Pannonische Geschichte(n): Von Widerstandsgeistlichen, starken Frauen und Öffnung
Pannonische Geschichte(n): Von Widerstandsgeistlichen, starken Frauen und Öffnung
Zwischen historischen Fotografien, wertvollen Schriften und Goldornaten schlingen sich bewegende Geschichten von Frauen und Männern, deren Einsatz die Landes- und Diözesanwerdung prägte. Einblick gibt die Sonderausstellung des Diözesanmuseums, die ab 28. April 2021 wieder geöffnet ist.
Eisenstadt – Neben dem Eingang der ehemaligen Franziskanerkirche, jetzt Rektoratskirche St. Michael, hängt seit fast einem Jahr eine Gedenktafel. Gewidmet ist sie den Widerstandsgeistlichen Pater Johann Kapistran Pieller, der an diesem Ort seine letzte Wirkstätte hatte, und seinem Provinzial Pater Angelus Steinwender. Anlässlich des 75. Hinrichtungstages am 15. April vergangenen Jahres wurde sie angebracht, gestaltet hat sie Künstler Heinz Ebner. Einblick in das Leben und Schaffen Pater Kapistran Piellers sowie anderer bedeutender Persönlichkeiten, Exponate historisch prägender Momente und zeitgenössische Kunst erwarten die Besucher der Ausstellung "Pannonische Geschichte(n). 60 Jahre Diözese Eisenstadt – 100 Jahre Land Burgenland" im Diözesanmuseum, dessen Eingang sich nur wenige Meter daneben befindet.
"Diözesanmuseum Eisenstadt – Geöffnet"
Als Statement zur aktuellen Lebenssituation kreierte der Grazer Künstler Herwig Tollschein im ersten Lockdown das Werk "Diözesanmuseum Eisenstadt – Geöffnet", eine Bildcollage inspiriert durch einen Fund im ersten Stock des Gebäudes. "Als wir im Frühjahr die Ausstellung aufbauten, galt weltweit 'es wird alles geschlossen'. Im Zuge von Räumungsarbeiten fanden wir in der ehemaligen Klausur der Franziskanermönche eine alte Museumstafel. Sie war der Anstoß für Herwig Tollscheins jüngstes Werk", so Mag. Weinhäusel, Leiter des Diözesanmuseums. "Sie hat ihm so gut gefallen, dass er unbedingt etwas daraus machen wollte, da es genau das war, was wir brauchten: Den Blick in die Zukunft. Das Werk ist nicht nur künstlerisch witzig, sondern auch tiefgreifend", so Weinhäusel weiter.
Geistliche Widerstandskämpfer und die "Antifaschistischen Freiheitsbewegung"
Ein Teil der Ausstellung erzählt Geschichten von vormals im Kloster lebender und wirkender Persönlichkeiten. Einer von ihnen war Pater Kapistran Pieller, ehemaliger Vorsteher des Franziskanerklosters in Eisenstadt, der sich im Zweiten Weltkrieg durch Vermittlung eines Mitbruders der Widerstandsgruppe "Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs" anschloss und Flugblätter herstellte. 1943 wurde die Gruppe entdeckt und P. Pieller im August im Eisenstädter Kloster von der Gestapo festgenommen. Damit begann ein langer Leidensweg. Er wurde in Wien inhaftiert, wo er ein Jahr – zusammen mit dem Franziskanerprovinzial Steinwender und anderen geistlichen Mithäftlingen – auf einen Prozess warten musste. Am 11. August 1944, dem Gedenktag der Hl. Klara von Assisi, wurde das Todesurteil verkündet. Vergebens richtete Kardinal Innitzer Gnadengesuche für P. Pieller und P. Provinzial Steinwender nach Berlin. Die Verurteilten wurden in das Landesgericht Wien überstellt, wo sie in den berüchtigten Todeszellen jederzeit ihrer Exekution gewärtig sein mussten. Dieser qualvolle Zustand hielt Monate an. P. Pieller nutzte die Schreiberlaubnis und richtete berührende Briefe an Geistlichkeit und Gläubige in Graz und Eisenstadt. Als im April 1945 die siegreichen Russen vor den Toren Wiens standen wurden die 46 Todeskandidaten, in einem vier Tage währenden Fußmarsch durch das südliche Weinviertel in die Häftlingsanstalt Stein an der Donau getrieben, wo sie am 15. April von der SS erschossen und in einem Massengrab beerdigt wurden.
Die Ausstellung zeigt erstmalig seine Haftbibliothek mit bedeutenden Schriften, die vom Widerstand gegen das NS-Regime Zeugnis geben. "Wir sind jedoch nicht bei Pater Kapistran stehengeblieben, sondern haben kleine Tafeln der vielen burgenländischen Geistlichen gestaltet, die vom NS-Regime – und davor – unterdrückt und missbraucht worden sind", betont der Leiter des Diözesanmuseums. Anhand der einzeln dargestellten und gemeinsam präsentierten Täfelchen soll aufgezeigt werden, "dass jeder isoliert dastand, weil es gefährlich gewesen wäre, wenn sie diesen Widerstand miteinander geteilt hätten", so Weinhäusel.
Frau Rhuska und des Bischofs neue Kleider
Ohne die Entstehung des Bundeslandes Burgenland gäbe es keine Diözese Eisenstadt. Und ohne des Einsatzes einer Dame wären die Feierlichkeiten vor und zur Diözesanwerdung wohl nicht so spektakulär ausgefallen. "Die Geschichte von Frau Rhuska – ihr Vorname ist leider nicht dokumentiert – besagt, dass sie für Bischof Josef Schoiswohl den Brokatstoff für seinen Ornat aus Holland einschmuggelte. Sie wickelte den Goldbrokat um ihren Körper, zog darüber ihre Profankleidung an und brachte so den wertvollen Stoff direkt an ihrem Leib nach Österreich", so Bernhard Weinhäusel. Zwischen 1955 und 1956 fertigte Frau Rhuska, die auch Gründerin der "Burgenländischen Werkstätte" war, – in Anlehnung an die "Wiener Werkstätte" – den pontifikalen Ornat Bischof Schoiswohls, den er bei den Feierlichkeiten der Diözesanerhebung Eisenstadts und der Ernennung Stefan Lászlós zum ersten Diözesanbischof trug.
Es war die Zeit großer Veränderungen, als das junge Burgenland die Erhebung der Apostolischen Administratur zu einer Diözese erfuhr, holländischer Goldbrokat und Fantastischer Realismus in den Stil liturgischer Kleidung Einzug hielt und des Bischofs neue Kleider geschaffen wurden. In diese und weitere historisch bedeutende Exponate sowie ihre Geschichte gibt die fesselnde Ausstellung, kuratiert von Diözesanmuseumsleiter Mag. Bernhard Weinhäusel und seiner Frau, Kunsthistorikerin Dr. Ildikó Weinhäusel-Farkas, Einblick. Zielsicher führt sie die Besucher durch die Vergangenheit in die Gegenwart und gibt Ausblick auf die Zukunft. Diözesanmuseum Eisenstadt – Geöffnet.
Die Sonderausstellung "Pannonische Geschichte(n). 60 Jahre Diözese Eisenstadt – 100 Jahre Land Burgenland" ist ab 28. April bis 11. November 2021 geöffnet.
Mittwoch bis Samstag 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr
Sonn- und Feiertag für Gruppen gegen Voranmeldung.
Diözesanmuseum
Joseph Haydn-Gasse 31/1 und 2. Stock
7000 Eisenstadt
Tel.: +43 676 880 701 017
Fax: +43 2682 777-252
E-Mail: museum@martinus.at