Fest Kreuzerhöhung
Schriftwort
Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.
Phil 2, 6–11
Impuls
Das Kreuz hat zwei Dimensionen - die vertikale: Von unten nach oben – von oben nach unten; vom Himmel zur Erde – von der Erde zum Himmel.
Im sogenannten Philipper-Hymnus wird ausgesagt, dass Christus Jesus „bei Gott“ gewesen ist. Ja, mehr noch: Er war Gott gleich!
„Bei Gott sein“ ist das Ziel des biblischen Glaubens: Wir hoffen, dereinst am Ende unseres irdischen Lebens „zu Gott“ zu gelangen. Ihn zu „sehen“ bedeutet „am Ziel zu sein“. Dann kann uns wirklich „nichts mehr scheiden von der Liebe Gottes“, wie Paulus im Römerbrief formuliert (Röm 8, 39).
Diesen Status hatte Christus Jesus also bereits inne. Doch er hat sich nicht daran geklammert, sozusagen wie an einen Besitz, den man krampfhaft festhalten möchte. Alles, was einen vom Gipfel hinunterführt, kann nur ein „Abstieg“ sein.
Der Christus hat also diesen Weg des Abstiegs gewählt, aus freien Stücken.
Das Kreuz hat eine weitere Dimension, nämlich die horizontale: Nach rechts und links - „auf Augenhöhe“, gewissermaßen.
Ich kann meinen Mitmenschen nur umarmen, wenn ich mit ihm auf Augenhöhe bin. Jede echte, ehrliche Zuwendung passiert auf der horizontalen Ebene; alles andere wäre entweder „von unten her“ bittend, devot – oder „von oben herab“, mit einem Machtgefälle, herablassend.
Das Kreuz vereinigt diese beiden Dimensionen.
Eigentlich: Der, der auf dem Kreuz ausgespannt ist, der ist es, der diese beiden Dimension vereint!
Weil er „von oben“ herabgekommen ist, zeigt er sich nicht herablassend.
Ganz im Gegenteil: "Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele."
Mt 20, 25-28
Christus Jesus hat vorgezeigt, was es bedeutet, miteinander „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren! Und nie ist das Kreuz eine Sackgasse – die Dimensionen und Richtungen wechseln hin und her. Denn letztendlich ist der Gekreuzigte „auferstanden“ und „aufgefahren“: Er ist auch wieder zurückgekehrt „zu Gott“ – dorthin, wo er zuvor gewesen ist.
Deshalb dürfen wir die Hoffnung hegen, ebenfalls „zu Gott“ zu kommen. “Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“, sagt Jesus im Johannesevangelium (Joh 12, 32).
In seiner Auferstehung und „Himmelfahrt“ hat er uns also die horizontale Dimension erschlossen. Wenn wir die Praxis der „Augenhöhe“ geübt haben, die vertikale Dimension: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25, 40)
© nikfai