Predigt zum 4. Fastensonntag in der Basilika Güssing
Lieber Bischof János mit den Pilgern aus der Diözese Szombathely!
Liebe Familie unseres seligen Ladislaus Batthyány!
Liebe Mitbrüder, Schwestern und Brüder in der Basilika Güssing und mit uns über ORF und ZDF verbunden in Österreich, Deutschland und Ungarn!
Schon im Alten Testament gibt sich Jahwe als Arzt seines Volkes zu erkennen. Im Neuen Testament der Heiligen Schrift begegnet uns Jesus als der, der die Menschen heilt. Die Wundererzählungen in den Evangelien reden von diesen heilsamen Begegnungen. Christus medicus – Christus, der Arzt, der Heiland, ein vertrautes Bild von Jesus im frühen Christentum. In Gottes Nähe können die Menschen aufleben.
Dieser Christus medicus, der Arzt begegnet uns im Evangelium des 4. Fastensonntags, die Heilung des Blinden. Der Evangelist erzählt nicht nur von der Blindheit des Bettlers, der sehend wird. Er spricht auch die Pharisäer an, die alles überblicken möchten, aber blind sind für Jesus und sein Wirken. Diese Blindheit ist unheilbar, sie bleibt verstockt. Wäre es nicht eine faszinierende Aufgabe, den Menschen das Sehen zu lehren, ihre Blindheit zu heilen?
Christus medicus – Jesus, der Arzt nimmt uns in seine Arztpraxis, in seine Sehschule mit, er lehrt: sehen mit den Augen Gottes! Das Eingeständnis der eigenen Blindheit ist ein erster guter Schritt.
Unsere Pfarrgemeinden und christlichen Gemeinschaften sind Ordinationen, in denen das Mitgehen mit Jesus eingeübt, seine heilende Nähe erfahrbar wird, auch in der Tischgemeinschaft mit ihm. Die Gottesdienste, Bibelgespräche, das theologische Nachdenken sind die Sprechstunden bei Jesus, dem Arzt. Alle, die sich am Gemeindeleben in Kirche und Gesellschaft beteiligen, sind die Sprechstundenhilfen dieses Arztes. Das Gebet, das Schweigen, Staunen und Fragen, das geistliche Leben sind die Hausbesuche dieses Arztes Jesus.
Ich erlebe: viele sitzen genervt im Wartezimmer dieses Arztes Jesus. Die Menschen sind müde, sie warten auf Heilung ihrer zerbrochenen Träume und begrabenen Hoffnungen. Sie möchten den Sinn ihres Lebens entdecken. Sie dürfen nicht übersehen werden! Wäre es nicht eine drängende Aufgabe der Kirche, den Menschen die Türen zu diesem Wartezimmer zu öffnen?
Der erste Selige unserer Diözese, der „Arzt der Armen“ Dr. Ladislaus Batthyány-Strattmann, der vor 20 Jahren seliggesprochen wurde, ging mit seiner Frau Maria Theresia, deren Seligsprechungsprozess wir heute gemeinsam mit der Diözese Szombathely eröffnen, in die Sehschule Jesu. Als Arzt hat er in seinen Patienten Christus gesehen, ihm ist er in den Kranken begegnet, er hat sie geheilt, aufreibend und selbstlos.
In Frankreich gibt es einen überlieferten Brauch. Am Ostermorgen gehen die Menschen zum Dorfbrunnen, um sich die Augen zu waschen. Ostern nimmt die Blindheit. Die Begegnung mit dem Auferstandenen schenkt einen neuen Blick.
Der selige Ladislaus und seine Frau Maria Theresia Coreth waren Sehende, sie haben die Augen Vieler geöffnet, auch für Gott. Was hindert uns, es ihnen ähnlich zu machen? Ihre Fürsprache könnte uns helfen.
Amen.
+Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt