende Gegenwart erfahren. Sie würden in ihm, dem lebenden Liebenden Hoffnung schöpfen für eine bessere Welt. Sie würden seine Heilungen von Krebskranken so verstehen, wie auch die Christen vor zweitausend Jahren seine Blindenheilungen verstanden haben: als Zeichen für die Heilung eines inneren Mangels. Jedesmal, wenn in der frühen Kirche die Menschen die Geschichte von der Heilung des blinden Bartimäus hörten, war ihnen klar: Dieser Bartimäus war ich, denn auch ich war blind, bevor ich dem Licht des Auferstanden in der Taufe begegnet bin. So wäre es auch heute: Dieser Krebskranke, den Jesus auf der Müllhalde heilt, bin ich selbst, denn auch ich sitze auf dem Mist meines Lebens und ich bin innerlich zerfressen von den Zuständen meiner Selbstabwertung. Es hat wie ein Krebsgeschwür an mir gefressen, dass ich nicht verstand, wer ich bin. Doch Jesus hat mich in der Taufe reingewaschen vom Schmutz meines Egos und er hat mir gezeigt, dass mein Leben gut ist, wenn ich dem Christus in mir Raum gebe.
In der Geschichte von der Heilung des Blindgeborenen im Johannesevangelium, schickt Jesu den Geheilten zum Teich Siloach, um sich dort zu waschen. Siloach bedeutet der Gesandte. Aus dem Blinden wird durch die Taufe ein Gesandter, der den Auftrag hat, die frohe Botschaft zu verkünden. Das Licht ist Pflicht. Wir alle tragen das Licht des göttlichen Lebens in uns, egal ob wir sehen oder blind sind. Dieses Licht verpflichtet uns zum Zeugnis. Was würde Jesus heute tun?. In der mystischen Theologie stellt sich die Frage anders: Was tue ich als einer der Christus in sich trägt. Wie wird der Christus in mir auch der Christus, der aus mir und meiner Person heraus leuchtet? Soll ich noch einmal sagen: leben und das Leben lieben, das eigene Leben, wie es ist, und das Leben der anderen, wie es ist! Die französische Mystikerin der Arbeitswelt Madeleine Delbrel hat es unnachahmlich schön ausgedrückt: „Wer Gott umarmt, findet in seinen Armen die Welt!“ Man möchte es weiter spinnen: Wer die Welt umarmt, findet in ihren Armen Gott!
50 Jahre Blindenapostolat in Österreich! Sie haben sich vielleicht einen anderen Festvortrag erwartet. Doch ich habe mit Herrn Kellner ausgemacht, dass ich nicht die verdienstvolle Geschichte des Blindenapostolates thematisiere, sondern Worte der Ermutigung spreche. Niemand weiß, wie die nächsten 50 Jahre dieser segensreichen Einrichtung ausschauen. Sie wird eng mit der Zukunft der Seelsorge insgesamt zu sehen sein, und noch mehr mit der Zukunft der Kirche. Wir alle spüren, dass die Kirche an einer Zeitenwende steht, ähnlich wie die Monarchie am Ende des ersten Weltkriegs. Wenn sie die Zeichen der Zeit verpasst, wird Kirche hineingezogen in einen sehr schmerzvollen Zustand der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit. Die Aufhebung des Zölibats oder die Ordination von Frauen wird da wenig helfen. Wir brauchen eine Schubumkehr der Theologie, ein neues Gottesbild, das wesentlich näher an Jesus Christus ist als das dualistische Zerrbild eines Gottes, der in der Höhe thront. Wir brauchen die Wende von einer dogmatisch-moralischen hin zu einer mystisch-therapeutischen Religion. Möge Gott uns allen die inneren Augen öffnen, damit wir sehen können, wie unser Leben voll ist von Gottes Güte und Liebe! In jeder Sekunde unseres Lebens werden wir mit seiner Gnade überschüttet.
Richard Geier