Aschermittwoch 2022
In unserem Leben und Glauben gibt es viele Zeichen und Riten, die uns zwar lieb und teuer sind, aber die uns zugleich oft auch fremd geworden sind, die wir nicht mehr verstehen. Gehört nicht auch das Aschenkreuz dazu? Verstehen wir noch seinen tieferen Sinn?
Zum biblischen Wort "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst" wird uns heute Asche in Form eines Kreuzes auf das Haupt gestreut. Warum gerade Asche?
Asche ist eine der Grundsubstanzen der Menschheit.
Asche ist ein Zeichen für unsere Vergänglichkeit und eine Einladung bewusster als Menschen und Christen zu leben. Man kann sich Sand in die Augen streuen und sagen: Ich bin ja noch jung, gesund, es geht mir gut und ich habe alles, warum soll ich nicht das Leben genießen und mich mit der Asche, mit dem Tod beschäftigen oder gar belasten. Ich denke, ehrlicher als Sand in die Augen ist die Asche aufs Haupt. Asche am Haupt sagt mir: Meine Zeit ist begrenzt und damit auch kostbar. Sie erinnert mich daran bewusster und einfacher zu leben. Sie lädt mich ein in der Fastenzeit bewusst mehr Gutes zu tun, wieder mehr zu beten – persönlich, in der Familie und in der Kirche mit der Pfarrgemeinschaft – mehr zu fasten und auf etwas zu verzichten, um dadurch innerlich wieder frei zu werden und anderen zu helfen.
Es fällt mir schwer heute das Fasten und den Verzicht zu predigen, wenn ich an die vergangenen 2 Jahre der Pandemie denke, in denen wir alle freiwillig oder notgedrungen auf vieles verzichten mussten:
Ich denke an Kinder und Jugendliche, denen so vieles genommen wurde an Gemeinschaft, Lebensmöglichkeiten und Bildung.
Ich denke an alte Menschen, die sich isolieren mussten, keine Besuche empfangen konnten und Einsamkeit empfinden.
Ich denke an Mütter und Väter, die beim Versuch, Kinderbetreuung mit Homeoffice und eigenen Sorgen zu bewältigen, an Grenzen gestoßen sind.
Ich denke an Menschen, die ihre Arbeit nicht oder nur eingeschränkt ausüben können und die um ihre wirtschaftliche Existenz bangen.
Ich denke an Menschen, die in Familien oder im Freundeskreis Menschen verloren haben, die nicht wirklich Abschied nehmen konnten und deren Möglichkeiten zu trauern beschränkt wurden.
Ich denke auch an diejenigen, die durch den Klimawandel und Naturkatastrophen wie Überflutungen, Waldbrände und Erdbeben ihr Hab und Gut verloren haben und manchmal auch die Hoffnung, weil sie nicht wissen wie es weitergehen soll.
Ich denke heute ganz besonders auch an die Ukraine und an alle Krisengebiete dieser Welt, wo Hass, Krieg und Terror herrschen und die Menschen der Willkür von Macht, Gewalt, Unterdrückung und Tod hilflos ausgeliefert sind. Wenn zur Stunde durch die Kämpfe in der Ukraine alles in Schutt und Asche gelegt wird, werden wir an unsere Vergänglichkeit, menschliche Brutalität, Kreuzweg erinnert.
Das neue digitale Fastentuch von Heinz Ebner hier im Martinsdom aktualisiert die alten Kreuzwegstationen. Gönnen sie sich während der Fastenzeit die Zeit für einen Besuch im Dom und lassen sie sich von den Bildern und Texten dieses Kreuzwegs im Herzen berühren – ich kann ihnen versprechen, es lohnt sich! Die Asche erinnert uns also gerade in Zeiten der Pandemie besonders auch an das Fasten und an den Verzicht in vielerlei Hinsicht.
Die Asche ist aber nicht nur ein Zeichen der Vergänglichkeit, sondern auch ein Zeichen der Reinigung und der Hoffnung auf neues Leben. "Kehr um und glaub an das Evangelium" – dieses zweite Wort bei der Auflegung des Aschenkreuzes ist eine Einladung an uns alle, den Weg der Umkehr und Reinigung durch die Fastenzeit hin auf Ostern zu gehen, weil er uns bewusst macht, wie hoch der "Preis" unserer Erlösung war: "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab." Das schenkt uns Hoffnung und neues Leben.
Wenn wir uns heute Asche aufs Haupt streuen lassen, dann bringen wir damit zum Ausdruck, dass wir unsere Verbindung mit Gott und unseren Mitmenschen erneuern wollen, wozu uns auch die Lesungen des Aschermittwochs aufrufen: Der Prophet Joel bezeugt seinem Volk: Kehrt um zum Herrn, eurem Gott, denn er ist gnädig, geduldig und barmherzig. Wir haben einen gnädigen, geduldigen und barmherzigen Gott!
Lasst euch mit Gott versöhnen, sagt Paulus den Korinthern – und ich füge hinzu – Seid immer bereit zur Versöhnung mit dem Nächsten.
Im Evangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern und damit auch zu uns: Tut Gutes, indem ihr wie Gott handelt und teilt – Betet, indem ihr euer Vertrauen zu Gott stärkt – Fastet, indem ihr leer werdet für Gott und zugleich offen und bereit für die Menschen. Die Asche auf unserem Haupt erinnert uns daran und verpflichtet uns auch dazu! Ich wünsche uns allen Mut und Ausdauer auf dem Weg durch die kommenden 40 Tage der Fastenzeit, trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine, trotz aller Herausforderungen und Widerwärtigkeiten des Lebens, weil wir als Christen um Ostern wissen und daraus Kraft, Freude und Hoffnung schöpfen und diese an andere weitergeben. So werden wir selber, so wird die Welt durch uns ein Stück weit besser!