Martinsfest 2020
Das Corona-Jahr 2020 ist in jeder Hinsicht anders – im Frühjahr der erste harte Lockdown, den Sommer über die langsame Rückkehr zur Normalität, jetzt im Herbst der befürchtete zweite Lockdown, der uns alle in Kirche und Gesellschaft fordert und an unsere Grenzen bringt.
Nicht nur die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff, auch Krieg und Terror greifen vermehrt um sich und erreichten dieser Tage auch unser Land im schrecklichen Attentat von Wien, wo 4 unschuldige Menschen willkürlich und aus Hass getötet und viele verletzt wurden. Unsere Gedanken und Gebete sind in dieser Stunde bei den Familien und Angehörigen – die Toten empfehlen wir Gottes Barmherzigkeit, den Verletzten wünschen wir rasche Genesung, allen Betroffenen Trost und den Einsatzkräften gilt unser Dank für ihren Mut und die geleistete Hilfe. Unsere Antwort auf diese abscheuliche Tat soll nicht Rache und Hass, sondern Liebe, Dialog und Zusammenhalt sein!
Das Corona-Jahr 2020 ist anders. Es hat schwere Auswirkungen auf unsere ganze Gesellschaft, auf die Politik, Kultur, Wirtschaft, Arbeits- und Finanzwelt, auch auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften. Auch unsere Diözese ist davon zutiefst betroffen – wir konnten unser Diözesanjubiläum nicht wie geplant begehen, sondern wollen es mit dem Jubiläum "100 Jahre Burgenland" im kommenden Jahr feiern. Das diesjährige Martinsfest sollte der Abschluss unseres Diözesanjubiläums sein, wird aber zum Auftakt unseres Landesjubiläums.
Am Fest unseres Landes- und Diözesanpatrons des h. Martin, erlauben Sie mir 2 Fragen: Welche Konfektionsgröße haben Sie? Diese Frage ist nicht nur an die Damen unter uns gerichtet, oder an die neuen Kanoniker, die heute in ihr Amt eingeführt und eingekleidet werden, oder an jene Frauen und Männer, die heute eine diözesane Auszeichnung erhalten, sondern diese Frage richtet sich an uns alle.
Und meine zweite Frage an Sie ist: Kennen Sie die Konfektionsgröße des hl. Martin, unseres Landes- und Diözesanpatrons? Es ist "S"! "S" steht für "Small", Klein. Das deshalb, da die Menschen früherer Zeiten körperlich kleiner waren als wir heute. Eigentlich geht es aber bei dieser Frage mir nicht um die Kleidergröße des heiligen Martin, sondern vielmehr um seine geistliche Konfektionsgröße.
Das "S" bei Martinus steht zuerst für Spiritualität.
Was macht Martins Spiritualität aus? Einfach und kurz gesagt, es ist sein geistliches Leben. Martin machte sein Ich klein, sein Ego "small" und wurde dadurch groß für Gott und die Gemeinschaft. Haben wir moderne Christen das nicht weithin aufgegeben und uns, wie wir meinen, wichtigeren Dingen des Lebens zugewandt? Wird in unserer Gesellschaft Spiritualität nicht oft in den privaten Bereich des Lebens verbannt, als etwas Verstaubtes, ewig Gestriges und nur für Fromme abgetan? Der Mensch braucht Spiritualität, denn er ist ein Geschöpf Gottes mit Geist, Leib und Seele. Gerade diese Zeit der Pandemie zeigt, wie der Mensch nach Spiritualität sucht und wie er in Krisenzeiten Halt braucht. Daher meine Bitte als Hirte an alle: Praktizieren wir wie Martin wieder unser geistliches Leben, persönlich, in Familie, Pfarrgemeinde und Gemeinschaften. Ohne Spiritualität gibt es kein Christsein!
Das "S" bei Martinus steht auch für Synodalität.
Dieses altgriechische Wort bedeutet: den Weg miteinander gehen. Auch dazu muss man sich "small-klein" machen, um auch anderen und vor allem dem Heiligen Geist, Raum zu lassen. Die Kirche ist, wie Papst Franziskus sagt, "kein Parlament", sondern eine Weggemeinschaft, in der sich die Einheit mit Gott und die Einigkeit unter den Menschen verwirklicht. Auf diesem Weg sind alle Getauften berufen, mit ihren Charismen an der Sendung der Kirche mitzuwirken, um Jesus zu den Menschen zu bringen. Das holt uns aus der bequemen Rolle des Besserwissens, Kritisierens und Forderns heraus und nimmt uns als Christen in die Verantwortung für unsere Kirche, Diözese und Pfarre. Martinus zeigt uns in seinem Hirtendienst die Synodalität der frühen Kirche, von der wir heute wieder lernen können und müssen. Synodalität – den Weg miteinander gehen – das braucht es heute nicht nur in der Kirche, sondern auch in allen Bereichen unserer Welt. Gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie und des Terrors braucht es den Willen und die Bereitschaft aller in Kirche und Gesellschaft, den Weg miteinander zu gehen, aufeinander zu hören und Rücksicht zu nehmen, voneinander zu lernen und füreinander da zu sein. Synodalität – den Weg miteinander gehen – dazu verpflichtet uns BurgenländerInnen unser Landes- und Diözesanpatron der hl. Martin, sei es in der Kirche, Ökumene, zwischen den politischen Parteien, den Volksgruppen, den verschiedenen Bereichen und Vereinen. Den Weg gemeinsam gehen – das war, ist und bleibt der burgenländische Weg. Daher meine zweite Bitte: Gehen wir diesen Weg weiter und bringen wir unsere Talente und Fähigkeiten in Kirche und Gesellschaft ein – das ist gelebte Synodalität, die unser Burgenland zum Blühen bringt.
Das "S" bei Martinus steht schließlich für Solidarität.
Das Teilen des Mantels mit dem Bettler am Stadttor von Amiens ist das über Jahrhunderte bleibende Markenzeichen des heiligen Martin. Die barmherzige Tat des Martin galt nur vordergründig dem Bettler, letztlich aber Christus selber: "…was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan", bestätigt das Evangelium. Nächstenliebe und Solidarität ist der klare Auftrag für jeden Christen und für die Kirche. Wir sollen Christus, der sich ebenfalls "small-klein" machte, nachahmen in seinem Dienst für die Menschen oder wie es unser Logo sagt: 60 Jahre Diözese Eisenstadt – für die Menschen da. Zeigt uns diese Pandemie nicht neue Arten der Armut, die wir als Kirche, als Christen erkennen und auch lindern helfen sollten?
Daher meine dritte Bitte: Setzen wir in unserer Umgebung konkrete Martinstaten, damit Nächstenliebe und Solidarität in unserem Land auch heute weiterleben! Werden wir nicht müde, Menschen auf der Flucht beizustehen – auch Jesus teilte das Los eines Flüchtlings!
Der Terror der Extremisten siegt erst dann, wenn wir uns polarisieren lassen, wenn geschürte Vorurteile und Angst über Mitleid und Menschlichkeit siegen. Schauen wir aber auch in Kirche und Politik nicht länger weg, wenn sich Parallelgesellschaften bilden, die unsere europäischen Werte nicht respektieren wollen!
Neben der persönlichen Konfektionsgröße sollten Christen – vor allem wir Burgenländer – auch die geistliche Konfektionsgröße "S" unseres Landes- und Diözesanpatrons des heiligen Martin kennen und sie uns zueigen machen – Spiritualität, Synodalität, Solidarität.
Die geistliche Konfektionsgröße "S" unseres Patrons lege ich unseren neuen Kanonikern besonders ans Herz. Eure neue Kleidung mit Kreuz, Mozett und Birett ist ein Zeichen für die Spiritualität, Synodalität und Solidarität, zu der Ihr als Kapitulare des heiligen Martin berufen seid. Das gemeinsame Gebet, die gemeinsame Sorge um unsere Diözese und unsere Domkirche sowie die gemeinsame Sorge um die Armen mögen Euch als "Domkapitel zum heiligen Martin" auszeichnen!
Und allen, die am Ende dieses Festgottesdienstes eine diözesane Auszeichnung für Ihr Beten und Arbeiten in und für unsere Diözese erhalten, danke ich von Herzen für Ihr gelebtes Zeugnis der Spiritualität, Synodalität und Solidarität – Ihr ward und seid für die Menschen da!
Machen wir uns wie Martinus "small-klein" vor Gott im Gebet und bringen wir Spiritualität und seinen Geist in unsere Gesellschaft ein!
Stellen wir wie Martinus unser "Ego-Ich" zurück und gehen wir als Kirchen, Parteien, Volksgruppen, Gemeinden, Vereine noch mehr gemeinsam den Weg zum Wohl unseres Landes und seiner Menschen!
Sehen wir wie Martinus die Nöte der Armen heute und helfen wir mit konkreten Martinstaten, die gerade jetzt im zweiten Lockdown vielen Angst und Unsicherheit nehmen, aber Mut und Hoffnung machen sollen!
Wenn wir so im Blick auf den heiligen Martin und im Vertrauen auf seine Fürsprache, seine geistliche Konfektionsgröße "S" zu unserer machen, dann sind wir alle, unsere jubilierende Diözese und unser jubilierendes Land auf einem guten Weg in die Zukunft! Amen.