Chrisammesse 2020
Am heutigen Gedenktag des Nationalheiligen der Schweiz Niklaus von Flüe vor 10 Jahren wurde ich hier im Martinsdom zum Bischof geweiht. Es fügt sich schön, dass wir wegen der Corona-Pandemie gerade heute die Feier der Chrisam-Messe nachholen bei der die heiligen Öle geweiht werden, wir Priester unser Weiheversprechen erneuern, einige Beauftragungen zum Lektoren- und Akolythendienst erhalten und unter die Kandidaten zum Weihesakrament aufgenommen werden. Wir beten in diesem Gottesdienst besonders auch um neue geistliche Berufungen und danken mit den diesjährigen Jubilar/Innen im Priester- und Ordensstand für ihren Einsatz und Dienst.
Wer schon einmal zum Bruder Klaus in die Ranftschlucht gepilgert ist, kennt die Kapelle mit der angebauten Einsiedlerzelle, in der Bruder Klaus fast 20 Jahre hauste. Diese Zelle hat 3 kleine Fenster. Durch das eine Fenster blickt man auf den Weg, den man heruntergekommen ist. Das andere Fenster gibt den Blick frei auf die Strecke, die zum Talschluss führt. Durch das dritte Fenster blickt man auf den Altar in der Kapelle. Schauen wir in dieser Stunde aus der Enge unseres Ich durch diese drei Fenster auf unser Leben in Kirche und Gesellschaft.
Durch das erste Fensterschauen wir zurück, auf unseren bisherigen Lebensweg. Heute tun wir das voll Dankbarkeit mit den JubilarInnen unserer Diözese. Es ist nicht selbstverständlich, dass man 65, 60, 50, 40, 25 Jahre Priester- oder Profess-Jubiläum feiern darf. Wir danken mit ihnen Gott für das Geschenk der Berufung, ihr Glaubenszeugnis und ihren Dienst. Wir denken heute mit unseren Jubilaren dankbar an unsere Eltern, Geschwister, Lehrer, Seelsorger, Freunde, Mitarbeiter, Wohltäter, die uns im Leben begleiten. Wir denken an unseren Dienst, an Erfolge und Misserfolge, an die geschenkte Kraft, Schweres zu meistern. Persönlich danke ich in dieser Stunde Gott für 10 Jahre Hirtendienst, dass ich mit Euch Christ und für Euch Bischof sein darf!
Blicken wir durch das zweite Fenster, das den Weg zum Talschluss zeigt. Er erscheint uns noch unbekannt, geheimnisvoll, voller Gebüsch und Gestein. Er zeigt uns vor allem, dass unser Leben begrenzt ist. Wir sind auf diesem Weg nicht allein – der Herr selber geht mit uns und er hat uns gerufen, gesalbt und gesandt wie der Prophet Jesaja in der 1. Lesung sagt, "um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung." Ist nicht das der Kern und die Priorität jedes geistlichen und kirchlichen Dienstes?! Gerade heute sind wir mehr denn je als SeelsorgerInnen gefordert, armen, gebrochenen, gefangenen und gefesselten Menschen mit Rat und Tat beizustehen, so wie es Bruder Klaus getan hat! Unser Gebet ist wichtig, aber es braucht auch unsere konkrete Hilfe und Tat! Dazu ermutigt uns Papst Franziskus unermüdlich, sich trotz Corona nicht hinter einer Maske, der geistlichen Kleidung, in Kirche und Pfarrhaus zu verstecken oder nur kirchliche Beamte, Funktionäre zu sein, sondern mit dem Evangelium im Herzen und den hl. Ölen in den Händen hinauszugehen, um Menschen zu begleiten, zu salben, ihnen beizustehen! Bei der Chrisam-Messe 2009 in Buenos Aires sagte er den Priestern: "Unser Volk braucht Priester, die salben und die fähig sind, aus der Selbstgefälligkeit herauszutreten, und sich mit schlichten Gesten der Güte mitteilen. Priester, die fähig sind, aus sich heraus- und auf den anderen zuzugehen, sich Zeit zu nehmen, um die Menschen spüren zu lassen, dass Gott Zeit für sie hat, dass er ihnen seine Aufmerksamkeit, seinen Segen, seine Vergebung und Heilung schenkt. Priester, die ohne Messianismen und Funktionalismen salben. Priester, die das Ölgefäß nicht ungeöffnet aufbewahren. Priester, die hinausgehen und nahe beim Allerheiligsten sind, die zum Allerheiligsten zurückkehren, um das Öl in ihren Lampen aufzufüllen, ehe sie wieder hinausgehen." Wir haben es bei unserer Weihe versprochen und wir werden dieses Versprechen heute erneuern. Der Herr gebe uns Mut und Kraft dazu!
Schließlich machen wir noch durch das dritte Fensterder Ranftklause einen Blick. Es war für Bruder Klaus das wichtigste Fenster. Wir sehen durch dieses Fenster direkt auf den Altar der angebauten Kapelle, auf dem die Eucharistie, Jesu Tod und Auferstehung gefeiert wird. 20 Jahre hat Bruder Klaus nur vom Blick auf das Kreuz und der Eucharistie gelebt.
Als ich nach meiner Bischofsweihe vor 10 Jahren bei Papst Benedikt in Audienz war, sagte er mir am Ende unseres langen Gespräches: "Herr Bischof, vergessen sie nie, dass unser Dienst kein Spaziergang, sondern ein Kreuz-Weg ist, dass wir dem Gekreuzigten nachfolgen. Haben sie keine Angst, sondern je schwerer es wird, umso mehr schauen sie auf das Kreuz und den Gekreuzigten." Wie recht er hatte! Wir alle – unsere JubilarInnen mit mir eingeschlossen – haben neben viel Freude und Schönem im Dienst wohl auch manches Kreuz und Leid erfahren, das besonders schmerzt, wenn es aus den eigenen Reihen kommt, aber zugleich auch fordert, erdet und läutert, woran wir hoffentlich nicht verbittert, sondern gewachsen und gereift sind. Wenn schon Bruder Klaus als Familienvater und Laienchrist 20 Jahre nur vom Blick auf das Kreuz und von der Eucharistie gelebt hat, um wie viel mehr müssten gerade wir Seminaristen, Diakone, Priester, Ordensleute und Bischöfe davon leben und aus dieser Quelle unsere Berufung und unseren Dienst nähren?! Mit diesen Gaben gestärkt, werden wir fähig sein wie Bruder Klaus den heutigen Menschen mit ihren Bedürfnissen, Fragen, Zweifeln, Verletzungen verständnisvolle Seelsorger und Ratgeber zu sein. Bruder Klaus konnte im Blick auf das Kreuz und die Eucharistie für viele auch zum Friedensstifter werden. Er bewahrte die Schweiz vor politischer Uneinigkeit, Spaltung, Krieg. Uneinigkeit, Streit, Neid, Spaltung sind uns als Kirche nicht fremd und die Kirche ist vom Beginn bis heute diesem Virus ausgesetzt. Gerade Seelsorger und Hirten haben sich dem Dienst der Einheit verpflichtet. Bei aller Verschiedenheit können wir Jesu Botschaft nur dann treu weitergeben, wenn wir die Einheit mit ihm und untereinander wahren. Papst Franziskus sagte erst kürzlich, dass Gerüchte, Uneinigkeit, Streit gefährlicher sind als das Corona-Virus und die Kirche wie auch jede Gemeinschaft spalten und zerstören. Es ist herausfordernd, aber wir sind gesalbt und gesandt, heute in unserer Diözese für die Sache Jesu gemeinsam zu arbeiten und Zeugnis abzulegen. Tun wir es mit gegenseitigem Respekt, mit Ehrfurcht voreinander, in brüderl. Eintracht. Wenn wir als Presbyterium einander so begegnen und mit unseren Mitmenschen und Mitarbeitern so umgehen, werden wir auch von den Menschen in unseren Gemeinden anerkannt und geschätzt sein. Uneinigkeit, Streit, Neid, Lüge und das schlechte Reden übereinander machen uns vor der Welt lächerlich, unglaubwürdig und unfruchtbar!
Mögen die 3 Fenster in der Ranftklause von Bruder Klaus uns immer erinnern, dass wir für unsere Berufung Gott und den Menschen, die mit uns arbeiten dankbar sind und um neue Berufungen beten; dass wir mit dem Evangelium im Herzen und den heiligen Ölen in den Händen den Armen, Gefangenen, Blinden und Zerschlagenen – von denen es auch heute viele gibt – beistehen und sie als aufmerksame, verständnisvolle und einfühlsame SeelsorgerInnen begleiten; dass wir im Blick auf das Kreuz und die Eucharistie unseren Weg gehen und daraus auch die Einheit im Presbyterium, mit dem Bischof und der gesamten Kirche nähren sowie für die Einheit der Christen und Einheit und Versöhnung in Kirche und Welt beten und arbeiten!
Bevor wir nun die Beauftragungen und Admissio vornehmen sowie unser Weiheversprechen erneuern, beten und bitten wir gerade heute mit den Worten von Bruder Klaus: "Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir." Amen.