Hirtenbrief zum Martinsfest 2024
Der Hirtenbrief wird am Sonntag, 10. November 2024 bei den Messen und Gottesdiensten, am Martinitag, 11. November oder um den Feiertag in allen Pfarren, Filialgemeinden und Klosterkirchen des Burgenlandes verlesen.
Liebe Schwestern und Brüder,
Liebe Diözesanfamilie!
Vor wenigen Tagen ist eine burgenländische Pilgergruppe von der Diözesanwallfahrt zum heiligen Martin von Tours heimgekehrt. An seinem Grab haben wir für unser Land, für unsere Diözese, für unsere Gemeinden und Pfarren und für den Frieden gebetet. Ihm haben wir alle anvertraut: Kinder und junge Menschen, Alte, Kranke, Einsame und Sterbende, Verzweifelte und Müde, Arbeitende, Arbeitsuchende und die Menschen, die vor uns gelebt haben. Auch die Politiker, die Verantwortungsträger, die Ärzte und Pflegenden, die Pädagogen, alle, die ihren unverzichtbaren und unauffälligen Einsatz tun, und die vielen Ehrenamtlichen. Vor 100 Jahren wurde der hl. Martin auf Bitten der Burgenländischen Landesregierung zum Landespatron ernannt, 1960 wurde er unser Diözesanpatron.
Der Auftrag des heiligen Martin, heute, für uns?
Am Martinitag, dem 11. November, möchte ich eine kirchliche Gemeinschaft ins Leben rufen: Die FAMILIE DES HEILIGEN MARTIN. Landeshauptmann und Landtagspräsident werden die Schirmherrschaft übernehmen. Diese Zusage ist eine Frucht des Jubiläums-Jahres: „Hl. Martin – 100 Jahre Landespatron“. Die Martinsfamilie ist kein Orden, kein Verein, keine kirchliche Splittergruppe, sondern eine Gemeinschaft aller Menschen guten Willens als Zeugen des heiligen Martin, im Einsatz für Gesellschaft und Kirche.
1. Die Verehrung des heiligen Martin beleben – SPIRITUALITÄT
Es gibt im Burgenland zahlreiche Martins-Pfarren, auch die Bischofskirche ist dem hl. Martin geweiht. Es gibt Martinsdarstellungen, der Taufname „Martin“ ist beliebt, Martins-Pilgerwege queren unser Land. Es gibt viele Martins-Bräuche. Wir berufen uns gerne auf den Heiligen, wenn wir eine gute Tat setzen. Es gibt Bücher über den Heiligen, Legenden und Erzählungen. Der 11. November ist Landesfeiertag und wird es auch weiterhin bleiben. Ob wir diesen großen Heiligen wirklich kennen und verstehen, möchte ich bezweifeln. Der Versuch, jeweils am 11. des Monats in einer unserer burgenländischen Pfarren einen Martinstag zu halten, ist uns bisher wenig gelungen.
Deshalb sollte diese Martins – Familie zuerst eine Gemeinschaft der Beter sein. Die Verehrung des hl. Martin will belebt werden, er muss Fuß fassen. Er ist kein verstaubter Heiliger, der vor 1700 Jahren in unserer Gegend geboren wurde und gewirkt hat. Er bleibt ein „moderner“ Heiliger, einer, der uns auch heute viel zu sagen hat: Der Soldat, der Mönch, der Bischof, der europäische Heilige, der Missionar, der Zeuge für Christus, der Freund der Menschen, besonders der Notleidenden und Armen. Sein Leben war Evangelium, eine Frohe Botschaft, er hat sich dem Anspruch Christi gestellt und ist zum Diener aller geworden.
„Heiliger Martin, hilf uns, liebende Menschen zu werden und so Christus zu
finden.“
2. Gemeinsam auf dem Weg sein – SYNODALITÄT
Martin war kein Sonderling. Er lebte Kirche und liebte sie, sein Wort hatte Kraft, sein Tun war überzeugend. Mit Zustimmung der Menschen wurde er Bischof, der er nie werden wollte. Er erkannte die Irrlehren in der Kirche, entlarvte den Teufel und sein Machwerk, er sah die Missstände seiner Zeit und stellte sich gegen das widerliche Handeln der Regierenden und des Klerus. Er wirkte Wunder, gründete Gemeinschaften und Klöster. Sein Leben bleibt aufregend. Vieles in seiner Zeit gleicht unserer Zeit.
Eine Kirche, die sich auf sich selbst zurückzieht, ist nicht die Kirche Christi, sie gleicht einer Sekte. Die Kirche muss sich dreckig machen. Sie muss zum Leben vom Werden bis zum Sterben ermutigen, versöhnen und Frieden stiften. Sie muss mutig sein, auch widersprechen, dabei aber weitherzig bleiben, denn Leben ist mehr als Vorschriften und Pflicht. Kirche, das sind die Menschen: Ihre Lebensentwürfe, ihre Arbeit, die gerechte Entlohnung, die Pension, die Ehrfurcht vor den Alten. Gesundheit, Krankheit, Pflege, Wissenschaft und Schulen, die Zukunftspläne der Jungen, der Umgang miteinander, das politische Tun, alles, was Leben ausmacht, sind auch Herausforderungen für die Kirche. Sie muss eine Kirche für die Menschen sein, einladend und offen. Und sie muss ein Wegweiser zu Gott sein. Papst Franziskus plädierte zum Abschluss der Weltsynode: „Nicht eine sitzende Kirche, sondern eine stehende Kirche. Keine stille, blinde oder statische Kirche, sondern eine missionarische, die mit dem Herrn auf den Straßen der Welt unterwegs ist.“
„Heiliger Martin, hilf uns, dass wir nicht den Beifall der herrschenden Meinungen suchen, sondern furchtlos und mit Freude der Wahrheit dienen.“
3. Solidarisch leben und handeln – SOLIDARITÄT
Ich lade Sie ein, sich unserer Martins – Familie anzuschließen. Diese meint alle Generationen, alle Berufe, alle, die ehrenamtlich ihren Einsatz tun. Niemand darf ausgeschlossen werden. Diese Gemeinschaft appelliert an das Gute im Menschen. Es geht um Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Ehrfurcht, Mut, Empathie, Freude und darum, dass wir einander die Hände reichen und füreinander das Herz öffnen. Leider haben wir das Leben vielfach verlernt, nicht wenige leben auf Kosten anderer. Die Entfremdung voneinander hat heute oft bedenkliche Formen angenommen.
Kranken- und Spitalsbesuche, das Mittragen in Altenheimen und Pflegestützpunkten, Kinderbetreuung, das aufrichtende Wort, das Gespräch über den Zaun und nicht über die Menschen, die Sorge für sie, die Mitverantwortung für Ort, Gesellschaft, Land und Kirche, das Teilen mit den Ärmeren und vieles mehr, sollten auch in Zukunft möglich sein. Nicht alles kann mit Geld geregelt werden.
Es wird in dieser Gemeinschaft regionale Verantwortliche geben, das Wiederentdecken des monatlichen Martinstages, rege Treffen, ein gutes Miteinander und das Risiko, verletzt zu werden. Wer das eigene Leben riskiert, hat keine Angst vor Wunden. Nach außen hin werden die Mitglieder der Martins – Familie ein Zeichen tragen. Sie soll offen sein für alle in unserem Land, für die Burgenländerinnen und Burgenländer anderswo, für unsere Nachbarn in den angrenzenden Ländern Slowakei, Ungarn und Slowenien, die mit uns durch den heiligen Martin verbunden sind.
„Heiliger Martin, schütze unser Land, das auch deine Heimat gewesen ist, damit es ein Land des Glaubens, des Friedens und der Freiheit bleibe.“
Machen wir uns miteinander auf den Weg und handeln wir in seinem Auftrag. So gehen wir in eine gute, lebenswerte Zukunft, deren Baumeister wir sind.
Gott segne Euch alle! Der heilige Martin sei Euch ein guter und treuer Wegbegleiter und Fürsprecher!
Euer Bischof Ägidius