Loretto
Loretto ist ein kleiner Ort mit großem Wallfahrtsbetrieb. Zehntausende Pilger strömen regelmäßig in die Gemeinde am Hang des Leithagebirges. Die Pfarre versucht Geistliches mit Weltlichem geschickt zu verbinden.
Bloß 483 Einwohner leben in Loretto. Doch regelmäßig „explodiert“ die kleine Gemeinde an großen Wallfahrtstagen. Heuer konnte coronabedingt das übliche Prozedere nur in sehr kleinem Rahmen vollzogen werden – doch in den Jahren davor kamen schon einmal 25.000 oder gar 40.000 Besucher an Maria Himmelfahrt in das burgenländische Pilger-Domizil. Neben den feierlichen Gottesdiensten in der 1997 zur Basilika erhobenen Pfarr- und Wallfahrtskirche tummelten sich die tausenden Besucher auf dem riesigen Jahrmarkt zwischen Kleidung, Geschirr, Bettwäsche und Riesenschaumrollen. 200.000 Pilger kommen pro Jahr in die kleine burgenländische Gemeinde. Das Wallfahrtsspektrum ist breit gefächert – Polizisten-, Kroaten- und Kinderwallfahrten werden hier groß begangen.
Eingefrorene Geschichte
Der Wallfahrtsort hat aber auch abseits von picksüßem Kirtags-Brimborium einiges zu bieten. So wurde vor vier Jahren im Altar der Gnadenkapelle eine 300 Jahre alte Marienstatue entdeckt, die während der Türkenkriege 1683 geschändet wurde. Der Statue wurde das Haupt und das Jesukind abgeschlagen. Auf Sand gebettet lag sie unter der steinernen Altarplatte und war vor Witterungseinflüssen geschützt. Dieser Umstand machte sie für Kunsthistoriker besonders wertvoll, da sie „einen eingefrorenen Moment aus der Geschichte“ darstelle. Heute ist sie in einer Nische in jenem Altar, in dem sie gefunden wurde, „beigesetzt“ – gut sichtbar für Besucher.
Namensgebend für den Ort war das italienische Loreto. Dort wird in einem kleinen Gebäude die Gottesmutter verehrt, weil es als Wohnhaus der Jungfrau Maria gilt. Im italienischen Wallfahrtsort Loreto begann im 17. Jahrhundert auch die Geschichte des Klosters und des Ortes Loretto im Burgenland. Der Inhaber der Herrschaft Hornstein, Hans Rudolf von Stotzingen, hatte von einer Italienreise eine Kopie des Gnadenbildes von Loreto mitgebracht, die zunächst in seinem Schloss in Seibersdorf aufgestellt wurde. 1644 wurde diese nach Loretto übertragen, was den Zustrom der Wallfahrer auslöste. 1651 ließ der neue Grundherr, Graf Franz Nádásdy, den Grundstein zum Bau einer neuen Kirche und eines Klosters legen. Mehrmals hatte der Ort und das Gotteshaus zu leiden: Im Zuge der zweiten Türkenbelagerung Wiens gingen Kirche und Kloster in Flammen auf. Der neuerliche Wiederaufbau zog sich 20 Jahre hin – gefördert vom neuen Grundherrn Fürst Paul Esterházy. 1707 konnte die neue Kirche eingeweiht werden. In den folgenden Jahrzehnten erhielt sie ihr heutiges Antlitz – mit dem Kreuzgang um die Gnadenkapelle und der Zweiturmfassade. Seit 1964 betreuen die Oblaten der Jungfrau Mariens die Wallfahrtskirche. Auf der Mensa steht eine Kopie der „Schwarzen Muttergottes“ von Loreto. Das Jesukind hält die Weltkugel in der Hand, beide Figuren tragen eine Krone.
Sehr liebevoll wurden in den letzten Jahren immer wieder Kinderwallfahrten gestaltet – bei denen kindgerechte Gottesdienste stattfanden – und danach im großen Pfarrgarten zu Spielenachmittagen eingeladen wurde.
(aus dem martinus - Kirchenzeitung der Diözese Eisenstadt, Ausgabe vom 6. Dezember 2020)
Geschichte
So wie heute vielerorts Nachbildungen der Grotte von Lourdes oder Fatima-Kapellen stehen, stifteten früher reiche Pilger nach ihrer Rückkehr von Loreto in Italien in der Heimat Loreto-Kapellen. So auch der Freiherr Rudolf von Stotzingen, Grundherr der Herrschaft Hornstein, zu der das Gebiet im 17. Jahrhundert gehörte. Er ließ eine Kopie der Gnadenstatue anfertigen und stellte sie in seinem Schlosse Seibersdorf auf. Später ließ er an der Stelle, wo eine 1431 errichtete und 1529 von den Türken zerstörte Johanneskapelle gestanden hatte, eine neue Kapelle nach dem Vorbild der Loreto-Kapelle in der Wiener Augustinerkirche erbauen. Bald war sie das Ziel vieler Wallfahrer. Daher berief der Stifter für die Betreuung der Wallfahrer die Serviten nach Loretto und ließ für sie ein kleines Kloster errichten. 1651 ließ der neue Grundherr, Graf Franz Nadasdy, in Erfüllung eines Gelübdes nach seiner wunderbaren Heilung von einer schweren Krankheit, den Grundstein zum Bau einer neuen Kirche und eines Klosters legen. 1659 wurde der von Anton Riebler durchgeführte Bau abgeschlossen, die Loreto-Kapelle an ihren heutigen Platz übertragen und die Kirche geweiht. Auch im Jahre der zweiten Türkenbelagerung Wiens hatte der Ort schwer zu leiden. Kirche und Kloster gingen in Flammen auf. Der neuerliche Wiederaufbau zog sich 20 Jahre hin, wesentlich gefördert vom neuen Grundherrn Fürst Paul Esterhàzy. 1707 konnte schließlich die neue Kirche eingeweiht werden und erhielt in den folgenden Jahrzehnten bis 1740 ihr heutiges Aussehen mit dem Kreuzgang um die Gnadenkapelle und der Zweiturmfassade. 1781 fügte ein Brand, der fast die Hälfte des Marktes zerstörte, auch Kirche und Kloster schwere Schäden zu. Viel schwerer aber trafen den Wallfahrtsort die Auswirkungen des Josephinismus. 1787 mussten die Patres die Stätte ihres Wirkens verlassen. In den Franzosenkriegen diente das Kloster als Militärspital. 1806 bis 1860 war es gar das Zentralwolldepot des Fürsten Nikolaus Esterhàzy, der es aus dem Religionsfonds zurückgekauft hatte. Schon im 19. Jahrhundert blühte aber die Wallfahrt wieder auf und 1926 übernahmen wieder die Serviten die Seelsorge in Loretto. Sie blieben bis 1953. Seit 1964 haben die Oblaten der Jungfrau Mariens die Betreuung der Wallfahrtskirche inne, die das Renovierungswerk des vorherigen Pfarrers fortsetzten. Zuletzt wurden die Sakristei, die Klosterklausur und der Kreuzgang sowie die Außenfassade renoviert.
Äußeres
Auf dem Torbogen des Portals der Vorhofmauer steht eine steinerne Marienfigur. Dahinter erhebt sich die breite doppelgeschossige Doppelturmfassade mit Pilastergliederung. In einer Nische des Sprenggiebels steht eine hl. Barbara, in Nischen der Seitenachsen Steinfiguren der heiligen Könige Stephan und Ladislaus (unten) bzw. zweier Kirchenväter (oben). Über der mächtigen Front wirken die beiden Turmgeschosse mit niedrigen Zeltdächern regelrecht schmächtig, die originalen Zwiebelhelme fielen dem Brand von 1781 zum Opfer. Die seitlichen Nischen in den Türmen bergen Figuren der hl. Anna bzw. eines Servitenheiligen.
Innenraum
Die vier stichkappentonnengewölbten Joche des Schiffes öffnen sich seitlich in korbbogigen Arkaden zur Kapelle mit darüber liegenden niedrigen Emporen. Nur die Fenster nach Westen sind geöffnet, jene nach Osten sind blind. Im ersten nördlichen Joch erhebt sich auf Säulen über einem Kreuzgratgewölbe die dreiachsige Empore. Das kürzere Joch öffnet sich rechts in eine Seitenkapelle, links ins Oratorium. Die Stuckaturen im Schiff und in den Seitenkapellen stammen aus der ersten Bauperiode (um 1650 bis 1670) und werden der Carlone-Schule zugeschrieben. Der holzgeschnitzte Barockaltar im dreigeschossigen Aufbau steht frei im Sanctuarium, im Zentrum das von Doppelsäulen und Pilastern flankierte Altarbild der Immaculata, seitlich Figuren der heiligen Könige Stephan und Ladislaus. Die Wandgemälde in den Stuckrahmen der Kapellen stammen aus der Zeit der Neueinrichtung
(18. Jahrhundert) und stellen Szenen aus dem Leben der jeweiligen Kapellen-Heiligen dar. In der Kapelle unter dem NO-Turm steht der Allerheiligenaltar mit einem figurenreichen Bild, seitlichen Servitenheiligen und der Marienkrönung-Gruppe am Aufsatz. Auf der Mensa steht eine Kopie der „Schwarzen Muttergottes“ von Loreto. Der nächste Altar in südlicher Richtung ist dem hl. Philippus Benitius geweiht. Der Altar in der Stephan-Kapelle trägt ein Bild des hl. Königs von Ungarn mit seinem Sohn Emmerich. Die nächste Kapelle ist dem hl. Johannes Nepomuk geweiht. Am Altarbild sieht man den Heiligen beim Gang über das Wasser. Die erste Kapelle auf der rechten Seite ist den Pestpatronen Sebastian, Rochus, Rosalia und Benno geweiht. Am unteren Rand des Altarbildes sieht man eine topographische Darstellung der Schlösser Pottendorf und Seibersdorf sowie der Wallfahrtskirche Loretto und der Ruine Hornstein im damaligen Zustand. Daneben öffnet sich die Judas-Thaddäus-Kapelle. Als nächste betreten wir die Peregrini-Kapelle mit dem Altarbild des Heiligen mit verbundenem Fuß. Das Portal der Mater-dolorosa-Kapelle ziert das stuckierte Wappen der Familie Bucellini, darüber die Kaiserkrone. Auf dem Sockel des Stuckaltares steht eine polychrome Pietà zwischen den Heiligen Johannes und Magdalena. Bemerkenswert ist die Orgel von Johann Rath aus Ödenburg, laut Chronogramm und Wappen 1762 gestiftet. An der Westseite der Kirche schließt sich der im 18. Jahrhundert erbaute Kreuzgang an. Er umgibt die Gnadenkapelle mit der Nachbildung des sogenannten Hauses der hl. Maria von Loreto in Italien. Der kleine, tonnengewölbte Rechteckbau mit Dachreiter und Zwiebelhelm ist durch ein Holzgitter zweigeteilt. Vorne steht der Gnadenaltar mit Tabernakel und Leuchtern, hinten die sogenannte „Schwarze Kuchl“ mit dem Gnadenbild. Die Madonna wirkt fast byzantinisch streng. An der schlanken Figur fallen die überlangen, feinen Hände auf. Das Jesuskind auf der ausgestreckten Hand trägt die Weltkugel, beide Figuren tragen eine Krone.
aus „Bedeutende Wallfahrten, Kirchen und Kapellen“
Band II: Niederösterreich und Burgenland
Journal-Verlag