Predigt zur Chrisammesse
27. März 2024 im Martinsdom zu Eisenstadt
Liebe Mitbrüder, Liebe Ordenschristen, Liebe Mitfeiernde, besonders liebe Ministrantinnen und Ministranten, die ihr heute mit uns, dem Presbyterium, dem Bischof, den Priestern und Diakonen unserer Diözese seid!
Wir feiern heute die Chrisammesse, bei der die heiligen Öle geweiht werden. Weltweit versammeln sich die Priester, Diakone, Ordensleute und Christen mit ihrem Bischof. Die Chrisammesse betrifft nicht nur uns im Dom, in der Bischofskirche, sie betrifft die ganze Diözese. Und alle Menschen und alle Generationen, denen die Sakramente geschenkt werden.
Ihr, liebe Ministrantinnen und Ministranten seid die Assistenten, wenn Sakramente gespendet und gefeiert werden, Ihr helft mit. Deshalb seid Ihr stellvertretend für viele Ministranten heute hier. Drei Öle werden geweiht, das Katechumenenöl, das Krankenöl und der Chrisam, das heiligste und göttlichste aller Öle.
Das Öl hat heilende Kraft, es wirkt Wunder. Nahezu in allen Religionen, seit der Antike, ist das Öl heilig. Die Olympioniken, die Ringer und Kämpfer, die Verwundeten, die Verletzten wurden mit Öl gesalbt. Das Öl ist das Ur-Medikament ohne chemischen Zusatz, und es wirkt. Kaiser, Könige, Priester und Propheten wurden und werden mit dem Öl gesalbt. Vielleicht erinnert sich jemand von Euch an die Krönungsfeier von King Charles im letzten Jahr: Tausende von Bildern sind über die Bildschirme geflimmert, nur die Salbung zum König mit heiligem Öl wurde ausgeblendet. Sie bleibt das Heiligste, ein nahezu intimer Akt zwischen dem, der erwählt – Gott – und dem Erwählten, der Mensch.
Die Sakramente, die im österlichen Heilsgeschehen Jesu Christi gründen, sind uns Glaubenden geschenkt. Sie werden nicht von der Kirche produziert. Sie sind keine fromme Beilage, ihre Feier ist keine fromme Andachtsübung. Sie brauchen die Offenheit des Menschen für die Begegnung mit Gott und sie möchten gelebt werden. Die Sakramente gibt es nicht im Abverkauf, sie sind auch nicht abhängig von unserer Reife. Gott handelt, er setzt Zeichen, er wirkt Wunder, er belebt das Leben. Gottes bleibendes Wort und Gottes wirksame Sakramente sind keine Nullbotschaft. Sie zeigen, dass die Welt immer noch in den Händen Gottes ist, der durch alle Krisen und Kriege hindurch einen neuen Anfang setzt. Bei der Feier der Sakramente, von der Taufe bis zur Krankensalbung, wird Gott wieder dorthin gerückt, wohin er gehört, in die Mitte unseres Lebens.
Liebe Freunde, eine Menschheit ohne Gott ist nichts anderes als die Hölle auf Erden. Ich bin überzeugt, Gott bringt immer noch mehr Intelligenz, mehr Weisheit, mehr Vernunft in diese Welt ein, als unsere künstliche Intelligenz es schaffen kann.
Es tut gut, auf diese drei Öle, die in dieser Feier geweiht werden, zu schauen:
1. Das Öl für die Kranken
Die Bibel ist voll von Heilungserzählungen. Wer Jesus begegnet, dem Heiland, wird heil: Der Blinde und die Ehebrecherin, die kranke Frau und der Gelähmte, die Frau am Jakobsbrunnen und Zachäus auf dem Baum, das tote Mädchen und der tote Freund Lazarus. Krankheit gehört zum Leben und Sterben ist Teil des Lebens, für uns Glaubende sogar das Tor zum Leben. Leid darf niemals verherrlicht, sondern muss gelindert und geheilt werden. Die Salbung der Kranken und die Wegzehrung der Sterbenden, die Aufmerksamkeit für das behinderte Leben müssen auch in Zukunft stärker sein als jede unbeschränkt individuelle Selbstbestimmung über Leben und Sterben. Ich danke den Pflegerinnen und Pflegern, den Sterbebegleitern und allen, die den Menschen in ihrer Gebrochenheit beistehen und die Menschenwürde zurückgeben.
2. Das Öl für die Katechumenen
Die Berufung aller, ein Kind Gottes zu sein ist wirklicher als die Diskussion, welches das richtige Tauf- oder Firmalter sein könnte. Es geht um die Kindschaft Gottes. Diese ist mehr als das heute gelebte Gesellschaftsideal einer Ich-AG der Arroganz, der emotionalen Kälte, der Entsolidarisierung und fehlender Empathie. Viele wissen nicht mehr um Gott und vielen Getauften ist auch Jesus Christus ein Fremdling geworden. Kindschaft Gottes hat nichts mit einer virtuellen Parallel-Welt zu tun, die die Menschen krank macht. Heute ist der Mensch oft gefangen in sich selbst, ein Gefangener des Netzes, er zappelt und verliert dabei den Realitätsbezug. Leben ist Begegnung, auch Gottesbegegnung, dazu braucht es die stärkende Kraft der Salbung.
Mit dem Katechumenenöl gehen wir behutsam den Menschen nach, die noch nicht von Gott oder nichts mehr von Gott wissen.
3. Der Chrisam
In der Taufe, bei der Firmung, bei der Priester- und Bischofsweihe wird das priesterliche, königliche und prophetische Öl, dieses duftende Öl genommen. Stirn, Brust und Hände werden gesalbt. Auch der Altar, die Gotteshäuser und die Glocken tragen die Spuren dieses heilenden Öles. Es ist das Öl der Freude, das Öl der Berufung und gibt Anteil am Leben Gottes. Es ist das Öl, das nach Leben riecht, es aber nie ranzig macht. Der Chrisam stärkt die Berufung, die in unterschiedlicher Weise uns allen geschenkt ist.
Ich bitte Euch hier im Dom, und darüber hinaus viele in unserem Land, mehr zu tun, mutig zu sein, vielleicht auch zu beten, damit geistliche Berufungen, Priester- und Ordensberufungen wachsen können. Und Euch, liebe Ministrantinnen und Ministranten möchte ich ganz ehrlich sagen: Diese Berufe sind faszinierend, viel besser als ihr Ruf. Die freche Frage, ob dieser Weg nicht auch Dein Weg sein könnte, solltet Ihr Euch wenigstens einmal im Leben gestellt haben. Mit Euch allen bete ich um geistliche Berufungen, vielleicht trifft der Ruf auch den Einen oder die Andere unter Euch. Heute danke ich allen Ministranten und Ministrantinnen in unseren Pfarren für diesen großen Dienst. Und mit Euch danke ich allen, die für das Heilige Verantwortung tragen.
Was uns heute geschenkt wird, ist etwas Großes: Die Kreativität des Heiligen Geistes und die Fürsorge Gottes für uns Menschen. Für lähmende Selbstbespiegelung der Kirche bleibt dabei kein Raum. Wo diese Öle an die Menschen weitergegeben, die Lebensspuren der Menschen und Gottes Spuren ernstgenommen werden, gehen wir als Kirche nicht an den Menschen vorbei, sondern auf sie zu. Das Prophetenwort muss auch von uns aufgeschlagen werden: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, dass ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze.“
Für dieses Zugehen, für jede kreative Aufmerksamkeit, für das heilende Tun in seinem Auftrag danke ich unseren Priestern und Diakonen und Ordensleuten. Das gemeinsame Unterwegssein mit den heiligen Ölen ermutigt uns, das Leben anzupacken. Die Luft wird uns dabei nicht ausgehen. Wenn wir die geweihten Öle in unsere Hände nehmen und ihre Bοtschaft in unseren Herzen tragen, ist die Seelsorge lauter und heilsam.
Amen.
Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt