70 Jahre Katholische Frauenbewegung Diözese Eisenstadt
Motto: „Frauen verändern die Welt“
Festgottesdienst am Samstag, 30. April 2022 im Lisztzentrum Raiding
Homilie – Diözesanbischof Dr. Ägidius J. Zsifkovics
Liebe Verantwortungsträgerinnen unserer kfb,
Liebe Pfarr- und Dekanatsverantwortliche der kfb,
Liebe Diözesanverantwortliche mit unserer Generalsekretärin Andrea Lagler und unserer Vorsitzenden Rosalinde Strommer,
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitdenkerinnen in der Katholischen Frauenbewegung unserer Diözese,
Liebe Vizepräsidentinnen der KA,
Festliche Versammlung,
Liebe Schwestern im Glauben,
und natürlich auch: Liebe Brüder im Glauben!
Wir feiern 70 Jahre Katholische Frauenbewegung in unserer Diözese, die nahezu um 10 Jahre jünger ist als die kfb. Die Frauen sind damit auch Pionierinnen dieser neuen Diözese.
1) Frauen sind Menschen des Anfangs
Frauen haben immer die Gesellschaft, die Kirche und das Leben gestaltet und verändert. Der Bogen kann weit gespannt werden: Am Anfang der Heilsgeschichte und am Beginn der Erlösungsgeschichte steht eine Frau. Die Prophetinnen im Talmud und im Alten Testament sind die weibliche Stimme Gottes – unüberhörbar. Auf dem Kreuzweg und unter dem Kreuz halten die Frauen aus. Die ersten österlichen Zeuginnen sind Frauen, sie bezeugen Jesus als den Christus. Die Samariterin am Jakobsbrunnen, die Sünderin beim Gastmahl des Reichen, lehren uns, wie Glauben geht, und dass Glaube Begegnung ist.
Eine ausgewiesene Männerkirche wäre eine verarmte Kirche, sie wäre dürftig, vorrangig mit Rechtsvorschriften ausgestattet, mit Machtan-sprüchen – aber es würde ihr die Tiefe, das Pneumatische, das Geistvolle, das Schöpferische fehlen.
Auch die Geburtsstunde der Kirche, das Pfingstfest, ist wesentlich von einer Frau gezeichnet. Die frustrierte geistlose Männerrunde der Jünger musste erst aus der Karfreitagsniederlage herausgeholt werden. Maria hat den Blick und das Herz der Jünger für das pfingstliche Wirken des Gottesgeistes geöffnet.
Es kommt wahrscheinlich nicht darauf an, ob wir Gott gendern, ob wir ihn mit Sternchen oder Plus versehen, wesentlich ist, ob wir Ihm begegnen.
2) Frauen stehen mitten im Leben
Es ist nicht allzu lange her, dass Frauen in Politik, Wirtschaft, in leitender Verantwortung, in der Gesellschaft insgesamt, zurückge-drängt waren. Studienplätze an den Universitäten, Ministerposten, Direktorenplätze und Managergehälter blieben den Männern vorbe-halten. In zu vielen Ländern und Kulturen ist die Frau immer noch eine an den Rand Gedrängte. Noch immer ist sie dem himmelschreienden Unrecht, dem Missbrauch, dem Menschenhandel ausgesetzt. Damit muss aufgeräumt werden, auch die Benachteiligung in der Entlohnung und in der Arbeitszeit und die herablassende Meinung, die Arbeit für Familie und Kinder, das Aufreiben in den alltäglichen Aufgaben würden nicht viel mehr sein, als eine Selbstverständlichkeit.
Wir alle müssen umdenken und auch zugeben, dass Frauen das „Rückgrat“ unserer Gesellschaft, und ich bin fest davon überzeugt, auch unserer Kirche sind. Im Blick auf die schrecklichen Kriegser-eignisse in der Ukraine darf ich fragen: Wer hält das Leben in den zerbombten Häusern und Wohnungen aufrecht, wer sorgt sich um die Kinder, Kranken, Alten und Hilfsbedürftigen, wer nimmt die Flüch-tenden an der Hand, wer begleitet die Sterbenden, wer gibt wieder Mut zum Neubeginn und zum Aufleben? Immer sind es die Frauen – das war auch bei uns so. Frauen tragen und ertragen mehr – das gibt sogar die Männerwelt zu. Frauen schreiben und wagen eine Revolution für das Leben!
3) Frauen sind Kirche
„Den Frauen eine Stimme geben“ – muss immer ein aktueller Auftrag der Kirche sein. Doch es gibt weder eine Frauen- noch eine Männerkirche! In unsere neugewählten Pfarrgemeinderäte wurden weit über 50 Prozent Frauen gewählt, die Begleitung zur Erst-kommunion und zur Firmung wird weitgehend von Frauen getragen. Frauen stehen im Dienst der Verkündigung, Frauen bringen die Krankenkommunion, Frauen tun ihren Dienst an den Leidenden, Alten und Einsamen. Frauen machen die Kirche greifbar und sie geben der Nächstenliebe ein Gesicht. Frauen lehren beten, sie bringen Gott zur Sprache, sie decken den Tisch der Hauskirche, sie haben häufig einen Sinn für das Schöne, sie sind erfinderischer. Den Frauen eine Stimme zu geben, ist daher viel mehr, als durch Dienstzuteilungen und Leitungsaufgaben abgedeckt werden kann. Sie tragen Verantwortung in unserer Diözese und in anderen Bereichen der Kirche österreichweit, im Schulamt, in der Caritas, in den pastoralen Diensten, in der wirtschaftlichen Verantwortung, im Kunstrat und in vielen anderen Bereichen.
Eine offene und viel diskutierte Frage bleibt die Frauenordination. Diese Frage verlangt viel Umsicht und Geduld und wir sehen, dass lehramtliche und traditionelle Begründungen nicht immer standhalten können – ein Lösungsversuch ist gesamtkirchlich noch nicht in Sicht. Ich hoffe jedenfalls, dass die für das kommende Jahr geplante Bischofssynode zur Synodalität der Kirche viel Mut hat und neue Wege beschreitet. Wir haben in unserer Kirche manches aufs Spiel gesetzt: Die weitgehende Entfremdung der Arbeitenden in den Industrien und Fabriken, die schrittweise Auswanderung der jungen Menschen, der stille Rückzug der Männer, das Schwinden der Geistlichen Berufungen, das Fehlen an Priestern, Ordensschwestern und Ordensmännern, die zunehmende Ghettoisierung der Kirche in spirituelle Kleingruppen und die Klerikalisierung, die nicht nur eine Versuchung der Kleriker, sondern auch der Laien ist.
Papst Franziskus ist ein Prophet unserer Tage und er wird nicht müde, etwas zu wagen, was ein Wunder ist, wenn es gelingt: Nämlich, dass wir alle miteinander wollen und auch können. Es geht nicht um Positionskämpfe, nicht um Macht oder Leitung, sondern es geht um das Aufeinander-Hören, und das in ganz unterschiedlichen Gruppen. Ich hoffe, dass wir alle zumindest lernen, diese synodale Art des Umgangs, des Aufeinander-Zugehens beizubehalten und zu verstehen, dass der Synodale Prozess der Weltkirche nicht nur ein einmaliges Ereignis, sondern eine bleibende Aufgabe ist.
4) Frauen schreiben Zukunft
Wie können wir als Kirche dazu beitragen, das Evangelium so zu er-zählen und zu leben, dass es eine Frohe Botschaft für unsere Welt ist und den Menschen dient?
Eines ist klar: Wir können nicht Antworten von früher auf die Fragen von morgen geben! Die Kirche muss die Zeichen der Zeit lesen, sie muss auf die Menschen zugehen und die Menschen mögen, sie muss sehr menschlich sein und darf sich nicht schämen für das, was daneben und schief gegangen ist. Auch das Kreuz mit der Kirche ist Gott nicht fremd!
Vieles, was vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre, hat sich in unserer Kirche zum Guten verändert. Nach dem II. Vatikanischen Konzil wurden manche mutige Schritte gesetzt, von der Lebendigkeit der Gottesdienste bis zum Kirchenbild, vom offenen Dialog bis hin zu verschiedenen Lebensentfaltungen, vom Umgang mit den Geschiedenen und Wiederverheirateten bis hin zum Gespräch mit Andersdenkenden – in der Ökumene, mit der jüdischen Tradition und mit anderen Religionen.
Wenn wir als Kirche in die Zukunft schauen, dann nur, wenn wir auch gleichzeitig die Mission der Kirche leben! Ich bitte Euch deshalb: Haben wir wieder Mut, von Gott zu reden! Ehrlich von Gott zu reden! Ich weiß, die Menschen suchen Ihn, auch wenn er für viele fragwürdig geworden ist. Wir müssen Rede und Antwort stehen, wenn man uns fragt!
Und zum Schluss ein vielfacher Dank:
Liebe Frauen und Schwestern im Glauben, ich danke Euch!
Ich danke für diese 70 Jahre – eine bunte Zeitgeschichte! Ich danke den Pionierinnen und allen, die nicht mehr unter uns sind. Ich danke allen, die unsere kfb mitgetragen haben: Helga Kaiserseder, Gabi Zarits und den vielen Frauen in den Pfarren, in den Dekanaten und auf diözesaner Ebene. Ich danke allen, die heute Verantwortung tragen, stellvertretend darf ich Andrea Lagler und Rosalinde Strommer nennen. Ich danke allen und den vielen, die heute mitgemeint sind und sich angesprochen wissen dürfen. Bei meinen bischöflichen Visitationen erlebe ich immer, dass die Pfarren und Dekanate ohne Euch, ohne Euer Zeugnis und ohne Euer Tun blutleer sein würden.
Ich darf Euch als Bischof dieser vielgestaltigen, an Kulturen und Sprachen reichen Diözese Vergelt´s Gott sagen!
Die heilige Katharina von Siena ist die Patronin der kfb Österreich. Sie war eine starke Frau, sie hat Päpste zum Umdenken gebracht, sie hat Kirche und Politik bewegt, sie hat viel weitergebracht, sie hat Frieden gestiftet. Im Einsatz für andere hat sie die Welt weit über ihren Lebenshorizont von Siena hinaus revolutioniert, weil sie ganz von Gott und seinem Ruf fasziniert war. Ihre Lebensaufgabe war nicht, Strukturen zu ändern, sondern die Kirche und die Gesellschaft zu erneuern. Solche und ähnliche Frauen hat es immer wieder gegeben – auch die heilige Mutter Teresa war eine von ihnen. Solche Frauen gibt es heute und wird es auch in Zukunft geben.
Eure Talente, eure Charismen, eure Berufungen sind so wertvoll, dass sie die Zukunft der Kirche, die immer eine Kirche des Lebens und der Menschen bleiben muss, wesentlich mitschreibt.
Ich erbitte Euch, Euren Familien und Lebensgemeinschaften Gottes reichen Segen!
Bischof Ägidius J. Zsifkovics