Tag des geweihten Lebens
Predigt von Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics zum Tag des Geweihten Lebens am 1. Februar 2023 im Dom zu Eisenstadt.
Liebe Ordensschwestern, Liebe Ordensbrüder,
Liebe Jubilarinnen und Jubilare,
Liebe Mitbrüder, Liebe Mitchristen!
Maria Lichtmess, der 2. Februar ist liturgisch nicht mehr der Abschluss des Weihnachtsfestkreises, seit 1997 halten wir diesen Festtag der Darstellung des Herrn als „Tag des geweihten Lebens“. Gemeint sind Ordenschristinnen und Ordenschristen, die Ihr Leben Gott weihen, die Nachfolge leben und der Berufung durch Christus eine Gestalt geben.
Ordensleute sind „Fleisch gewordenes Evangelium“ – auch heute, und trotz schwindender Mitgliederzahlen. Trotzdem aber bleibt ihr Fußabdruck unübersehbar, ihr Geist ist meist über Jahrhunderte lebendig und das, was sie gewagt haben und heute tun, ist in der Kirche und in der ganzen Gesellschaft unauslöschbar. Sie bleiben immer noch der Stachel im Fleisch der Kirche und eine Provokation für eine Welt, deren Egoismen und Gleichgültigkeiten nicht kleiner geworden sind. Eigentlich sind Ordensleute Provokateure der Liebe Gottes, seines Eingreifens in diese Welt, seiner Geschichte, die er mit uns Menschen immer noch schreibt, gerade dann, wenn ihn viele bereits arbeitslos machen oder in Pension schicken wollten. Wie aufmerksam, erfinderisch und abenteuerlich Gott seine Geschichte mit dieser Welt und in seiner Kirche verwirklicht, umsetzt und konkretisiert zeigt gerade die Vielfalt der Berufungen in der Ordensnachfolge und der Blick auf die Geschichte und das Ringen der einzelnen Gemeinschaften.
Dankbar denken wir an die Ursprünge und das Vergangene.
Jede Ordensgemeinschaft hat ihre je eigene unverwechselbare Herkunftsgeschichte mit den großen Gründergestalten, den unverwechselbaren Heiligen und mit ihren spezifischen Charismen. Alle Ordensgemeinschaften sind als Versuch einer konkreten Antwort auf die Nöte der Gesellschaft, der Kirche und der Welt entstanden: die Mönche und Nonnen mitten in einer zerrissenen und zerrütteten Welt, die Hospitalorden in der Sorge um die Kranken und Krüppel, die sich selbst überlasen waren, die Schulorden, die sich nicht damit abfinden konnten, dass Bildung und Erziehung nur das Privileg weniger Reicher und Auserwählter bleiben sollte, die Predigerorden, die nicht müde geworden sind, den geistig verrohten Menschen das aufrichtende Wort zu sagen – die Kanzeln waren Lehrstühle – die missionarischen Orden, die sich dafür aufrieben, den Menschen die Frohbotschaft zu bringen und sie nicht durch Drohbotschaften zu gängeln und sie in Armut und Abhängigkeit zu stürzen. Diese Arbeit ist nie fertig, auch heute nicht: Drogenabhängige und Süchtige aller Art, Sterbende, abgeschoben und alleingelassen, Neugeborene, ausgesetzt oder anonym weg gelegt, Frauen, geschunden, vergewaltigt und missbraucht, Obdachlose, Verarmte und Hungrige, die neuen Armen und Opfer unserer Wirtschaft und Gesellschaft – sie alle und viele mehr gehören in das Blickfeld, in die Obsorge der Ordensfrauen und Ordensmänner. Der Bogen ist ein weiter von Benedikt von Nursia, dem Vater des abendländischen Mönchtums bis zur Mutter Teresa, der Streetworkerin auf den Straßen des Todes, vom hl. Ignatius, dem hl. Alfons, dem hl. Dominikus, dem hl. Franziskus, dem hl. Johannes von Gott, der sel. Sr. Alphonsa Maria Eppinger bis zur ökumenischen Brüdergemeinschaft von Taize und den neuen Gemeinschaften in den Wüsten unserer Städte und unseres Lebens. Wer hört zu, tröstet und ermutigt? Wieder sind es oft die Ordensleute.
Dabei denke ich an Euch alle, auch an die Vinzentiner, die Kalasantiner, die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, an die Dienerinnen vom Kinde Jesu, an die Schwestern vom hl. Josef von Tarbes, an die Sisters of Charity, an die Schwestern der Jüngersuche, an die Oblaten der Jungfrau Maria, an die Missionare des hl. Franz von Sales, an die Säkularinstitute und päpstlichen Ritterorden, an alle, deren besondere Ordensberufung die Kirche unseres Burgenlandes prägt und an jene, die über Generationen Unvergessliches getan haben.
Johannes XXIII. hat, so wird erzählt, auf die Frage, wie viele Ordensgemeinschaften es gibt, geantwortet: Das weiß nicht einmal der liebe Gott! Mag sein, entscheidend aber ist, dass Sie als Ordenschristen aus dem Ursprung leben und aufmerksam dem Heute begegnen, es gestalten und die Menschen lieben.
Ordensleute müssen die Gegenwart leidenschaftlich lieben.
Viele Zeitgenossen verstehen die Lebensform von Ordenschristen schwer oder gar nicht. Ehelosigkeit, Armut, Gehorsam werden in einer konsumorientierten Gesellschaft mit einem großen Fragezeichen versehen. Das Single-Dasein, die oft freie spontane Lebensverwirklichung ist zur bestimmenden Konstante unserer Zeit geworden. Gut ist, was mir guttut und mich glücklich macht, lebenswert ist, wenn ich mich verwirklichen kann. Jedoch der Blick auf die Nächsten, auf die Menschen und auf Gott ist immer ein verantwortungsvoller und engt nicht ein. Wir leben heute in einer aufgeriebenen, taumelnden und fragmentierten Welt, in einer Welt mit vielen Fragzeichen und voller Umbrüche. Ordensleute gehen auf diese Welt zu, sie leben nicht in ihrer „heilen“ Welt hinter abgeschiedenen Klostermauern. Sie haben immer noch den Mut, die Menschen so zu sehen, wie sie sind und nicht wie sie sein sollten. Dieser Blick auf die Wunden, die Nöte, die Herausforderungen, die Geschundenen, auf das Gute und Bleibende kann und darf nicht durch Sozialanstrengungen, Strukturen oder Bezahlung allein ersetzt werden, er setzt Berufung voraus. Im Alltag auf Gottes Ruf hören, das ist und bleibt Eure große Aufgabe, liebe Schwestern und Brüder!
Viele Menschen merken erst dann, wenn sie fehlen, die Ordensschwestern und Ordensbrüder, wer und was uns wirklich fehlt. Ihr schreibt mit Eurem Leben und mit Eurem Einsatz Hoffnungsgeschichten, Ihr schaut dorthin, wo andere nicht hinsehen, Ihr lebt – in Bescheidenheit, oft auch in Selbstverleugnung und weit über das Pensionsalter hinaus, was es heißt, auf den Spuren Jesu zu bleiben, nicht moralisierend, sondern heilend, nicht hartherzig, sondern barmherzig. Und Ihr tragt wesentlich dazu bei, dass diese, unsere oft so verbeulte Kirche im Heute trotzdem ein vertrauensvoller Ort der Begegnung, der Ehrfurcht und der Achtsamkeit bleibt.
Ordensleute öffnen sich vertrauensvoll der Zukunft
Nicht wenige fragen sich: Wird es uns morgen noch geben, die Ordensleute, und was geschieht mit unseren Häusern und Instituten und wie können wir unseren Auftrag an neue Trägerschaften übergeben? In Österreich wirken derzeit 4500 Ordensleute mit über 450 Niederlassungen. Die Tätigkeitsfelder sind bunt und reich, die Altersstruktur allerdings wird immer höher und die Zahl der Schwestern und Brüder ist rückläufig. Aber – wir sind internationaler geworden, die Orden leben immer schon das, was wir mit Universalität und Katholizität der Kirche meinen. Das ist keine Notmaßnahme, sondern gelebte Pluralität, die jede Ordensgemeinschaft davor bewahrt, selbstgenügsam zu werden, sich zu verschließen, sich mit dem Althergebrachten, immer schon Gewohnten abzufinden und sich der Herausforderung der Zukunft zu verschließen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, woher immer Sie kommen, aus anderen europäischen Ländern, aus anderen Kontinenten oder aus unserem Burgenland – als Bischof dieser Diözese bin ich Euch dankbar! Wir brauchen Euch, ohne Euch würden wir verarmen! Euer Dienst, Euer Einsatz, Eure Lebensmuster und Eure Lebenserfahrungen, Eure kulturelle und religiöse Erfahrung, Euer Zeugnis, Eure Lebensgeschichten bleiben unersetzbar und wertvoll.
Es wäre ein großes Geschenk Gottes, wenn es noch mehr Gemeinschaften von Ordensschwestern und Ordensbrüdern in unserer Diözese geben könnte. Sie sind die Zellen der Gottesgegenwart und des kirchlichen Lebens in unserer postmodernen Gesellschaft mit ihrem vorherrschenden Individualismus.
Eine Kirche der Zukunft – davon bin ich fest überzeugt – wird immer auch eine Kirche jener sein, die ihr Leben Gott und den Menschen zur Verfügung stellen, sich verschenken, sich vergeuden, also eine Kirche, in der es die Ordensgemeinschaften gibt, wie auch immer.
Somit will sagen: Die Orden haben nicht nur eine Zukunft, sie sind die Zukunft der Kirche, auch der Gesellschaft.
Warum es uns Gott derzeit so schwer macht, kann ich nicht beantworten. Aber miteinander können wir Zukunft bauen und das Kommende vertrauensvoll gestalten.
Und schließlich:
Heute danke ich Gott für Eure Berufung.
Heute sage ich Euch allen hier im Dom und Euren Mitschwestern und Mitbrüdern, Euren Ordensgemeinschaften Dank für Euren Einsatz, für Euer gelebtes Evangelium, für Eure Geduld mit der Kirche, mit den Unzulänglichkeiten Eurer Gemeinschaft, mit den Veränderungen der Welt und mit den oft befremdenden Erwartungen der Menschen an Euch!
Ich danke ganz besonders allen Jubilarinnen und Jubilaren unter Euch – Ihr habt Euch für uns aufgerieben, seid in der Spur des Evangeliums geblieben und die Berufung hat Euch hellwach und junge gehalten!
Habt Mut, habt Vertrauen und lebt die Freude Eurer Nachfolge!
Wer glaubt, wer seinen Ruf annimmt und die Berufung lebt, ist nie allein!
Amen
Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt