Jüdisch-katholische (Liebes)-Geschichte - Gymnasium Wolfgarten
Das Gymnasium der Diözese Eisenstadt, der „Wolfgarten“, hat jüdische Wurzeln – doch nur wenige wissen davon. Lukas Pallitsch, selbst Lehrer an der Schule, hat ein Buch darüber geschrieben.
Warum wird das Gymnasium der Diözese im Volksmund als „Wolfgarten“ bezeichnet?
Der aus Oggau stammende Lehrer und Autor Lukas Pallitsch hat diese Frage in seinem Buch „Jüdische Wurzeln und pädagogischer Auftrag – der sogenannte Wolfgarten“ ausführlich beantwortet. Dabei wurde die Geschichte einer Schule ausgeleuchtet, „die sich an der Schwelle zwischen Judentum und Christentum befindet, aber auch einst für den Aufbruch einer jungen Diözese stand“, betont Lukas Pallitsch im martinus-Gespräch. Der in Eisenstadt geborene Pallitsch hat Theologie, Philosophie und Literaturwissenschaften in Wien, Jerusalem und Berlin studiert – und war acht Jahre lang selbst Schüler des „Wolfgarten“. Schon damals hätten nur wenige gewusst, warum die Bildungseinrichtung eigentlich diesen Namen trage. Als Lehrer bemerkte er, dass das Wissen darüber gänzlich verschwunden war. Bis heute sprechen viele Burgenländer irrtümlicherweise von einem „Wolfsgarten“ und denken dabei an den Wolf, das Tier und Fabelwesen.
Grabmahl erinnert an Familie Wolf.
Grundsätzlich ist die Frage schnell geklärt (wenngleich die Aufarbeitung der damit verbundenen Geschichten große Erzählstränge eröffnet): Beim heutigen Schulareal handelte es sich einst um den Obst- und Gemüsegarten der jüdischen Weinhändler-Familie Wolf. Viele von ihnen mussten in der NS-Zeit nach Palästina fliehen. Die späten 1930er-Jahre hatten Verheerendes angerichtet: Das Burgenland wurde „judenfrei“. Aus dem Ausland verkaufte die Familie das Areal an die junge, sich gerade im Aufbau befindliche Diözese Eisenstadt. Noch heute steht auf dem Gelände ein Mausoleum der Familie Wolf. Der Hintergrund: Leopold Wolf (der Firmenvorstand des Weinhandels) heiratete eine Katholikin, worauf für die jüdische Gemeinde eine Welt zusammenbrach. Der Rabbiner (so heißt es) soll über diese Heirat derart erbost gewesen sein, dass er schwor, nie mehr die Schwelle der Synagogentür zu überschreiten, durch die das Ehepaar gegangen sei. Um diesen Konflikt zu kitten, wurde für den Rabbiner eine zweite Tür in der Synagoge installiert, um diesen nicht zu zwingen, sein Wort zu brechen. Die Eltern verpflichteten sich jedenfalls dazu, die Kinder zumindest jüdisch zu erziehen. Nach ihrem Tod durfte die angeheiratete Ottilie Wolf nicht auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt werden, weshalb ein Mausoleum im Obst- und Gemüsegarten der Familie zu ihrer letzten Ruhestätte wurde. Das Grabmahl befindet sich etwa hundert Meter über dem Schulgebäude. Touristen und selbst vielen Eisenstädtern ist dieses weitgehend unbekannt.
Kollektives Gedächtnis auffrischen.
Lukas Pallitsch war es in seinem Buch wichtig, diesen geschichtlichen Hintergrund, der in Vergessenheit geraten ist, gut auszuleuchten, „um das kollektive Gedächtnis aufzufrischen“. Gegliedert ist das Werk in einen historischen Teil, der auf die Verbindung der Familie Wolf (und deren Geschichte) mit der heutigen Schule eingeht. Und in einen Abschnitt, der den historischen und religiösen Bezug herstellt. Denn: Der Umstand erscheint nicht nur dem Autor als spannend – eine jüdische Familie als Fundament für eine katholische Privatschule, die man durchaus zum Anlass nehmen sollte, die geschwisterliche Beziehung zwischen Judentum und Christentum zu thematisieren. Seinen SchülerInnen versucht Pallitsch diese Geschichte näher zu bringen. „Man kann über die Bildungsschiene etwas gegen den sich ausbreitenden Antisemtismus tun“, betont er. Es sei wichtig, dass diese Dinge gelehrt werden: „Jesus war Jude, das Christentum wurzelt im Judentum – die beiden sind Geschwisterreligionen.“
Jüdische Wurzeln und pädagogischer Auftrag – der sogenannte Wolfgarten. Lukas Pallitsch, edition lex liszt, 138 Seiten, € 18,- ISBN: 978-3-99016-196-8