Die Karwoche
Wer in den Kartagen und zu Ostern am Gottesdienst teilnimmt, der erlebt liturgische Feiern, die eine lange Tradition haben und immer noch Menschen in ganz besonderer Weise berühren.
Traditionell wird in der katholischen Kirche die Heilige Woche mit zahlreichen festlichen Gottesdiensten und außergewöhnlichen Riten begangen. Schließlich ist die Feier der „Heiligen drei Tage“ das Zentrum des ganzen Kirchenjahres, sein Höhepunkt.
Viele dieser Feiern mit ihren ausdrucksstarken Riten und Gebeten reichen bis in die Zeit der frühen Christen zurück, sind von Pilgern und Wallfahrern aus Jerusalem mitgebracht worden. Sie hatten dort die festlichen Gottesdienste miterlebt, wo Christus selbst in seine Stadt eingezogen war, wo er mit den Jüngern das Abendmahl gefeiert hatte, wo er gefangen genommen und verurteilt wurde, wo er gelitten hatte und gestorben war, wo man sein Kreuz verehrte und sein Grab, wo er schließlich am Ostermorgen den weinenden Frauen erschienen war, die eigentlich nur noch nachholen wollten, was sie wegen des „hohen und heiligen Sabbat“ nicht mehr geschafft hatten: den Leichnam Jesu einzubalsamieren. Mit diesen Erlebnissen kehrten sie nach Hause zurück. Und wie am Palmsonntag die Christen in Jerusalem den Einzug Jesu vom Ölberg in die Stadt mit Palmen in den Händen singend und betend nachgegangen waren, so wollten die Pilger das auch dort tun, wo sie zu Hause waren, in Rom, in Venedig, Wien – und bei uns im Burgenland.
Auf diese Weise sind Gottesdienstformen entstanden, die teilweise bis zu 1500 Jahre alt sind – und die immer noch Menschen aller Altersstufen anrühren und faszinieren, auch viele, die sonst nicht Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst kommen.
„Hosanna dem Sohne Davids!“
Am Palmsonntag versammeln sich vielerorts die Gläubigen nicht wie sonst in der Kirche, sondern ziehen als Gemeinde mit geschmückten und gesegneten Zweigen singend und betend zur Kirche, so wie Christus in Jerusalem eingezogen ist. Waren es in Jerusalem Palmen- und Ölzweige, so sind es bei uns die Palmbuschen, die wir als Zeichen der Verehrung Christi in Händen halten. Sie werden aus je drei Zweigen verschiedener Sträucher gebunden: Palmkätzchen, Buchsbaum, Kranawitt (Wacholder), Sevenbaum (Segenbaum), Giehbaum (Eibe), Immergrün oder Efeu; mancherorts ist auch eine Stechpalme darunter, ein Hinweis auf das Leiden Jesu. Rote Bänder erinnern wie die Gewänder des Priesters an das Blut Jesu, das er für uns vergossen hat. Diese Zweige werden geweiht, das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem verkündet, eine große Prozession setzt sich betend und singend in Bewegung: „Singt `Hosanna!´“, das Wort kommt aus dem Hebräischen und bedeutet: „Herr, hilf doch!“ Es ist das jubelnde Bekenntnis, dass Christus unser Helfer ist – und niemand sonst!
In der Kirche dann ändert sich unvermittelt der festlich-fröhliche Ton, denn die Messe mit der Verkündigung der Leidensgeschichte Jesu ist ganz von der Betrachtung des Leidens Christi geprägt. Was zunächst fast etwas widersprüchlich wirkt, das hat einen ganz tiefen Sinn: Wer mit Christus jubelnd in Jerusalem einzieht, wer seine Wunder anerkennt und ihn als Sohn Gottes verehrt, bei dem allein Hilfe zu finden ist, der muss auch bei ihm aushalten, wenn er ungerecht verurteilt wird und wehrlos Leiden und Schmerz ertragen muss. Weil Christus gehorsam war, weil er bis zuletzt von seinem Weg der Gewaltlosigkeit und der wehrlosen Liebe nicht abgegangen ist, „darum hat ihn Gott über alle erhöht“ (Phil 2,9), wie Paulus es ausdrückt. Keiner, der sich Christ nennt, kann dahinter zurück!
Die gesegneten Zweige werden im Haus aufbewahrt, sie bekommen einen Ehrenplatz beim Kreuz, bei Heiligenbildern, bei Erinnerungsfotos, mancherorts werden sie auch zu den Gräbern der Verstorbenen gebracht. Sie sollen uns bewahren vor Krankheit, vor Unwettern und Hagelschlag. Darüber hinaus aber sollen sie uns an das Leiden, den Tod und die Auferstehung des Herrn erinnern – und uns in seiner Liebe bewahren, bergen, an die Verpflichtung erinnern, die wir als Getaufte und Gefirmte übernommen haben: dem Herrn in unseren Worten und Werken tagtäglich die Treue zu halten!
In der Heiligen Woche, die bei uns seit alter Zeit die „Karwoche“ heißt (vom althochdeutschen „kara“, was eine Totenwache beschreibt – es geht also um die Klage über den leidenden und sterbenden Herrn), feiert die Gemeinde auch die Werktagsmessen ganz auf die Ereignisse dieser Zeit bezogen: am Montag steht die Salbung der Füße Jesu durch Maria von Betanien im Mittelpunkt, da sie nach dem Johannesevangelium sechs Tage vor dem Osterfest stattfand (Joh 12, 1-11), am Dienstag der Verrat durch Judas und am Mittwoch die Vorbereitung des Paschamahles.
Die Chrisammesse – ein Fest der ganzen Diözese
Seit alter Zeit wurden in Rom am Gründonnerstag die Christen, die eine Kirchenstrafe zu tragen hatten, wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen; in der Osternacht wurden alle, die sich dem christlichen Glauben zugewandt hatten, getauft und gefirmt. Aus dieser Tradition heraus weiht der Bischof in der Domkirche am Gründonnerstag, aus wichtigen Gründen auch an einem anderen Tag der Karwoche, die heiligen Öle, die für Taufe, Firmung, Weihe, Krankensalbung, für die Weihe von Kirche und Altar sowie der Glocken gebraucht werden.
In unserer Diözese findet die „Missa chrismatis“, die Chrisammesse, seit vielen Jahren am Mittwoch in der Karwoche statt. Die Priester und Diakone treffen sich bereits am Morgen zu einem Einkehrtag.
In der Regel feiert unser Bischof mit Priestern und Diakonen aus allen Regionen der Diözese die Eucharistie. Eingeladen sind ebenso Gläubige aus allen Pfarren der Diözese diesen Gottesdienst mitzufeiern, besonders Eltern, die ein Kind taufen lassen möchten, Jugendliche, die sich auf den Empfang der Firmung vorbereiten, Angehörige von kranken und alten Menschen, die die Krankensalbung empfangen möchten. Besonders eingeladen sind zudem die Gläubigen der Dekanate, die unser Bischof visitiert, Pfarrgemeinderäte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarren, darüber hinaus aber auch alle, die sich unserem Bischof und den Priestern und Diakonen verbunden wissen – alle sind Sie herzlich eingeladen! Denn in dieser Woche sind wir Christen einander in ganz besonderer Weise verbunden. In der Osternacht sagt das die Epistel: „Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden“ (Röm 6,3) – alle Getauften, wo immer sie leben, gehören zueinander, weil Christus für uns alle gestorben ist, und weil wir alle wie er zum ewigen Leben auferstehen werden!
Die heiligen Öle machen in besonderer Weise deutlich, dass wir Christen (das Wort heißt ja „die Gesalbten“!) von Christus, dem Gesalbten, berufen, erwählt worden sind. Die Priester erneuern deshalb in dieser Eucharistiefeier auch ihr Treueversprechen, das sie bei der Weihe abgelegt haben. Wir alle erneuern unser Treueversprechen in der Osternacht, wenn wir dem Bösen widersagen und das Taufbekenntnis erneuern.