Priesterweihe von P. Matthias Gabriel COp
Vom Apostel Paulus kennen wir den Satz: "Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark." (2 Kor 12,10) Paulus bezeugt der Gemeinde von Korinth aus seiner Erfahrung mit Jesus, dass sich gerade in der menschlichen Schwachheit die Kraft Christi zeigt und er gibt ihnen das im 2. Korintherbrief auch schriftlich. Von diesem Apostelwort angeregt und in Kenntnis der Person unseres Weihekandidaten, möchte ich in dieser Predigt anlässlich der Priesterweihe von P. Matthias Gabriel am Fest des hl. Apostels Paulus über die Schwächen Jesu reden.
Der bekannte vietnamesische Kardinal Van Thuan, der 13 Jahre in Umerziehungslagern der kommunistischen Vietcong inhaftiert war, kommt mir dabei zur Hilfe. In seinen Exerzitien für Papst Johannes Paul II. und die römische Kurie im Jahr 2000 sagt er: "Ich habe allesverlassen, um Jesus nachzufolgen, weil ich seine Schwächen liebe." Nicht nur der Apostel Paulus und Kardinal Van Thuan, sondern auch unser Neupriester P. Matthias haben alles verlassen und sind Jesus nachgefolgt und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sie gerade in ihren menschlichen Schwächen die Kraft Jesu Christi gespürt haben.
Im Exerzitienbuch mit dem Titel "Hoffnung, die uns trägt", spricht Kardinal Van Thuan von mehreren Schwächen Jesu. Am Beginn des priesterlichen Dienstes von P. Matthias möchte ich an 3 Schwächen Jesue rinnern und sie unserem Neupriester und uns ans Herz legen.
Erste Schwäche: Jesus hat kein gutes Gedächtnis.
In den Evangelien finden wir viele Stellen und Berichte, die uns vor Augen führen, dass Jesus kein gutes Gedächtnis hat. Etwaam Kreuz, während seines Todeskampfes, hörte Jesus die Stimme des rechten Schächers: "Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst." Wir hätten ihm wohl geantwortet: "Ich werde dich nicht vergessen, aber deine Verbrechen müssen gesühnt werden.“ Jesus aber antwortet: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." Jesus vergisst und vergibt alle Sünden dieses Mannes. Ähnliches geschah mit der Sünderin, die Jesus mit wohlriechendem Öl die Füße salbte. Er verurteilt sie nicht, sondern vergibt ihr einfach. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt uns dasselbe – ehe der Sohn noch sein Versagen aussprechen kann, hat der Vater schon alles vergessen und verziehen. Er läuft ihm entgegen, umarmt ihn, lässt ihm keine Zeit, seine Entschuldigung auszusprechen, sondern lässt ihn neu einkleiden, einen Ring anstecken und Schuhe anziehen, das Mastkalb schlachten und ein fröhliches Fest feiern. Jesus hat nicht ein Gedächtnis wie wir Menschen. Wir sagen gerne: Verzeihen kann ich schon, aber vergessen nicht! Jesus verzeiht nicht nur, sondern er vergisst sogar, dass er verziehen hat! Lieber P. Matthias, begegne den Dir anvertrauten Menschen in der Seelsorge mit der Haltung Jesu – hab auch Du kein gutes Gedächtnis!
Zweite Schwäche: Jesus kennt sich nicht aus in der Mathematik und Logik, er versteht weder etwas von Finanzen noch von Ökonomie.
Hätte Jesus eine Prüfung in Mathematik ablegen müssen, wäre er wohl durchgefallen. Das beweist das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Ein Hirt hat hundert Schafe, und eines von ihnen verirrt sich. Ohne Zögern geht er, um es zu suchen, und lässt die anderen 99 zurück. Für Jesus ist 1 gleich 99, und vielleicht sogar noch mehr! Wenn es darum geht, ein verlorenes Schaf zu retten, schreckt Jesus vor keinem Risiko und keiner Mühe zurück. Jesus kennt die Logik nicht. Eine Frau, die 10 Drachmen besitzt, verliert eine davon. Sie zündet eine Lampe an und geht auf die Suche. Als sie sie gefunden hat, ruft sie ihre Nachbarinnen zusammen und gibt ein Fest. Dieses Fest kostet die Frau weit mehr als eine Drachme. Zum Schluss dieses Gleichnisses offenbart Jesus die eigenartige Logik seines Herzens: "Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt." Jesus versteht auch nichts von Finanzen und Ökonomie. Denken wir nur an das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: Alle erhalten den gleichen Lohn, ob sie seit dem frühen Morgen oder erst abends ihrer Arbeit nachgehen. Würde Jesus zum Verwalter einer Gemeinschaft oder zum Direktor eines Unternehmens ernannt, würden diese Institutionen scheitern und auch bankrottgehen. Handelt Jesus aus Versehen oder hat er schlecht gerechnet? Nein, er tut es ausdrücklich und erklärt es so: "Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?"
Lieber P. Matthias, begegne den Dir anvertrauten Menschen in der Seelsorge mit der Haltung Jesu – auch wenn es für Dich als studiertem Betriebswirt und Wirtschaftsprüfer gegen alle Regeln der Mathematik, Logik und dem Verständnis von Finanzen und Ökonomie spricht. Geh jedem verlorenen Schaf nach, scheue kein Risiko und keine Mühe, führe viele auf den Weg der Umkehr, sei zu allen gütig und barmherzig! Bleib trotz seelsorglichem oder wirtschaftlichem Erfolg bescheiden und vergiss als Kalasantiner nie die Armen, Kleinen und Schwachen!
Dritte Schwäche: Jesus ist ein Abenteurer. Jesu Leben und Wirken ist vom Anfang bis zum Ende ein Abenteuer. Jesu Werbung für seine Nachfolge ist nach menschlichen Gesichtspunkten zum Scheitern verurteilt. Dem, der ihm nachfolgt, stellt er Prozesse und Verfolgung in Aussicht. Seinen Aposteln, die für ihn alles verlassen haben, sichert er weder Unterkunft noch Verpflegung zu, sondern nur die Teilhabe an seinem eigenen Lebensstil. Die Apostel hatten Vertrauen zu diesem Abenteurer Jesus. Die Berufung und das Leben des Apostels Paulus, dessen Fest wir heute feiern, zeigen deutlich, was Jesus von seinen Jüngern verlangt und dass er ihnen – wie Paulus – auch nichts erspart. Seit mehr als 2000 Jahren gibt es Menschen, die diesem Abenteurer Jesus folgen. Lieber P. Matthias, heute reihst Du Dich ein in die Schar jener, die Jesus ganz nachfolgen und ihr Leben in den Dienst Gottes und der Menschen stellen – auch Dein Leben ist wahrlich ein Abenteuer! Lieber P. Matthias, im priesterlichen Dienst, zu dem Du jetzt geweiht wirst, zeigen sich Jesu Schwächen laut Paulus als Stärken. Für diesen Deinen Dienst, den Du als Neupriester in Deiner Heimatdiözese am Dom in Eisenstadt beginnst – und das im Jubiläumsjahr 60 Jahre Diözese Eisenstadt – möchte ich Dir 3 Vorbilder mitgeben:
Das erste Vorbild ist der Apostel Paulus, an dessen Festtag Du heute zum Priester geweiht wirst, und sein Wort: "Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark." Denk daran, wenn Sorgen, Nöte, Probleme, Ablehnung und menschliche Schwäche Dich bedrängen!
Das zweite Vorbild ist der hl. Papst Johannes XXIII., zu dem Du eine besondere Beziehung hast, der unsere Diözese Eisenstadt, Deine Heimatdiözese vor 60 Jahren errichtet hat, und sein Wort: "Johannes, nimm Dich nicht so wichtig." Denk daran, wenn Du meinst, Du musst in der Seelsorge alles selber machen und es kommt nur auf Dich an!
Und das dritte Vorbild ist der sel. Anton Maria Schwartz, der Gründer Deiner Ordensgemeinschaft der Kalasantiner, in dessen Kirche und an dessen Grabstätte Du heute zum Priester geweiht wirst. Sein Leben und Wirken erinnert Dich in Deinem Dienst an die tiefe Sehnsucht nach Heiligkeit als Antwort auf die Liebe Gottes, für Arbeiter und Lehrlinge zu sorgen und im Blick auf die Gottesmutter Maria und den hl. Josef, Menschen in ihren sozialen, materiellen, religiösen Nöten beizustehen und sie als Priester und Ordensmann zu begleiten.
Lieber P. Matthias, ich kann Dir am Beginn Deines priesterlichen Dienstes keine besseren Worte als die des heutigen Evangeliums zurufen: "Geh hinaus in die ganze Welt und verkünde das Evangelium allen Geschöpfen." Tu es mit einem tiefen Glauben, mit erleuchtetem Verstand/Hausverstand und mit einem liebenden Herzen, das für Gott, die Kirche und die Dir anvertrauten Menschen schlägt! Der hl. Apostel Paulus, der hl. Papst Johannes XXIII. und der sel. Anton Maria Schwartz sind Dir Wegweiser, Helfer und Fürsprecher! Amen.