Ökumenischer Passionsgottesdienst im Martinsdom
Lieber Superintendent Manfred und liebe Superintendentialkuratorin Christa! Zum ökumenischen Passionsgottesdienst versammelte Gemeinde hier im Martinsdom und Mitfeiernde über das Live-Stream! Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn!
Ich freue mich sehr, dass wir nach langer Zeit wiederum gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst feiern können. Mir fehlte es sehr und ich denke, wir alle hatten Sehnsucht danach – heute ist es nach langem wieder soweit, wenn auch unter besonderen Umständen und Einschränkungen. Wegen der Pandemie feiern wir als kleine Schar stellvertretend für viele Christen in unserem Land diesen ökumenischen Passionsgottesdienst hier im Martinsdom in Eisenstadt im Blick auf Ostern und auf das gemeinsame Jubiläum "100 Jahre Burgenland".
Bevor ich mit Euch einige Gedanken zu den eben gehörten Worten aus dem Markusevangelium teile, möchte ich unseren evangelischen Mitchristen im Burgenland zur kürzlich erfolgten Wahl des neuen Superintendenten Dr. Robert Jonischkeit von Herzen gratulieren und dem neuen Superintendenten Gottes Segen für seinen Dienst hier bei uns wünschen und ihm die Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen unseres Landes und unserer Kirchen anbieten. Zugleich möchte ich Dir, lieber Superintendent Manfred, für das gute ökumenische Miteinander sowie für das Vertrauen, die freundschaftliche und brüderliche Zusammenarbeit als katholischer Bischof, Bruder im Glauben und Freund aufrichtig danken!
Die gehörten Worte aus dem Markusevangelium lenken unseren Blick auf 3 Dinge hin, die wir alle auch aus unserem Leben kennen.
Das Gefühl der Gottverlassenheit.
Der Evangelist Markus berichtet uns dramatisch vom Einbruch der Finsternis und von Jesu Schrei am Kreuz: "Mein Gott, mein Gott,warum hast du mich verlassen?" Es ist tröstlich für uns Menschen zu wissen, dass auch Jesus das Gefühl der Gottverlassenheit kannte. Er ist uns nahe, kann mit uns mitfühlen, kennt unsere Sorgen und Nöte.
Das Gefühl der Gottverlassenheit kennen auch wir seit einem Jahr als uns die Corona-Pandemie erreichte und wir alle seither mit dieser heimtückischen Krankheit und ihren Folgen zu kämpfen haben.
Die vielen Maßnahmen und Einschränkungen im persönlichen, gesellschaftlichen und auch religiösen Leben erzeugen in uns große Ungeduld, Frustration, Resignation, vor allem aber das Gefühl der Gottverlassenheit in dieser schwierigen und aussichtslosen Situation. Die vielen an COVID Erkrankten, die hohe Zahl an Arbeitslosen, der Einsatz und Kampf in den Spitälern, auf Intensivstationen, in Alten- u. Pflegeeinrichtungen, in Kindergärten, Schulen, Betrieben, die große Ohnmacht in Politik, Wirtschaft und Kirche und vor allem die vielen an COVID Verstorbenen – die Kerzen hier im Dom erinnern an die 242 Toten allein bei uns im Burgenland – und der Blick auf das digitale Fastentuch hier im Dom lässt uns Jesu Schrei am Kreuz wiederholen: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du uns verlassen."
Das Gefühl der Gottverlassenheit kannte auch unser Land als es vor 100 Jahren von Ungarn zu Österreich kam und als Burgenland seine Identität suchte, nach Eigenständigkeit, dem nackten Überleben rang.
Das Gefühl der Gottverlassenheit kennen wir auch in unseren Kirchen mit den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit, und da sitzen wir alle im gleichen Boot, ob Evangelisch oder Katholisch: die rasante Säkularisierung und damit einhergehende Glaubensverdunstung, die mühsame Glaubensweitergabe an die junge Generation, sinkende Mitgliederzahlen und Finanzen, Baulasten und vieles andere mehr.
Das Gefühl der Gottverlassenheit kennen wir auch in der Ökumene – das Gegeneinander in der Vergangenheit und das Ringen in theologischen Positionen sowie um die Einheit im Glauben in der Gegenwart.
Das Gefühl der Gottverlassenheit kennen wir auch ganz persönlich – eine unerwartete Krankheit, der Bruch einer Ehe oder Freundschaft, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eines lieben Menschen.
Jesu Schrei am Kreuz ist oft auch unser Schrei: "Mein Gott, mein Gott,warum hast du mich verlassen."
Spott und Verhöhnung.
Der Evangelist Markus berichtet uns im gehörten Evangelium wie nach Jesu Schrei am Kreuz einige ihn verspotten und verhöhnen. Menschen, die am selben Ereignis teilnehmen, haben unterschiedliche Reaktionen, die einen kommen zum Glauben, andere wiederum tun es einfach ab, treiben ihren Spott und Hohn – das war früher so, das ist heute nicht anders, an Jesus scheiden sich die Geister!
Spott und Verhöhnung ist Jesus und seine Kirche durch alle Zeiten der Geschichte bis heute ausgesetzt – ich denke dabei an die verfolgten Christen, deren Zahl nie höher war als heute! Gerade in der Ökumene der Märtyrer geben wir Christen gemeinsam Zeugnis vor der Welt.
Christsein heute in unserer modernen und säkularen Welt bringt uns wohl auch oft Unverständnis, Belächeln, Ablehnung, Spott und Hohn. Gerade als Einzelne und auch als Kirchen werden wir manchmal zu Recht, manchmal auch zu Unrecht vorverurteilt, schlechtgemacht, verspottet und verhöhnt. Christsein lebt vom Blick auf das Kreuz, von den Sakramenten, der kirchlichen Gemeinschaft und vor allem vom Gebet sowie von der gegenseitigen Hilfe, Nächstenliebe und Solidarität. Wie steht es damit in unseren Familien und Gemeinden? Je besser wir das als Einzelne und Kirchen bezeugen, umso glaubwürdiger sind wir! Schauen wir gemeinsam auf das Kreuz Jesu und wir werden die ersehnte Einheit finden, unser Miteinander wird zum Füreinander.
Auch unser junges Burgenland erfuhr am Beginn seines Werdens Spott und Hohn – nur wenige glaubten an seine Auferstehung, dass aus diesem kleinen Rest einmal eine blühende Region im Herzen Europas wird. Dank vieler, die bereit waren und auch heute bereit sind kraft ihres Glaubens an Jesus Christus, des Zusammenhalts und der gegenseitigen Hilfe konnte unser Burgenland vom Armenhaus Österreichs zum "Herzeige-Land" in vielen Bereichen werden – auch die Kirchen und die Gläubigen leisten bis heute dazu ihren Beitrag!
Spott und Hohn erleben wir auch in dieser Pandemie – viele halten sich an die Maßnahmen, manche ignorieren sie, spotten dabei über alles.
Das christliche Zeugnis im Alltag.
Der Evangelist Markus berichtet uns schließlich im gehörten Evangelium vom Zeugnis des römischen Hauptmanns: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." Es ist das Zeugnis eines Fremden und für Juden sogenannten Ungläubigen. Der Bericht der Leidensgeschichte Jesu im Evangelium endet mit dem persönlichen Zeugnis eines Beteiligten und Zuschauers. Das ist das Ziel dieser Geschichte – wir alle, Du und Ich, sollen als Beteiligte oder Zuschauer zum Glauben an Jesus geführt werden und für ihn heute dort, wo wir leben und arbeiten als Einzelne, als Christen und auch als Kirchen für ihn Zeugnis ablegen.
Der Blick des römischen Hauptmanns auf Jesu Tod am Kreuz berührte ihn im Herzen, weckte in ihm den Glauben, ließ ihn ein persönliches Zeugnis ablegen: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." Das ist die erste Aufgabe unserer Kirchen – die Menschen von heute zum Blick auf Jesus führen, sie mit ihm in Berührung bringen, in ihnen den Glauben zu wecken und sie zum Zeugnis für Jesus anleiten.
Dieser ökumenische Passionsgottesdienst in Corona-Zeiten möge uns vom Gefühl der Gottverlassenheit, über Spott und Hohn zum gemein-samen Zeugnis für Jesus heute als Christen führen, zum Bekenntnis: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." Amen.