Ein Experiment mit viel Potenzial
(von Univ. Prof. em. P. Dr. Franz Weber MCCJ – Pastoraltheologe und Bischöflich Beauftragter für die Ständigen Diakone in der Diözese Innsbruck)
Die Wiederbelebung des Diakonats durch das Konzil war zweifellos ein Wagnis, das sich aber rückblickend als ein großer Gewinn herausgestellt hat
Als vor 50 Jahren die ersten Ständigen Diakone geweiht wurden, war man auch hierzulande nicht wenig erstaunt: Da standen auf einmal Männer, die verheiratet waren, deren Frauen und Familien man in der Pfarre kannte, gemeinsam mit dem Priester am Altar. Sie predigen und tauften, hielten Trauungen und Begräbnisse und übernahmen vor allem auch Aufgaben im caritativen Bereich.
Aus Sorge um die Benachteiligten und Armen war dieses Amt schon in der Urgemeinde von Jerusalem durch die Handauflegung der Apostel übertragen worden. Diakone werden auch in anderen Schriften des Neuen Testaments mehrfach erwähnt. Sie haben in den ersten fünf Jahrhunderten des Christentums eine wesentliche Rolle im Leben der Kirche gespielt. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass es mancherorts auch eine Art von Diakonat für Frauen gegeben hat. Nach dem fünften Jahrhundert verschwinden die Diakone immer mehr von der Bildfläche der Kirchengeschichte. Bis zum Zweiten Vatikanum (1962-65) hat dieses Amt dann nur mehr als eine Vorstufe zur Priesterweihe weiter existiert.
Stärkere Präsenz
Was aber hat das letzte Konzil zur durchaus umstrittenen Wiedereinführung des Diakonats veranlasst? Es waren vor allem Bischöfe aus Lateinamerika, die schon damals angesichts des Priestermangels auf andere Formen des kirchlichen Amtes drängten. Sie dachten daran, pastoral erfahrene, verheiratete Katechisten zuerst zu Diakonen (und später vielleicht auch zu Priestern) zu weihen. Auch in Europa sprachen sich manche Bischöfe mit einem Blick für die neuen Herausforderungen in der Seelsorge dafür aus. Einige Konzilsväter aus Frankreich und dem deutschen Sprachraum erwarteten sich zudem von einem Diakonat in erneuerter Gestalt eine stärkere diakonische Präsenz der Kirche an den sozialen Brennpunkten der Gesellschaft. Das Konzil hat diese Zeichen der Zeit erkannt und ist mit der Wiederbelebung des Diakonats ein Wagnis eingegangen, das sich zweifellos gelohnt hat. Heute gibt es allein in Europa an die 15.000 Diakone und ihre Zahl ist im Steigen, während die der Priester seit Jahren im Sinken ist. Nachdem die Österreichische Bischofskonferenz bereits kurz nach dem Konzil (1966) die Einführung des Ständigen Diakonats beschlossen hatte, konnte dieses alte kirchliche Amt durch bereits in der Kirche engagierte und wagemutige Männer schrittweise eine neue und zukunftsweisende Gestalt gewinnen. Kardinal Christoph Schönborn bezeichnet den Diakonat in einem Grußwort zum 50-Jahr-Jubiläum mit Recht als hoffnungsvollen Bereich der Kirche. Aber welche Hoffnungen weckt dieses Amt in unserer Kirche, die gegenwärtig offensichtlich wenig Mut zum Wagnis und zu neuen Wegen zeigt? Wenn Diakone ihre Stola schräg über ihrem liturgischen Gewand tragen, dann sind sie damit keineswegs „schräge Typen“, pastorale Nothelfer oder zweitklssige Amtsträger, die nichts vom Leben verstehen. Im Gegenteil; sie stehen als Berufstätige, Ehemänner und Väter mitten im Leben: Ihr Einsatz an der ‚Peripherie‘ bei den Armen jeder Art gehört neben der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Sakramente zum ‚Kerngeschäft‘ der Kirche.
Am Puls der Zeit
Die Diakone fühlen, vielleicht stärker als manche andere Amtsträger, den Puls der Zeit. In einem ‚Manifest‘ wandten sie die im Oktober letzten Jahres in Wiener Neustadt versammelten Diakone gemeinsam mit ihren Ehefrauen an die Bischofskonferenz. Sie verweisen auf die Lebensform ihres Amtes, in dem sich das Sakrament der Ehe und das Sakrament der Weihe nicht widersprechen, sondern sich gegenseitig ergänzen und bereichern. Auf der Grundlage dieser Lebenserfahrung wünschen sich die Diakone und ihre Frauen auch in der Kirche von heute den „Mut zum Experiment“ und – angesichts der überall spürbaren pastoralen Notsituation und der großen sozialen Herausforderungen – eine „Veränderung der Zulassungsbedingungen zu den Ämtern der Kirche“, die in Zukunft für verheiratete Männer und auch für Frauen offen stehen sollen.
„Wer wagt, gewinnt.“ – Die Wiederbelebung des Diakonats durch das Konzil war zweifellos ein Wagnis, das sich aber rückblickend als ein großer Gewinn herausgestellt hat. In der Diözese Innsbruck, in der weitsichtige Bischöfe und einige Priester trotz mancher Widerstände bei der Einführung dieses Amtes und in der Ausbildung der Kandidaten Mut und Kreativität bewiesen haben, sind die über 60 Diakone heute nicht mehr wegzudenken. Neben ihrer Assistenz in der Eucharistiefeier sind sie vor allem in der Spendung der Taufe, bei der Feier von Hochzeiten und für Wort- und Segensgottesdienste sehr angefragt. Als Kuratoren leiten sie Pfarren und sind vor allem auch in der Kranken- und Altenseelsorge, in Schulen und in zahlreichen sozialen Einrichtungen tätig. Sie sind ein Segen für viele Pfarren und für die Menschen, denen sie ‚zu Diensten‘ sind.
Ein Artikel aus der Sonderbeilage „Moment“ vom 23.10.2020; Diözese Innsbruck, Abt. ÖA
von Univ. Prof. em. P. Dr. Franz Weber MCC