Großfrauentag im Maria Weinberg
Predigt von Bischof Ägidius J. Zsifkovics zum Großfrauentag am 15. August 2024 in Maria Weinberg.
Vom griechischen Dichter Simonides von Keos stammt das Sprichwort: „Wer wagt, gewinnt!“ Sprichwörter geben einen Rat oder drücken in kurzer Form eine Lebensweisheit aus.
„Wer wagt, gewinnt“ – das heutige Marienfest bestätigt dieses alte Sprichwort. Die Kirche lenkt mit diesem Fest den Blick auf Maria, die in ihrem Leben von Anfang an und später immer wieder von neuem das Wagnis mit Gott eingegangen ist. Denken wir an die Situationen, die uns in der Heiligen Schrift überliefert sind:Im Haus von Nazaret vertraut sie der unfassbaren Verheißung Gottes durch den Engel und geht mit ihrem JA das Wagnis der Berufung ein. Nach der Geburt Jesu wagt sie mit Josef die Flucht nach Ägypten. Im Hochzeitssaal von Kana sieht sie die Not der Brautleute und wagt es Jesus für sie um Hilfe zu bitten.Beim Kreuz auf Golgotha wagt sie mit Johannes zu stehen, wo den anderen Jüngern die Knie weich werden und sie davonlaufen.Im Abendmahlsaal wagt sie nach Jesu Tod und Auferstehung die Apostel hinter verschlossenen Türen zum Gebet zu versammeln. Maria wagt immer wieder in ihrem Leben und das heutige Fest ihrer Aufnahme in den Himmel bestätigt, dass sie schließlich auch gewinnt.
Wie sieht es mit dem Wagnis bei uns aus? Haben wir nicht oft Angst vor Neuem, Unbekanntem, Unsicheren, vor dem Wagnis? Gleichen wir nicht oft jener Frau, die sich beklagte beim Lotto nie zu gewinnen, aber die sich keinen Lottoschein gekauft und nie Lotto gespielt hat?
Mit dem heutigen Festtag ermutigt uns die Kirche auf Maria zu schauen u. wie sie immer wieder Neues zu wagen, um zu gewinnen. Wagnis bedeutet auch Mühe, Anstrengung, Risiko, Leid, Rückschläge. Wagnis ist keine „gmadi Wiesn“, aber die Zusage, wer wagt, gewinnt! Wo müssen wir heute im persönlichen u. familiären Leben, in Kirche u. Gesellschaft einen Neuanfang wagen? Die Lesungen und das Evangelium des heutigen Festes geben uns dazu 3 hilfreiche Hinweise.
Die Unterscheidung von Gut und Böse.In der 1. Lesung aus der Offenbarung sieht Johannes am Himmel ein bedrängendes Bild: der Kampf der Frau mit dem Drachen. Es ist ein Bild für den Kampf zwischen Gut und Böse, damals in der Bedrängnis der christlichen Gemeinden in Kleinasien, der bis heute andauert. Von Maria können wir in diesem Kampf Widerstandskraft, Ausdauer, Liebe zum Leben lernen sowie das Gute zu tun und Böses zu meiden. Ein Blick in unsere moderne Gesellschaft zeigt, dass dieser Kampf voll im Gang ist. Die Unterscheidung von Gut und Böse ist im Schwinden. Was früher als Gut gesehen wurde, scheint heute falsch zu sein und was früher als Böse galt, scheint heute richtig zu sein – und alles im Namen der Freiheit, des Fortschritts und der Gleichstellung, was noch von den Medien, kleinen Gruppen gefördert und unseren Kindern und Jugendlichen als normal und erstrebenswert eingeimpft wird. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier eine Minderheit der großen Mehrheit etwas aufzwingen möchte. Alles, was sich dem in den Weg stellt, wird als rückständig abgestempelt. Glaube und Kirche sind hier besondere Feindbilder, weil sie den Menschen zur Unterscheidung von Gut und Böse im biblischen Sinn führen wollen. Man schreckt nicht davor zurück Olympische Spiele, Kulturveranstaltungen wie die Wiener Festwochen und andere dafür zu missbrauchen. Eine traurige Freiheit, eine erbärmliche Kunst u. Kultur! Wenn Gott ausgeschaltet wird, es Gut und Böse nicht mehr gibt, dann ist es um unsere Zukunft nicht gut bestellt. Es braucht die Familien u. christlichen Gemeinden, wo die Unterscheidung von Gut und Böse gelernt und gelebt wird. (!) Wo Gott geleugnet, Gut und Böse negiert wird, da schreckt man vor nichts zurück, da herrschen Lüge, Verleumdung, Intrige, Gier, Rache.
Das Bekenntnis zu Jesus Christus. Paulus erinnert in der 2. Lesung die Korinther an den Grund ihres Glaubens: „Christus ist von den Toten auferweckt worden als Erster der Entschlafenen.“ Paulus erinnert damit uns Christen an das Bekenntnis zu Jesus Christus und an unseren Glauben an die Auferstehung.Maria ist das große Modell des christlichen Lebens, das große Vorbild an Mut zum Wagnis. Ihr Fest sagt: Es gibt ein Ziel, nicht nur ein Ende, nämlich den Himmel. Maria war nach Jesus die Erste, die in den Himmel aufgenommen wurde, aber nicht die Einzige. Auch Du u. Ich sind Kandidaten für den Himmel. Das Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel wurde kurz nach dem 2. Weltkrieg formuliert. Kritiker fragten damals: Hatte der Papst keine anderen Sorgen, als in diesen schwierigen Zeiten so etwas festzuschreiben? Der protestantische Psychiater C.G.Jung fand das Dogma tröstlich und stärkend. Denn was war damals mit dem Bild des Menschen geschehen? Der Mensch – entwürdigt, gefoltert, in KZs und anderswo umgebracht wie ein Stück Vieh. Der Mensch – vertrieben in die Fremde, heimatlos in der Welt, ohne eigenen Platz. Der Mensch – nur ein kleines Rad im Getriebe der Wirtschaft, ausgemustert, überflüssig geworden, ratlos u. ziellos. Es gibt wohl kein stärkeres Gegenbild dazu als die Aufnahme Mariens in den Himmel und damit auch die Aufnahme des Menschen, unsere Aufnahme in den Himmel. Der Mensch mit dem großen Ziel: mit der Hoffnung, dass unser Leben nicht mit dem Tod ausgelöscht wird. Mit all unseren Erfahrungen, Stärken und Schwächen, mit Haut und Haar, mit Leib und Seele sind wir aufgehoben bei Gott. Daran erinnern wir uns heute und das feiern wir heute, wenn wir uns zu Jesus Christus bekennen, auf Maria schauen und uns ihr wieder anvertrauen. Damit wir zum Glauben an Jesus kommen und uns diesen bewahren, braucht es das Gebet, den Sonntag, die Feier des Gottesdienstes und der Sakramente, die Familie und christliche Gemeinde. Pflegen wir dies wieder und tauschen wir es nicht leichtfertig gegen Banales ein!
Die Haltungen-Werte des Magnifikats im Alltag verwirklichen.Maria singt uns im heutigen Evangelium das schönste und zugleich provokanteste Lied, das Magnifikat. Darin besingt sie die wunderbare Größe Gottes und legt uns Haltungen und Werte ans Herz, die wir Christen im Alltag verwirklichen sollen, damit unsere Familien, Kirche u. Gesellschaft auch heute in turbulenten Zeiten eine Zukunft haben. Der erste u. wichtigste Wert im Magnifikat ist die Ehrfurcht vor Gott, die eine Gabe des Hl. Geistes ist. Wo diese schwindet, gibt es auch keine Ehrfurcht vor den Mitmenschen, keine Scham, keinen Anstand, keine Ethik u. Moral, da wird der Mensch dem Menschen zum Wolf. Christen haben Ehrfurcht vor Gott und vor einem jeden Menschen. Ein weiterer Wert im Magnifikat ist der Blick auf die Niedrigen und Kleinen und nicht auf die Mächtigen und Reichen mit ihrem Stolz und Hochmut. Wohin diese führen, erleben wir im Alltag – zum brutalen Konkurrenzkampf, Rücksichtslosigkeit, Neid, Verrohung und Spaltung. Christen haben immer die Kleinen im Blick und stehen ihnen bei. Ein besonderer Wert im Magnifikat ist der Blick auf die Hungernden. Heute gibt es nicht nur materiellen, sondern auch viel seelischen Hunger. Menschen haben keine Verwurzelung in Gott, finden keinen Halt in der Familie u. christl. Gemeinde, sehen keinen Sinn im Leben. Christen sind immer helfend auf der Seite der Armen u. Hungernden.
Maria zeigt uns u. bestätigt mit ihrem Leben: „Wer wagt, gewinnt!“ Mutter von Weinberg, wir sind heute zu dir gekommen, um auf dich zu schauen, Dich uns dir anzuvertrauen und dich zu bitten: Hilf uns im täglichen Leben zwischen Gut und Böse zu unterscheiden; hilf uns als Christen uns heute zu Jesus zu bekennen; hilf uns die Werte deines LiedesMagnifikats in Familie und Beruf, in Kirche und Gesellschaft zu verwirklichen. Denn im Blick auf die Säule hier in Deiner Wallfahrtskirche, zu der wir heute gepilgert sind, sehen wir in Dir auch unsere Zukunft und die Erfüllung des Sprichwortes: „Wer wagt, gewinnt!“ Mutter von Weinberg, hilf uns zu wagen, damit auch wir gewinnen!
Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt