Brauchtum
Christliches Brauchtum
Wo Menschen in Gemeinschaft leben, gibt es Brauchtum. Im christlichen Brauchtum werden Wege für die Botschaft des Evangeliums (wieder) geöffnet. Es überbrückt die Kluft, die das "Weltliche" in unserer Existenz vom "Heiligen" trennt.
Das Brauchtum ist ein wesentlicher Teil des gläubigen Lebens. Es ist die "Liturgie des Volksglaubens". Es macht den Glauben leib-hafter, sinnen-fälliger. Glaube kann im Brauchtum gesehen, gehört, geschmeckt, gefühlt, also begriffen werden.
Im Brauchtum weiß sich der Mensch hineingenommen in die natürlichen Abläufe des Lebens;
- die Grundfragen der menschlichen Existenz werden im Brauchtum aufgefangen und dem Menschen zugeeignet;
- das Brauchtum gibt dem Menschen und seinem Dasein Struktur, der Rhythmus von Fest und Alltag, von Hoch-Zeit und normaler Zeit gibt dem Leben die notwendige Ordnung;
- im Brauchtum sind alle Sinne des Menschen angesprochen, das bewahrt ihn vor der Hybris der Ratio, vor der Flachheit eindimensionaler Anschauung und Auslegung der Welt.
Der Martinstag fällt in eine Zeit der altgermanischen Ernte-, Hirten- und Vorwinterfeste.
Einzelne Feste gewinnen im Laufe der Zeit eine andere Bedeutung, absorbieren von anderen Festen Brauchtum und Vorstellungen (vor allem im Zuge der Christianisierung). So erfährt auch das Martinsfest im Lauf der Jahrhunderte allmählich eine Verquickung mit germanischen Bräuchen.
Alter Rechts- und Zinstermin
Abschluß des Wirtschaftsjahres, Wechsel des Gesindes, Regelung der Pacht, Abgabe von Zehent und Naturalien.
Martinszug
Kinder ziehen mit selbstgebastelten Laternen oder Fackeln durch das Dorf oder den Stadtteil und singen die alten Martinslieder. Oft reitet St. Martin auf einem Schimmel mit. Austeilung von Geschenken (Martins-Tüten).
Heischegänge
Kinder (und Jugendliche) erbitten sich kleine Geschenke von den Verwandten. Manchmal auch Nahrungsmittel und Brennmaterial.
Martinsmahl
ist mit dem Kosten des neuen Weines verbunden (Weinsegnung am Martinstag).
Martinsgerte
Dieser Brauch ist in manchen burgenländischen Gemeinden noch geübt, so geht etwa der Viehhüter zu den Bauern, schlägt sie mit der Gerte und erhält den Lohn für die Hütertätigkeit (vgl. Heischebrauchtum).
Aber auch der Brauch, mit der Martinsgerte andere (etwa die Liebste) zu schlagen, um ihr so Fruchtbarkeit zu schenken. In manchen Gegenden verbunden mit der Sitte, einen Obstbaumzweig ins Zimmmer zu stellen, der bis Weihnachten blühen soll (vgl. Barbara-Zweige).
Martiniloben
Abgeleitet aus dem Breviergebet zum Festtag: Laßt uns loben unseren Gott bei der Verehrung des hl. Martin.
Oftmals Zusammenhänge zwischen dem liturgischen Wort und dem volkstümlichen Brauch.
Halter- oder Martinisegen
Am Beginn des Winterhalbjahres ein Nachmittags- oder Abendgottesdienst, der die Viehhalter zu einem Dankgebet versammelt (vgl. Hubertussegen der Jäger).
Ein- und Ausstandstag der Dienstleute, heute noch in Böhmen üblich, das tschechische Wort für "aus dem Dienst treten" heißt martinkovati.
Martinsfeuer
hat agrar-kultischen heidnischen Ursprung, ist Ausdruck der primitiven Absicht gewesen, die schwindende Sonnenkraft zu befeuern und sie der Erde zu erhalten.
Martinsgestampfe
Patron der Pferde, aber keine so große Bedeutung wie St. Leonhard. Das Martinsgestampfe in den Alpenländern ist ein aus heidnischen Wurzeln kommender Abwehrzauber gegen die bösen Geister der Martinsnacht.
In Südtirol reitet die verwunschene Pfarrersköchin in der Martinsnacht von Berggipfel zu Berggipfel, muß unterwegs im Tal bei den Schmieden das Pferd beschlagen lassen.
Im Lungau findet am Martinivorabend das Kasmandlfahren statt.
Gebildbrote zum Fest
Martinskipferl, Martinsring, Martinsgeige, Geschenke vor allem für Patenkinder.
Martinslieder
Wegen der Bedeutung des Festes im Jahresablauf entstehen viele Lieder und Gesänge, teilweise auch in der "Vagantenlyrik". Älteste Erwähnung von Martinsliedern 1263, seit dem 14. Jhdt. Entstehung vieler Lieder zu seiner Person und seinem Fest.