Gründonnerstag
Vom Menschsein
Schriftstellen
Exodus 12, 14
Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den Herrn! Für eure kommenden Generationen wird es eine ewige Satzung sein, das Fest zu feiern!
1 Korinther 11, 24
Tut dies zu meinem Gedächtnis!
Evangelium nach Johannes 13, 7
Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen.
Impuls
Was macht den Menschen aus?
Eine zutiefst philosophische Frage. Oft gestellt im Kontext: „Was unterscheidet den Menschen vom Tier?“
Daher anders gefragt:
In welchen Momenten lebe ich mein Menschsein?
Am Gründonnerstag, am Hohen Donnerstag, werden uns einige Momente vor Augen geführt, wo sich Menschsein in seiner tiefsten und zugleich weitesten Dimension ereignet.
Manchmal erlebe ich mich – wie Petrus, der zunächst mal so gar nichts begreift – quasi wie in einem Film oder einem geschlossenen Zug, der durch die Landschaft meines Lebens rast. Ich fühle mich wie ein Fahrgast, ohne jegliche Möglichkeit, etwas zu beeinflussen.
Manchmal folgt die Erkenntnis dem Tun: Erst dadurch, dass ich etwas tue und indem ich es tue, erschließt sich mir vielleicht der Sinn des Lebens.
Die versammelten Jünger Jesu im Abendmahlssaal. Dass es sich um einen erhabenen, „geschichtsträchtigen“ Moment gehandelt haben muss, werden sie sicherlich irgendwie erahnt oder erspürt haben. Aber von einem echten Verstehen waren sie wohl weit entfernt. (Da musste zuerst die Heilige Geistkraft wirkmächtig werden.)
Wie ist das mit dem Menschsein?
Es tut uns Menschen gut, wenn wir uns erinnern. Denn dann können wir besondere Ereignisse des Lebens wachrufen.
Ein Gedächtnis zu begehen, dazu braucht es allerdings noch mehr. Beim Gedächtnis kommt zum Erinnern auch die Reflexion hinzu: Warum ist etwas genau so und nicht anders abgelaufen? Wer war beteiligt? Und wer hat im Vorfeld mitgewirkt und mitgeprägt? Und wie ist „die Geschichte“ danach weitergegangen?
Da bin ich als einzelner Mensch plötzlich mittendrin in der gesamten Menschheitsgeschichte! Vielleicht ist es sogar unwichtig, ob ich tatsächlich bereits dabei gewesen bin – oder ob ich bei diesem oder jenem Ereignis noch gar nicht geboren worden war.
Beim Gedächtnis kann ich mich hineinnehmen lassen in die Dynamik des Geschehens. Und dann erlebe ich mich auf einmal mitten im Strom des Lebens. Ich bin Teil davon, bin Empfangender – doch zugleich liegt es an mir, wie die Geschichte weitergehen wird. Es ist nämlich nicht egal, ob und wie ich mich einbringe. Denn auch nach mir wird es wieder andere Menschen geben, die auf meinem Erbe aufbauen – so, wie ich auf dem Erbe jener aufbaue, die vor mir gelebt haben.
Am Gründonnerstag beginnt eine Dynamik, die jene, die dabei gewesen waren, überhaupt noch nicht abschätzen konnten. Es konnte danach nie mehr so sein wie kurz zuvor… Doch wohin „die Reise“ gehen würde…???
Manchmal erlebe ich mich mitten im lebendigen Strom des Lebens. Vielleicht wird es den Augenblick der Erkenntnis in meinem eigenen Leben geben. Vielleicht jedoch werden diesen Schatz erst jene heben, die nach mir kommen werden.
Menschsein passiert jetzt. Und lebt doch zugleich davon, dass es weitergetragen wird.
©nikfai