„Rede nur, wenn Du gefragt wirst, aber lebe so, dass man Dich fragt.“
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben in unserem
Pfarrverband "Eisenstadt * Oberberg und Kleinhöflein"!
Diese Aussage des französischen Dichters, Dramatikers und Diplomaten Paul Claudel (1868 - 1955) gilt auch für uns als Christen. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal wegen meines Glaubens gefragt worden zu sein. Und Sie? Und Du?
Viel öfter schon wurde ich gefragt, wie es wohl mit der Kirche weitergehen wird/soll/könnte? Die Angst vieler Menschen - auch Nichtkirchengeher - ist, dass der Glaube "verdunstet" und mit ihm die "Kirche" von der Bildfläche verschwinden wird.
Wie es weitergeht kann ich nicht sagen und das steht mir auch nicht zu. Aber ich bin zutiefst überzeugt, dass "es" weitergeht! Aber damit stellt sich natürlich auch die Frage, wie müsste ein solcher Glaube aussehen, der nicht verdunstet?
Es müsste ein SUCHENDER GLAUBE sein. Der nicht in den Kinderschuhen (dem Glaubenswissen eines Jugendlichen) stehengeblieben ist, sondern der sich weiterentwickelt. Weiter entwickelt durch Fragen und Zweifel, durch Glaubenserfahrungen und religiöser Praxis; schließlich auch durch das Hinterfragen unserer so viel und heiß geliebten Traditionen. Sind sie (überhaupt) noch vom Glauben getragen oder religiös aufgemascherlte Folkloreriten. Natürlich müssen wir das Althergebrachte festhalten, aber nicht krampfhaft, sondern wir sind eingeladen in.
Ein BEFREIENDER GLAUBE orientiert sich an Jesus. Wie Er gelebt und geredet hat, wie Er mit seinen Mitmenschen umgegangen ist, durchaus hart aber fair, wenn es um "die Sache Gottes" ging, aber immer offen und hingewandt zu den meist abfällig betrachteten Randgruppen. Manche sagen mir, sie fühlen sich eingeengt von den permanenten Schuldbekenntnissen der Liturgie und durch die sündenbetonende Sprache in den Gottesdiensten. Sie wünschen sich eine einfache, begeisternde Sprache, eine die aufrecht(er) gehen lässt, die befreit und uns als mündige Menschen anspricht.
Ein ANSCHLUSSFÄHIGER oder AKTUELLER GLAUBE lässt sich ein auf Themen und Fragen, die heute und jetzt die Leute beschäftigen, er ist offen nach allen Richtungen hin - den Naturwissenschaften genauso wie der Literatur. Es geht um ein "Glaubens -Gespräch", um einen Dialog mit der heutigen Welt (ich wage hier das Wort des hl. Konzilpapstes Johannes XXIII. "Aggiornamento", "Verheutigung") und nicht um eine Verteidigung veralteter Strukturen, Argumente oder Positionen.
Schließlich braucht es einen ERZÄHLENDEN GLAUBEN. Wo wir einander sagen, was konkret uns leben lässt und hilft. Dass wir einander erzählen, wie gut und befreiend die Botschaft Jesu - auch heute noch (!) - ist. Gerade das ist nicht immer leicht und wir tun uns unglaublich schwer, über unseren Glauben zu sprechen, aber gerade "dieses Reden über Gott und meine Welt" mit meinen Mitmenschen ist und wäre so wichtig.
Mit diesen Glaubensformen und durch das ganz persönliche Leben aus dem Glauben leisten wir - Sie, Du und ich - unseren Beitrag, dass der Glaube auch heute nicht verdunstet. Und noch eines: Jesus sagte uns zu, dass ER bei uns ist, bis ans Ende der Zeit (vgl. Matthäus-Evangelium, Kapitel 28, Vers 20). Sein Wort gilt! Aber wir sollen Seine Zeugen und Mitarbeiter/Innen sein (vgl. Apostelgeschichte, Kapitel 1,Vers 8).
Also fangen wir an, einander und anderen zu erzählen, was Leben im Geiste Jesu für uns bedeutet.
Ihr Pfarrer Willi Ringhofer