Allerheiligen
Predigt von Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics zum Allerheiligenfest am 1. November 2024 im Martinsdom.
Sie kommen gerade aus der Kirche und da stellt sich Ihnen jemand überraschend in den Weg mit der Frage: Wollen Sie heilig werden? Wie reagieren Sie? Belustigt? Abwehrend, ein „Um Gottes willen, nein! Nachdenklich? Bevor Sie eine Antwort auf diese Frage geben, möchte ich in dieser Predigt mit Ihnen 3 Fragen überlegen.
Braucht unsere Welt überhaupt Heilige?
Für viele unter uns ist der „heilige Mensch“ ein Relikt aus längst vergangenen, besseren Zeiten: Da war die Welt noch in Ordnung, weil die Menschen noch mit ihrem Gott einig waren. Dieses Bild von der Heiligkeit ist aber falsch. Wir brauchen für jede Zeit Menschen, die aus ihrem Glauben wissen, wo es langgehen muss, und die für uns alle beispielhaft leben. Gott braucht Menschen, die dem Tag vorauslaufen, um ihn anzumelden. Es gibt – Gott sei Dank – diese Menschen auch in unseren Tagen. Sie übersetzen das Evangelium Jesu – die gehörten Seligpreisungen – in unsere Zeit. Sie sind sichtbare Zeichen für ein Leben, wie Gott es will. Sie sind Beispiele für ein geglücktes Leben, auch wenn es zunächst gar nicht danach aussieht.
Was können Heilige uns zeigen?
Die bekannten und weit mehr noch die unbekannten Heiligen unter uns, sagen: Es gibt viele Möglichkeiten und Wege, zu Gott zu finden. Aber sie haben eines gemeinsam. Sie führen nur über Menschen zu Gott. Es müssen nicht ausgefahrene Straßen mit frommen Heiligengeschichten sein. Es können ganz neue Wege sein, die oft erst am Ende als gelungen erkannt werden und oft auch gegen Widerstände gegangen werden mussten. Nicht jeder oder jede von uns kann ein Martin von Tours, Maximilian Kolbe, eine Mutter Teresa sein. Auf den neuen Wegen werden auch Fehler gemacht, das ist die tröstliche Seite der Heiligengeschichten, die oft gerne unterschlagen wurden. Auch jene, die durch die Kirche als Heilige bestätigt wurden, haben versagt und enttäuscht, mussten von vorne anfangen, haben es trotz allem immer wieder von neuem gewagt, sind ans Ziel gelangt.
Wie sehen Heilige eigentlich aus?
Es wäre zu schön, wenn wir ein Raster zur Hand hätten, das wir nur über die Menschen legen müssten, um dann festzustellen: Der oder die ist ein heiligmäßiger Mensch. Heilige leben meist unerkannt mitten unter uns, oft werden sie verkannt, missverstanden, alleine gelassen und abgelehnt. Heilige fühlen sich manchmal sogar von Gott verlassen, weil sie auf sich und das Wort Gottes gestellt sind, das sie getroffen hat. Trotz Schwierigkeiten suchen sie den Weg zu gehen, den ihnen das Gewissen vorgibt. Sie gehen diesen Weg mit Mut und Phantasie, bleiben zu ihrer Umgebung offen. Sie erheben die Stimme gegen das Unrecht u. lassen nicht zu, dass ihre Überzeugung gekauft oder manipuliert wird. Heilige sind deswegen immer unbequem und für Überraschungen gut. Sie schielen nicht nach Ehre, Anerkennung, sondern sie bleiben ganz normale Menschen. Papst Franziskus sagt, es gibt die Heiligen „von nebenan“: „In den Eltern, die ihre Kinder mit so viel Liebe erziehen, in den Männern und Frauen, die arbeiten, um das tägliche Brot nach Hause zu bringen, in den Kranken, in den älteren Ordensfrauen, die weiter lächeln. Oft ist das die Heiligkeit „von nebenan“, derer, die in unserer Nähe wohnen und die ein Widerschein der Gegenwart Gottes sind.“ Heilige sind Menschen, die mit ihrem Leben zeigen, dass Gott lebt.
Wollen Sie nicht doch auch heilig werden? In Taufe und Firmung hat Gott uns alle zur Heiligkeit berufen und uns die Gnade geschenkt wie den vielen Heiligen, die wir heute feiern, im Blick auf die Seligpreisungen Jesus heute nachzufolgen und für ihn Zeugnis abzulegen. Unsere Welt braucht Heilige, auch Dich und mich!