Christmette im Martinsdom
In den vergangenen Wochen und Monaten hören wir immer wieder: Abstand halten – Maske/MNS tragen – sich testen und impfen lassen. Wir alle wissen, dass diese Maßnahmen aus medizinischer Sicht wesentlich zur Bewältigung der Corona-Pandemie beitragen und uns ein Leben in der uns gewohnten Normalität halbwegs ermöglichen. Abstand halten – Maske/MNS tragen – sich testen und impfen lassen. Die Botschaft von Weihnachten ist exakt das Gegenprogramm dazu.
Mit der Geburt Jesu in dieser Hl. Nacht hat Gott den Abstand zum Menschen für immer aufgehoben, ist er uns ganz nahe gekommen. Im Kind von Betlehem ist Gott Mensch geworden, hat er seine Maske abgelegt und uns sein menschliches Antlitz und Gesicht gezeigt. Das Kind in der Krippe im Stall von Betlehem testet uns in unserem Mensch-Sein und Christ-Sein und gibt uns den nötigen Impfstoff, die Orientierung und Abwehrkräfte für unseren Lebens- und Glaubensweg.
Weihnachten ist daher das Fest der Liebe Gottes zu uns Menschen, der Freude und Hoffnung in dunklen Zeiten. Gott selber zündet mit der Geburt Jesu in Betlehem ein Licht in dieser Welt an, das seither immer brennt und für uns alle das Licht am Ende des Tunnels ist. Braucht diese unsere Welt, brauchen Kirche und Gesellschaft nicht mehr denn je dieses Licht, gerade auch jetzt in dieser Corona-Zeit? Das zu Ende gehende Jahr 2020 ist für uns alle ein besonderes Jahr. Es war und ist alles anders gekommen als gedacht und auch geplant. Die Finsternis dieser Heiligen Nacht ist ein starkes Bild für die große Finsternis, die diese unsere Welt und wohl auch unser persönliches Leben in diesem Corona-Jahr getroffen hat und die uns in jeder Hinsicht mehr als fordert. Diese Finsternis hat verschiedene Namen:
- Es sind die weltweit vielen Millionen an Covid Erkrankten und Toten – allein bei uns im Burgenland sind es 190 Tote, für jede und jeden Covid-Toten im Burgenland haben wir vor dem Martinsdom an diesem Heiligen Abend eine Kerze entzündet.
- Es sind die verherenden Folgen dieser Pandemie für die Wirtschaft. Betriebe kämpfen ums Überleben, viele Menschen sind schon arbeitslos oder in Gefahr ihre Arbeit zu verlieren.
- Es sind die unzähligen großen und kleinen Konflikte in der Welt mit Krieg, Terror, Hunger, Flucht, Verfolgung, und die damit verbundenen unmenschlichen Zustände in den Flüchtlingslagern, besonders auf den griechischen Inseln, in Bosnien und anderswo.
Viel Finsternis gab und gibt es auch hier bei uns: Menschen, die um ihren Job bangen oder ihn gar verloren haben. Menschen, die selbst erkrankt sind oder sich um Kranke sorgen. Menschen, die um verstorbene Angehörige oder Freunde trauern. Und dann ist da auch eine besondere Form von Finsternis in dieser Corona-Krise: die Einsamkeit. Sie macht uns allen zu schaffen. Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln führen dazu, dass wir weniger Menschen treffen können als sonst. Viele Feste und Veranstaltungen mussten ausfallen. Die Begegnung mit anderen fehlt uns so sehr. Die dunklen Stunden, das sind für viele Menschen auch gerade die einsamen Stunden, in denen sie sich nach anderen Menschen sehnen. Ja, die Finsternis ist wirklich groß in diesem Corona-Jahr. Und wir alle sehnen uns nach einem Licht am Ende des Tunnels, nach einer besseren, gesünderen und friedlicheren Zukunft.
Soviel wir in den vergangenen Monaten auch an Finsternis erlebten, vergessen wir nicht, dass gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie zugleich von vielen Menschen auch Lichter der Hoffnung entzündet wurden und werden. Denken wir dabei nur an die Helden des Alltags:
*Ärztinnen und Pflegepersonal in unseren Spitälern und Heimen, die bis zur Erschöpfung sich um das Leben ihrer Mitmenschen sorgen. *Arbeitende in sogenannten systemrelevanten Berufen, die das Funktionieren des täglichen Lebens und die Grundversorgung in unserem Land in dieser schwierigen Situation aufrecht erhalten. *Freiwillige, die ihrem Nächsten in verschiedenen Nöten beistehen. *Helferinnen in der Seelsorge, Telefonseelsorge und bei der Caritas, die Menschen in ihren seelischen und existenziellen Nöten versorgen und ihnen so konkret weiterhelfen. Das alles sind große Hoffnungslichter, die es heute gibt und für die ich nur von Herzen danken kann!
Das Kind in der Krippe ist nicht nur unser Licht am Ende des Tunnels, es testet uns zugleich in dieser Pandemie in dreifacher Hinsicht: Das Kind in der Krippe testet unser Mensch-Sein: Der Umgang mit dem menschlichen Leben von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Bei diesem Test versagt unsere Gesellschaft weithin. Das VgH-Urteil zur Beihilfe zum Suizid bestätigt diese traurige Entwicklung in ganz Europa. Macht sich damit nicht der Mensch selber zum Herren über Leben und Tod? Ich möchte aber in einer Gesellschaft leben, wo Menschen an der Hand eines anderen sterben und nicht durch die Hand eines anderen sterben müssen. Daher appelliere ich an das Gewissen des Gesetzgebers, der Politiker diesem moralischen Dammbruch in Österreich im Namen einer falsch verstandenen Freiheit und Selbstbestimmung nicht zuzustimmen!
Der Umgang mit den Armen, Kleinen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft, besonders mit Menschen auf der Flucht. Der nicht vorhandene gemeinsame Wille und die Unfähigkeit der EU und ihrer Mitgliedsstaaten die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen dafür zu schaffen sowie die Härte der österreichischen Bundesregierung gegenüber Menschen auf der Flucht lässt uns auch beim Test unseres Mensch-Seins durch das Kind in der Krippe durchfallen. Niemand von uns will eine unkontrollierte Aufnahme von Flüchtlingen, aber es braucht Zeichen der Menschlich-keit und Solidarität mit Menschen in Not. Vergessen wir nie – morgen können wir in Not sein, dann erhoffen auch wir uns die Hilfe anderer!
Das Kind in der Krippe testet unser Christ-Sein: Haben wir als Christen noch dieses Kind in der Krippe vor Augen, hat es in unserem Leben noch etwas zu sagen oder ist es für uns nur noch eine Dekoration für unsere Feste und begnügen wir uns mit einem christl. Brauchtum? Christen sind heute Jesu Augen, Mund, Hände und Füße!
Das Kind in der Krippe testet unser Kirche-Sein: Beschäftigen wir uns als Kirche nur mit uns selber oder sind wir ganz für die Menschen, alle Menschen da? Die Zeit ist vorbei, sich Positionen und Vorteile zu sichern, sondern das Kind in der Krippe zeigt uns den wahren Platz der Kirche in der Gesellschaft – es ist und bleibt der Stall, egal, ob er gut riecht oder auch stinkt! Die Kirche ist für die Menschen da!
In dieser Heiligen Nacht strahlt uns im Kind von Betlehem das Licht der Hoffnung, der Retter auf. Jede und jeder, der an dieses Kind in der Krippe glaubt und Weihnachten feiert, ist vom Jesukind eingeladen und gesandt heute in der Welt Lichtträger und Hoffnungsträger zu sein.
Daher lautet mein Weihnachtswunsch an sie alle hier im Dom und an alle Menschen unseres Landes und auch weit darüber hinaus: Tragen wir das Licht von Weihnachten in unsere oft so finstere Welt. Auch wenn wir jetzt Abstand halten müssen, wenden wir uns nicht von unseren Mitmenschen ab, sondern noch mehr zu, besonders den Armen, Kleinen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft. Auch wenn wir jetzt die Maske/MNS tragen müssen, verstecken wir uns nicht voreinander, sondern begegnen wir einander offen und ehrlich, helfen wir mit Ungerechtigkeiten aufzudecken und zu beenden. Auch wenn wir uns jetzt testen und impfen lassen müssen, seien wir im täglichen Leben Zeugen dieses Jesukindes und geben wir seinen Impfstoff - die Freude und die Hoffnung – in dieser Welt weiter! Amen.