Jubiläumsgottesdienst für Altbischof Paul Iby
Evangelium, Hirtendienst und Notebook-Computer - Festpredigt von Bischof Zsifkovics
Liebe Schwestern und Brüder hier im Dom, besonders die Gehörlosen, und alle jene, die über das Live-Streaming mit uns verbunden sind!
Lieber Jubilar Bischof Paul!
Das Kirchenjahr kennt viele Feste und Feiern. Doch nur selten gelingt es einem Kirchenmann, zu Lebzeiten ein ganzes Triduum auf sich zu vereinen. Lieber Bischof Paul, dadurch, dass wir heute das 25-Jahr-Jubiläum Deiner Bischofsweihe, Deinen 83. Geburtstag und Deinen Namenstag in einem feiern dürfen, hast Du im kirchlichen Kalender dem traditionellen Triduum pasquale, den drei heiligen Ostertagen, wahrlich noch ein speziell burgenländisches "Triduum episcopale" hinzugefügt.
Das Geschenk, das wir Dir als Diözese zu diesem besonderen Anlass gemacht haben, hast Du Dir, bodenständig wie Du bist, selbst ausgesucht. Es ist: ein Notebook-Computer, der Dich bei Deiner Arbeit unterstützen soll. Es ist ein Gerät, das gut zu Dir passt: es ist ein wie ein Buch aufklappbarer tragbarer Computer, wie er vor allem von Studierenden oder von Managern verwendet wird - kurz gesagt, ein Werkzeug für jemanden, der jung geblieben und gerne auf Achse ist!
Ich bin froh, dass Du Dir dieses Geschenk ausgesucht hast und nicht ich, weil man es mir als Eigennützigkeit hätte auslegen können. Denn dadurch, dass Du mich immer wieder im Falle von Terminkollisionen bei Firmungen und anderen Anlässen mit dankenswerter Bereitschaft vertrittst, kommt dieser Notebook-Computer nicht nur Deiner Mobilität zugute, sondern eigentlich auch mir und der ganzen Diözese. Was ich wirklich selbst ausgesucht habe, ist lediglich die passende Tasche zum Computer, die ich Dir später überreichen darf.
Liebe Schwestern und Brüder, im 21. Jahrhundert gehört die Technik ebenso zum Beruf des Priesters und Bischofs wie das Brevier. Und doch machen selbst modernste Geräte noch keinen Christen, keinen Priester und auch keinen Bischof aus. Christen brauchen - wie übrigens auch der Computer - ein konkretes Programm. Zu jeder Hardware gehört auch eine passende Software.
Beim Propheten Jesaja hörten wir in der 1. Lesung, was das Programm, was die Software von uns Christen ist: Es ist der Geist Gottes, der auf uns ruht durch Taufe und Firmung und der uns gesalbt und gesandt hat, die Frohe Botschaft zu verkünden. Dieser Geist Gottes, lieber Bischof Paul, ruht auf Dir in besonderer Weise durch die Weihe zum Diakon, zum Priester und vor genau 25 Jahren auch zum Bischof. Dieser Geist Gottes wird sichtbar in der Communio, der kirchlichen Gemeinschaft. Und Aufgabe des Bischofs ist es, - mit oder ohne Computer - für diese Communio Sorge zu tragen.
François Xavier Nguyen Van Thuan, ein großer Hirte unserer Zeit, führt uns in seinem berühmten Buch "Hoffnung, die uns trägt" drei Aspekte kirchlicher Gemeinschaft vor Augen, die im Blick auf die Urkirche auch für uns heute von Bedeutung sind:
- Die Kirche ist Gemeinschaft, weil sie Anschluss an die Apostel und ihre Lehre ist. Ohne diesen Anschluss ist umfassende Gemeinschaft mit Christus nicht möglich.
- Die Kirche ist Gemeinschaft, weil sie ein Abbild der Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist ist.
- Die Kirche ist Gemeinschaft, weil sie sich im konkreten Teilen von geistlichen und materiellen Gütern unter Geschwistern äußert.
Diese Sichtweise stammt nicht von irgendwem. Bischof Van Thuan erlebte den Fall Südvietnams 1975 als designierter Erzbischof von Saigon und wurde vom Terror-Regime des Vietcong dreizehn Jahre lang eingekerkert, bevor er 1988 in Rom Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden wurde und Papst Johannes Paul II. ihn im Jahr 2001 zum Kardinal erhob. Er starb 2002, wohl an den Spätfolgen der Behandlung im Gefängnis.
Diesem Bischof war es bestimmt, seine Salbung und Sendung unter den schrecklichsten Bedingungen unter Beweis zu stellen. Und es gelang ihm, uns Christen - besonders auch uns Hirten! - aus dem Foltergefängnis heraus die Botschaft der Freude und Hoffnung sowie der kirchlichen Gemeinschaft zu bezeugen. Bischof Van Thuan hatte in seiner Zelle keinen Computer, keine Schreibmaschine und keinen Bleistift. Er hatte nur das Evangelium (in Form einzelner Sätze, die er auswendig kannte), die Eucharistie (in Form von eingeschmuggelten Hostien und als Medizin getarntem Wein) und das Gebet. Seine größte Sorge war, wie er als Bischof mit seiner Diözese und der Kirche in Verbindung bleiben, wie er trotz Isolation die Communio, die kirchliche Gemeinschaft bewahren konnte.
Doch gerade in dieser Not erwies er sich als wahrer Hirte der kirchlichen Gemeinschaft! Er weidete - um es mit den Worten des 1. Petrusbriefes zu sagen - die ihm anvertraute Herde nicht nur freiwillig, ohne jede Gewinnsucht, sondern aus Neigung, nicht als Herrscher, sondern als Vorbild oder, wie es im heutigen Evangelium heißt, als Diener. Denn er war trotz Isolationshaft seiner Diözese nahe durch sein Gebet, durch die heimliche Feier der Eucharistie und durch die Aufopferung seiner Leiden, ohne die es keine kirchliche Gemeinschaft geben kann!
Christen, die in unserer heutigen Kirche die zentrale Bedeutung der Heiligen Schrift, des Sakraments und des Gebetes geringschätzen und als zu wenig attraktiv abtun, dürften sich nicht darüber im Klaren sein, was sie damit abtun: nämlich das Testament Jesu selbst, der gebetet, gelitten und sich für uns Menschen hingegeben hat. Keine noch so große Aktion und laute menschliche Wortspende wird jemals diese göttliche Blutspende am Kreuz ersetzen können! Das sollten wir nie vergessen! Hätte Christus nur Erfolg und Beifall bei den Menschen gesucht, dann hätte er an ihre niedrigen Instinkte und Bedürfnisse, vor allem wohl an ihre Geltungssuchtappelliert, er hätte jeden Widerspruch gegenüber herrschenden Meinungen vermieden - und wäre wahrscheinlich als alter Mann im Bett gestorben und nicht als 33-Jähriger am Kreuz.
An Bischöfen wie Van Thuan, die ihrer Herde Vorbild im Dienen, im Beten und in der Liebe zur kirchlichen Gemeinschaft sind, können wir alle uns aufrichten. Sein Schicksal und sein Zeugnis beschämen uns und geben uns Orientierung, wenn wir uns heute in Kirche und Gesellschaft in strukturellen Luxusthemen und personellen Debatten verirren und aufreiben.
Lieber Jubilar! Auch wenn wir als Bischöfe hier in Österreich nicht wie Van Thuan unseren Glauben unter allerhärtesten Bedingungen bezeugen müssen, wird doch auch von uns ein glaubwürdiges Bekenntnis verlangt. Auch wir brauchen den treuen Anschluss an die Apostel und ihre Lehre, die Teilhabe an der kirchlichen Gemeinschaft und die daraus hervorgehende geschwisterliche Gemeinschaft des Gebens, die vor allem die Armen und Notleidenden nicht vergisst. Das - als Bischof und Christen - in Freiheit, Wohlstand und Sattheit zu leben, ist wahrlich eine Herausforderung und eine eigene Form von Kreuz und Gefangenschaft.
Als Christen im Burgenland haben uns zwar unter anderem die historischen Erfahrungen mit unseren Nachbarn im Osten geholfen, den Wert des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft länger zu bewahren als anderswo in der westlichen Welt. Dennoch braucht es auch bei uns heute mehr denn je eine Wiederbelebung des Glaubens, der kirchlichen Gemeinschaft und des Hineinwirkens der Christen in die Gesellschaft. Dies war das große Anliegen von Stefan László, des ersten Bischofs unserer Diözese. Wir beide, lieber Bischof Paul, haben dies aus nächster Nähe miterlebt und die Geschicke dieser jungen Diözese aktiv mitgestaltet - als bischöfliche Sekretäre, als Ordinariatskanzler, in den verschiedensten diözesanen Funktionen; Du auch als Caritasdirektor, als Schulamtsleiter und als Generalvikar.
Der Eisenstädter Bischofshof war zwar nie der Vietcong, jeder Vergleich verbietet sich! - aber es hat auch hier Zeiten gegeben, in denen die starke Persönlichkeit eines Bischof László, der eben auch ein Kind seiner Zeit war, nicht immer leicht für seine Mitarbeiter zu ertragen gewesen ist. Auch Du, lieber Bischof Paul, hast nicht immer ein Honigschlecken gehabt unter der harten Hand Deines Vorgängers und hast unter so manchem Arbeitsauftrag, der sich wie eine Isolationshaft anfühlen musste, gelitten. Ich weiß es. Und Du hast trotzdem mit dem, was Dir geschenkt und möglich war, die Diözese als Bischof in eine neue Ära geführt.
Die Sorge um die Weitergabe des Glaubens, um die kirchliche Gemeinschaft und um das christliche Zeugnis in der Gesellschaft ist uns als Hirten eine gemeinsame - wenngleich jeder sie in einer anderen Zeit zu bewältigen hat. Wir alle stehen als Menschen im Kontext der Zeit, in die wir hineingeboren wurden. Wir erben - um im Computerjargon zu bleiben - die "Abstürze" und die "Updates" unserer Vorfahren gleichermaßen und sind aufgefordert, daraus das Beste zu machen.
Als Bischöfe übernehmen wir Altlasten von unseren Vorgängern und geben dafür neue Probleme an unsere Nachfolger weiter. Das ist ein natürlicher Umstand in einer sich ständig reformierenden Kirche, die zweitausend Jahre alt ist - ein Umstand, den wir aber niemals zur Spielwiese für innerkirchliche Spaltungsversuche machen dürfen, selbst wenn es noch so verführerisch im Hinblick auf das eigene Prestige erscheint! Alles ist nur geborgt, und erst wenn der oberste Hirt erscheint, wie der erste Petrusbrief sagt, werden wir wissen, ob wir wirklich wahre Hirten der uns anvertrauten Herde gewesen sind.
Doch auf eines dürfen wir als Christen immer vertrauen, weil es sich über unsere menschlichen Schwächen erhebt: Die Kraft und den Segen des Gebetes! Es ist die Kraft, die Bischof Van Thuan im Gefängnis kennen gelernt hat und von der Papst Johannes XXIII., der auch unsere Diözese errichtet hat, einmal an einen emeritierten Bischof geschrieben hat: "Jetzt hat sich Ihre Aufgabe in Bezug auf die Kirche gewandelt: Sie müssen für sie beten, und das ist nicht weniger wichtig als das Handeln."
Und so bitte ich Dich, lieber Jubilar, auch und vor allem um Dein inniges Gebet für unsere Diözese und unsere Kirche. Mögen Glaube, Hoffnung und Liebe, die drei Strophen jenes Liedes, das zu Deiner eigenen Berufung in Jugendjahren beigetragen hat und das wir anschließend singen werden, auch heute stets die entscheidende Triebkraft Deines Gebetes sein. Alle drei sind auch auf der Computertastatur Deines Notebooks zu finden:
- Wenn Du die Alt-Taste und die Ziffer 1 drückst, erscheint der Smiley - er soll uns alle daran erinnern, dass der Glaube uns Freude schenkt.
- Wenn Du die Alt-Taste und die Ziffer 15 drückst, dann erscheint die Sonne - sie symbolisiert das Licht der Hoffnung, das Dir immer scheinen möge, auch und gerade in dunklen Stunden.
- Und wenn Du die Alt-Taste und die Ziffer 3 drückst, erscheint ein
Herz - als Symbol der Liebe, die Du stets - getreu Deinem
bischöflichen Wahlspruch! - für Gott und für alle Menschen aufbringen mögest.
Jetzt weiß ich auch endlich, warum es auf der Tastatur des Computers eine Alt-Taste gibt - die ist wahrscheinlich für die Alt-Bischöfe gedacht.
Lieber Bischof Paul!
Wir gratulieren Dir zu Deinem Bischofs-Jubiläum, Deinem Geburtstag und Namenstag!
Wir danken Dir für Deinen Hirtendienst in unserer Diözese und für Dein Gebet!
Und wir erbitten Dir Gottes Segen, auf dass Du wie Paulus, Dein Namenspatron, und Martinus, unser Diözesanpatron, uns allen noch lange ein Segen bist!
Und um diese Predigt nicht in der Computersprache abzuschließen, sage ich jetzt statt Enter einfach Amen.