Jüdischer Friedhof
Vielfach sind jüdische Friedhöfe das letzte Zeugnis des vernichteten jüdischen Lebens in Mitteleuropa. Wie pflegen wir dieses Erbe? Was können wir ausgehend von ihnen über das Judentum lernen? Eine Veranstaltungsreihe des christlich-jüdischen Komitees Burgenland im Frühjahr 2010 ging diesen Fragen nach.
Jüdische Friedhöfe Eisenstadt
Am 29. April führte Johannes Reiss, Direktor des Österreichischen jüdischen Museums, etwa 70 Interessierte über die jüdischen Friedhöfe in Eisenstadt. Im Burgenland gibt es 14 jüdische Friedhöfe. Sie sind die letzten Zeugen eines Jahrhunderte langen jüdischen Lebens. Eine Besonderheit (mit einer einzigen Ausnahme, dem jungen jüdischen Friedhof in Oberwart) ist, dass man ausschließlich Gräber mit hebräischen Grabinschriften findet. Der Friedhof gehört den Toten. Somit gibt es so etwas wie eine Grabauflösung nicht. Das jüdische Grab wird nicht eingeebnet, und der Stein bleibt bestehen. Bei Platzmangel legt man eine Schicht Erde über ein Grab und bestattet einen Toten über dem anderen. Sehr eindrücklich ist dies beim alten jüdischen Friedhof in Prag zu sehen. Dies hängt mit dem jüdischen Glauben an die Auferstehung der Toten nach dem Eintreffen des Messias zusammen. Blumenschmuck ist in der jüdischen Tradition nicht üblich, statt dessen werden kleine Steine auf die Grabsteine gelegt.
Sterben und Tod im Judentum
Am 12. Mai war die Kursreihe in der Synagoge Baden zu Gast. Dort gab Willy Weisz, Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, einen sehr konkreten und anschaulichen Überblick über Sterben und Begräbnis im Judentum. Der Tod bedeutet für die Juden vor allem das Ende des Lebens. Vorstellungen des Lebens nach dem Tod, das Eingehen in ein Reich der Toten, die Auferstehung, haben untergeordnete Bedeutung. Wenn der Tod eingetreten ist, zerreißen die Angehörigen als Zeichen der Trauer ein Kleidungsstück. Dieser Brauch geht auf die Geschichte des vorgetäuschten Todes von Josef, dem Sohn Jakobs zurück. Jakob zerriss angesichts der Kunde vom angeblichen Tod seines Sohnes seine Kleider und legte ein Trauergewand an (Gen 37,34). Die Angehörigen des Toten sprechen weitere Gebete; danach wird der Verstorbene gewaschen und in ein weißes, leinenes Totenhemd gekleidet. Dies geschieht entweder zu Hause oder in einer Leichenhalle am Friedhof. Die Beerdigung soll möglichst noch am gleichen Tag, spätestens aber am nächsten Morgen vorgenommen werden - es sei denn, der Schabbat oder andere Feiertage sorgen für eine Verzögerung.
Zur Bestattung wird meist eine Ansprache gehalten, und ein Kantor singt den 91. Psalm. Begleitet von Worten aus dem Buch des Propheten Daniel (Dan12,13: "Du aber geh nun dem Ende zu. Du wirst ruhen, und am Ende der Tage wirst du auferstehen, um dein Erbteil zu empfangen") wird der Sarg in das Grab gelassen. Häufig wird dem Sarg ein Säckchen Erde aus Israel beigefügt, damit der Tote symbolisch in der Erde des Heiligen Land begraben liegt. Nach der Grablegung beginnt eine siebentägige Trauerzeit, an die sich ein Trauermonat und ein Trauerjahr anschließen. Jährlich kommen die Angehörigen dann anlässlich des Todestages eines Verstorbenen zusammen.
Eliezer Rosen, Präsident der jüdischen Gemeinde Baden, erzählte, welche Fragen und Probleme sich aktuell bei der Pflege jüdischer Friedhöfe ergeben. Die Halacha, das religiöse Gesetz des jüdischen Glaubens, verpflichtet die jüdischen Gemeinden zur immerwährenden Erhaltung ihrer Friedhöfe. Nach der Halacha gehört ein jüdisches Grab ausschließlich dem Toten. Es ist auf ewig unantastbar. Die ausgelöschten jüdischen Gemeinden und ihre ermordeten oder vertriebenen Angehörigen können dafür aber keine Verantwortung mehr tragen. In ganz Österreich gibt es rund 50 (manche sprechen von 68) jüdische Friedhöfe, je nachdem, denn bei einigen ist nicht ganz klar, ob es sich um einen jüdischen Friedhof handelt oder nicht. Die Kultusgemeinde Wien hat in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland heute mehr als 350.000 Grabstellen zu versorgen. Das überschreitet die Anzahl ihrer Mitglieder um ein Vielfaches. Die Pflege der Areale wird daher oft von den Ortsgemeinden, aber auch von privaten Vereinen, so gut als möglich getragen.
Exkursion nach Rechnitz, Steinamanger und Güns
Am 4. Juni nahmen bei einer ganztägige Exkursion etwa 100 Personen teil. In Rechnitz wurde die Gruppe vom Bürgermeister begrüßt und anschließend von Christine Teuschler und Gert Tschögl durch den jüdischen Friedhof und zum Kreuzstadl geführt. In der Nähe des Kreuzstadls wurden im März 1945 rund 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter ermordet. Der Verein RE.F.U.G.I.U.S.- Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiative, setzt sich dafür ein, dass der Kreuzstadl als Mahnmal für alle Opfer beim Südostwallbau erhalten bleibt. Seit 1995 finden hier jährlich im März Gedenkfeiern statt, unter Beisein von Vertreterinnen und Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinden Wien oder Graz, sowie auch einer Delegation der Kultusgemeinde Zalaegerszeg.
In Szombathely/Steinamanger führte Zsuzsanna Eck-Varga im ehemaligen jüdischen Viertel durch die Synagoge und zum Friedhof. Auch der neugewählte Vorstand der dortigen jüdischen Gemeinde sprach Grußworte.
Nach der römischen Zeit, als die Juden mit den Legionen nach Savaria kamen, siedelten sie sich erst ab dem 17. Jahrhundert in der Umgebung der Stadt wieder an. Die Stadt Szombathely hat den Juden bis 1840 - unter Ausnahme einiger privilegierter Familien - nicht genehmigt, sich niederzulassen. Deshalb haben sie sich in den benachbarten Gemeinden, im zur Bischofsherrschaft gehörenden Szent Márton und Ó-Perint und auf dem Besitz der Grafen Batthyány in Szõkefölde angesiedelt. 1828 wurde der Friedhof in Szent Márton errichtet. Durch die Erweiterung zwischen 1873 und 1875 wurde die Grundfläche verdoppelt. 1880 hat für sich die orthodoxe Gemeinde ein Chevra Kadischa und neben dem alten einen getrennten Friedhof gegründet. Er ist auch heute mit einer Wand getrennt. 1904 musste der neologische Teil wieder vergrößert werden, 1912 haben aber die Neologischen eine Halle für Cidduk-Chadic (Liturgie und Totenwaschung) und eine Wohnung für den Friedhofwächter gebaut. Im Krieg wurde auch der Friedhof während der Bombardierung von Szombathely beschädigt.
Die erste Synagoge der jüdischen Gemeinde war in der Thököly-Straße 46. Nach den Protokollen der Stadtversammlung haben die katholische Kirche und die Stadt beim Herzog protestiert, sie konnten aber den Bau nicht verhindern. Nach der in 1871 erfolgten Trennung hat die Kongressgemeinde die Synagoge verkauft, die orthodoxe hat sie aber durch einen Prozess wieder erworben: dieses Gebäude ist die Synagoge der Gemeinde bis zur Auflösung im Jahre 1956 mit Mikwe, dem rituellen Bad in ihrem Keller, geblieben. Seit 1959 bis zur jüngeren Vergangenheit war sie Sitz der Maler- und Glasergenossenschaft, heute steht sie im Privatbesitz, die Straßenfassade wurde umgebaut; die Synagogenhalle wurde in zwei Geschosse getrennt und die Frauengalerie abgebaut. Neben der Synagoge wurde eine Rabbinerwohnung gebaut. Das Gebäude steht auch heute rechts vom Eingang, durch das Aufstocken wurde es aber zu einem Bürohaus. Hinter ihm konnte die rituelle Schlachtbank stehen. Dieses Gebäude hat der Eigentümer während der letzten Renovierung mit dem ehemaligen Ersatzbethaus im Hof zusammen abreißen lassen.
In Köszeg/Güns führte Anton Kalkbrenner zur bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen Synagoge. Die Synagoge ließ Philipp Schey in der Vorstadt "Sziget" errichten. Mit der Arbeit wurde 1858 angefangen. 1859 wurde die Synagoge eingeweiht. An der Straßenfront stehen zwei Nebengebäude, rechts vom Eingang die Mikwe, hinter ihr die Rabbinerwohnung, links das Klassenzimmer, hinter ihm die Wohnung des Lehrers. Die jüdische Gemeinde hat sich der Kongressrichtung angeschlossen. Ihre Anzahl hat bis 1910 ständig zugenommen. 1910 war sie mit 166 Personen am größten, sie hat 3,15% der Bevölkerung ausgemacht. Nach der letzten Zählung von 1944 haben 95 Personen zur Günser jüdischen Gemeinde gehört. Das Ghetto wurde in der Schey Fülöp-Straße 8, im Haus von Arthur Deutsch ausgebaut. Am 11. Juni wurden die Juden ins Ghetto gebracht und mussten am 18. Juni zu Fuß zum Bahnhof aufbrechen, wo sie mit dem Zug nach Szombathely und dann mit den Einwohnerinnen und Einwohnern des dortigen Ghettos am 4. Juli nach Auschwitz deportiert wurden.
Die Kursreihe war eine gemeinsame Veranstaltung des christlich-jüdischen Komitees Burgenland, der VHS - Verband der Volkshochschulen Burgenland, des Katholischen Bildungswerks der Diözese Eisenstadt, des Katholischen Bildungswerks der Erzdiözese Wien, des Evangelischen Bildungswerks Burgenland, des Hauses der Begegnung Eisenstadt, des Instituts für Religionspädagogik Burgenland, von kfb - Katholische Frauenbewegung, KMB - Katholische Männerbewegung und des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Bernhard Dobrowsky