Chrisam-Messe im Martinsdom
Bei der diesjährigen Fastenmeditation für Priester und Diakone seiner Diözese am Beginn der Fastenzeit in der römischen Lateranbasilika thematisierte Papst Franziskus den Priesteralltag. Er ging dabei auf 3 Lebensabschnitte von Priestern ein und gab dazu einige konkrete Ratschläge und Empfehlungen.
Ich möchte an dieser Stelle die Gedanken des Papstes aufnehmen und lasse seine Ratschläge und Empfehlungen zu uns Priestern, Diakonen und Ordensleuten in der Diözese Eisenstadt sprechen. Die Entwicklungsstufen
geistlichen Lebens, die Papst Franziskus erwähnt, gelten ja auch für uns
und sind es wert, angeschaut zu werden.
Der erste Lebensabschnitt ist die Zeit der jungen Priester.
Geistliches Leben befindet sich hier noch in seiner Jugend. Papst Franziskus vergleicht junge Geistliche mit frisch verliebten, dynamischen, unverbrauchten, aber auch noch unerfahrenen Menschen. Er rät ihnen daher, sie mögen sich einen älteren und weisen Lehrmeister und Berater suchen. Dabei betont er sehr, dass zölibatäres Leben gerade nicht bedeutet, beziehungslos und alleine oder gar vereinsamt zu leben. Vielmehr sollten gerade zölibatär Lebende sich immer wieder aktiv mit anderen Menschen auseinandersetzen und aus einem lebendigen Dialog heraus sich selbst immer wieder überprüfen und hinterfragen.
Die Chrisam-Messe mit der Erneuerung des Weiheversprechens in der heiligen Woche ist jedes Jahr eine gute Gelegenheit, uns zu fragen, wie es um unsere erste Liebe zu Jesus und seiner Kirche bestellt ist:
- Ist sie noch da, oder ist sie schon verblasst und erkaltet? Leitet mich noch die Leidenschaft der ersten Liebe in meinem Dienst, oder bin ich bereits ideenlos, müde, gleichgültig, lau geworden?
- Habe ich einen älteren Lehrmeister und weisen Berater – sprich geistlichen Begleiter und Beichtvater –, oder genüge ich mir selbst und lasse ich mir ohnehin von niemandem was sagen?
- Lebe ich in gesunden menschlichen Beziehungen zu meinen Mitbrüdern, Mitschwestern und Mitarbeitern, oder lebe ich in der Isolationshaft der Beziehungslosigkeit oder stehe gar in schlampigen, fragwürdigen Beziehungen, die Grund zum Gerede und Ärgernis sind?
Der zweite Lebensabschnitt ist die Zeit der Priester im mittleren Alter.
Papst Franziskus sieht Geistliche an der Lebenswende so manchen Glaubensprüfungen ausgesetzt. Die Verliebtheit der Jugend, der Enthusiasmus im Glauben kann bei vielen im Schwinden begriffen sein. Midlife-Crisis und geistliches Ausgebranntsein in all seinen Formen können sich dazugesellen. In dieser Phase empfiehlt der Papst besonders nachdrücklich das Gebet und die geistliche Begleitung. Als älterer, durch eigene Erfahrung weise gewordener Priester und Bischof, der selbst Krisen durchlebt hat, weiß er, wovon er spricht. Und als ausgebildeter Jesuit rät er uns, den vielfältigen Versuchungen direkt ins Auge zu sehen und gerade in der Krise nicht nachzugeben im eingeschlagenen Weg der Nachfolge Jesu. Und: In dieser Phase, so rät der Papst weiters, sollte man sich auch bereits erste Gedanken über den am Lebenshorizont auftauchenden Ruhestand machen und sich darauf innerlich Schritt für Schritt vorbereiten. Das bedeutet allerdings nicht, in geistige und geistliche Leichenstarre zu verfallen. Vielmehr werden dadurch viele eingefahrene Dinge und auch
überzogene Vorstellungen von der eigenen Wichtigkeit relativiert, es nimmt Druck von einem und macht den Weg frei für wichtige neue Kreativität im zweiten Lebensabschnitt.
Die Chrisam-Messe mit dem Weiheversprechen ist jedes Jahr eine gute Gelegenheit, uns zu fragen, wie es uns in der Mitte des Lebens und Arbeitens im Weinberg des Herrn geht:
- Trägt uns noch die Verliebtheit der Jugend und der Enthusiasmus im Glauben, oder umarmt uns eher die Krise?
- Bin ich trotz der Umwälzungen und Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft, trotz der Veränderungen, Rückschläge und Rückgänge in vielen Bereichen frustriert und resigniert - oder habe ich noch das Vertrauen in mir, dass Gottes Geist durch Taufe, Firmung und Weihe auf mir ruht; dass ich von ihm gesalbt und gesandt bin, den Armen heute eine gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen?
- Schaue ich den Versuchungen klar ins Auge, oder habe ich mich selbst
aufgegeben? Ist mein Gebetsleben so, dass mein Dienst daraus erwächst und ich auch anderen geistlicher Begleiter sein kann, oder habe ich mich zum kühlen Bürokraten, brutalen Manager oder kleinkarierten Liturgen degradiert? Bin ich frei genug, loszulassen, an die Begrenztheit meines eigenen Lebens zu denken, mich zu relativieren und auf den Ruhestand vorzubereiten - oder möchte ich von all dem nichts hören?
Der dritte Lebensabschnitt betrifft die Priester unter uns, die bereits
fest in der zweiten Lebenshälfte stehen.
Papst Franziskus betont, dass sie für die Kirche äußerst wertvoll sind und viel Segensreiches beitragen können. Sie haben reiche Erfahrung, sind oft weise Berater und, wenn sie sich selbst loslassen können, gute Zuhörer. Sie sind besonders für die Beichte und die seelsorgliche Begleitung prädestiniert, wo sie Menschen in ihren Sorgen, Leiden und Schmerzen zuhören, Mitleid zeigen, Trost spenden. Der Papst ermutigt gerade die älteren Priester zum Dialog mit den jüngeren, die sie in jeder Hinsicht unterstützen sollen.
Die Chrisam-Messe mit dem Weiheversprechen ist jedes Jahr eine gute Gelegenheit, uns zu fragen, wie stark wir älteren Priester in uns auch jene
Eigenschaften tragen, von denen Papst Franziskus spricht:
- Bringen wir unsere reiche Erfahrung in die konkrete Gemeinde, in den Pfarrverband und Seelsorgeraum, ins Dekanat und in das Presbyterium unserer Diözese ein - oder ziehen wir uns als Einzelkämpfer zurück in unsere kleine Welt, wo ich mir selber Nächster, Mitbruder, Dechant, Bischof und Papst in einem bin?
- Pflege ich den Dialog mit den jüngeren Priestern und unterstütze ich sie mit meiner reichen Erfahrung und konkreten Hilfe, oder sind sie mir total egal? Begleiten wir die uns anvertrauten Menschen seelsorglich als weise Berater, gute Zuhörer, verständnisvolle geistliche Begleiter und Beichtväter - oder sind wir unter der Woche unsichtbar und unerreichbar und am Sonntag bei der Predigt unbegreiflich?
- Bemühen wir uns in der Seelsorge darum, was uns Papst Franziskus in Amoris laetitia so ans Herz legt, nämlich die realen Situationen der Menschen zu sehen, zu begleiten, zu unterscheiden und zu integrieren, sie in die kirchliche Gemeinschaft einzugliedern?
Papst Franziskus hat die Priester und Diakone seiner Diözese ganz konkret
angesprochen, ihnen einen väterlichen Rat gegeben und sie eingeladen, ihr Priestersein in allen Lebensabschnitten zu reflektieren. Als Bischof darf ich den Priestern, Diakonen und Ordensleuten unserer Diözese sowie jenen, die in unserer Diözese wirken, gerade bei der heutigen Chrisam-Messe danken für Euren großen Einsatz und treuen Dienst! Gleichzeitig ermutige ich Euch mit mir gemeinsam die väterlichen und liebevollen Ratschläge und Empfehlungen von Papst Franziskus zu überdenken, anzunehmen und, wenn nötig, im eigenen Leben auch entsprechende Korrekturen vorzunehmen. So wird die Erneuerung unseres Weiheversprechens auch wirklich fruchtbar für uns und die uns Anvertrauten!
Beten wir in dieser Feier um neue geistliche Berufungen für unsere Diözese, die wir so dringend brauchen! Unser glaubwürdiges Beispiel ist die beste Werbung für neue Berufungen! Vergessen wir nicht, egal in welchem Lebensabschnitt wir als Priester, Diakone und Ordensleute auch sind, dass Gottes Geist auf uns ruht, dass er uns gesalbt hat und dass er uns heute wieder zu den Menschen sendet mit dem Evangelium und den heiligen Ölen in Händen!
Gehen wir mit viel Liebe, Leidenschaft und Enthusiasmus, vor allem aber mit großer Aufmerksamkeit, Demut und Geduld auf die uns anvertrauten Menschen zu! Amen.